Johannes Haw

Nicht nur bei Bier und Wein haben sich Moselfranken seit langem als Meister der Erzeugung berühmter alkoholischer Getränke erwiesen. Sogar der einst vom ausgewanderten Eifler Hubert Grommes in den USA produzierte Whisky genoss einen exquisiten Ruf. Weniger bekannt dagegen ist, dass auch in der frühen Anti-Alkohol-Bewegung Eifler eine führende Rolle spielten: Die Priester Josef Neumann (1856–1912) aus Dudeldorf und Johannes Haw (ausgesprochen: Hau) aus Schweich.

Die Wurzeln des 1871 geborenen Bauernsohns Haw lagen in den Südeifelorten unweit Triers. Peter Haw, sein Vater, kam aus Bekond, die Mutter Barbara Hoff aus Schweich. Der junge Johannes Haw wurde von Gesundheitsproblemen geplagt, die so schwerwiegend waren, dass für ihn der Beruf des Bauern nie ernsthaft in Betracht kam. So beschritt er den typischen Weg begabter Eifler Bauernkinder und bereitete sich im Trierer Konvikt als Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums auf ein geistliches Leben vor. Haw war Teil jenes Abiturjahrgangs 1891, dem auch die an dieser Stelle schon früher portraitierten Bischöfe Nikolaus Bares und Antonius Mönch angehörten. Während Bares und Mönch sowohl als exzellente Schüler wie auch als mehrfach promovierte Theologen glänzten, verlief der Lebensweg ihres Freundes Haw zunächst unauffälliger. Auf die Priesterweihe 1895 folgten Tätigkeiten als Kaplan in Koblenz und als Pfarrvikar in Holz/Saar. Im Mai 1900 trat Haw in Wintersdorf an der Grenze zu Luxemburg seine erste Pfarrerstelle an. Nach einigen Kleinschriften veröffentlichte er 1904 ein Buch, das einem Hauptthema seines Lebens galt: „König Alkohol: Ein Aufruf zum Kampfe gegen den Erbfeind“. Klagen über den gefährlichen Hang der Germanen und Deutschen zum Alkohol gab es zwar seit jeher, aber im 19. Jahrhundert hatte sich das Alkoholproblem wieder verschärft. Besonders in der ärmeren Bevölkerung galt Schnaps als nützliches Stärkungsmittel, das sogar Kindern bedenkenlos verabreicht wurde. Pfarrer Haw war um 1900 nicht der erste, dem die katastrophalen Wirkungen des verbreiteten Alkoholkonsums auffielen. Im Deutschen Reich bildeten sich Vereinigungen, die entweder totale Alkoholabstinenz forderten oder aber zumindest starke Mäßigung. Josef Neumann gründete zunächst ein „Katholisches Kreuzbündnis“, dann 1901 für katholische Priester den „Priesterabstinentenbund“ und forderte Totalabstinenz – also die völlige Enthaltung von Alkohol. Obwohl Haw selbst außer Messwein keinen Alkohol trank, propagierte der von ihm gegründete „Katholische Mäßigkeitsbund Deutschlands“ dagegen eine weniger strenge Haltung und duldete auch maßvoll Trinkende: „Wir bekämpfen nicht den Alkohol, sondern den Alkoholismus“. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entfaltete Haw eine enorme organisatorische Aktivität im Kampf gegen den „Branntweinteufel“ (W. Schönhofen/J. Weber). Mit Unterstützung seines Bischofs wurde er gleichsam hauptberuflich Antialkoholiker. Wichtige Neugründungen von Abstinenzvereinigungen – sogar für Schulkinder („Schutzengelbund“) – gehen auf ihn zurück. Haw reiste zu internationalen Abstinenzler-Versammlungen, wobei die Gegnerschaft zwischen radikalen und moderaten Alkoholgegnern oft zu aufreibenden Konflikten führte. 1912 wurde Haw Gründungsvorsitzender des „Kreuzbundes“ und führte dessen Geschäfte von Leutesdorf aus. In diesem Weinort gründete Haw 1919 den „Johannesbund“, der in unterschiedlichen Ordensgemeinschaften sowohl Männer als auch Frauen umfasst. Vorbild dieser Gemeinschaft, deren Mitglieder sich seit damals um Menschen in Not kümmern, ist Johannes der Täufer, der für Jesus wegen seiner auf Gott vertrauenden Bedürfnislosigkeit der größte aller Menschen war. Unter Haws Führung gab der Johannesbund sehr erfolgreich Zeitschriften und Schriften heraus, bis sie durch die Nazis nach und nach verboten wurden. Die katholischen Ideale Haws waren dem NS-Staat ein Dorn im Auge. 1941 wurde der Johannesbund verboten. Haws Urteil über den Antialkoholiker Hitler war vernichtend: „Hitler? Rauch aus der Hölle!“ Nach dem Krieg schaffte es Haw, den Johannesbund von Leutesdorf aus neu aufzubauen. 1949 starb der fromme Schweicher dort im Kreis seiner Johannesschwestern und Johannesmissionare. Ein Jahr später erschien aus der Feder seines Freundes, des Pfarrers Stephan Berghoff (1891–1963), eine erste Biographie. 2010 verkündete der Heilige Stuhl, dass der Einleitung des Verfahrens zur Seligsprechung von Johannes Haw nichts entgegensteht.

Verfasser: Gregor Brand

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