Johann Peter Forens

Vor 200 Jahren, im Sommer 1812, griff die größte Streitmacht, die die Welt bis dahin gesehen hatte, unter dem Befehl Kaiser Napoleons das zaristische Russland an. Von den über 500 000 europäischen Kriegern unter der Fahne Frankreichs blieben mehr als 400 000 als Tote zurück. Da die russischen Verluste insgesamt noch größer waren, forderte diese verheerende Niederlage Napoleons über eine Million Opfer. Zu den wenigen Soldaten, die nicht nur diese Megakatastrophe, sondern auch die anderen Kriegszüge des Korsen überlebten, gehörte der 1784 geborene Eifler Bauernsohn Johann Peter Forens. Die erhaltenen Notizen, auf denen Forens die Stationen seines Lebens als französischer Soldat festhielt, lassen trotz ihrer Kürze die blutige Dramatik der damaligen Zeit ahnen. 1912 wurde sein Kriegstagebuch von Pfarrer Kilburg in der Zeitschrift „Trierische Chronik“ erstmals auszugsweise der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der seltene Familienname Forens, den man schon um 1700 in Plein findet, hat bis heute seinen Schwerpunkt in diesem Teil der Eifel. „Forens“ leitet sich vermutlich von einem alten Rechtsbegriff ab, mit dem auswärtige Eigentümer in einer Gemeinde bezeichnet werden, die nicht zu den Einwohnern selbst gehören. Johann Peter Forens, Sohn von Ludwig Forens und Eva (geb. Schmitz), musste sich 1805 zur Musterung in Prüm einfinden. Der französische Staat, zu dem Gipperath damals gehörte, wollte auf die Soldatendienste des Eiflers nicht verzichten, obwohl dessen Eltern ihren Erstgeborenen gerne als Hofnachfolger zu Hause behalten hätten und sie sogar einen Ersatzmann präsentierten. Alles Widerstreben half nichts: Forens kam zu den Pionieren („Sapeurs“), besonders kräftigen und handwerklich tüchtigen Soldaten, die für die Errichtung von Befestigungen und Brücken unerlässlich waren. Die Militärzeit des knapp 21-Jährigen begann mit einem langen Marsch nach Süden, der ihn und die anderen Rekruten durchs winterliche Frankreich bis nach Turin führte, Nach der Ankunft im Januar 1806 wurden Forens und sein Kamerad Konrad aus Minderlittgen auf verschiedene Kasernen verteilt: „Da war es traurig mit uns Teutschen, daß wir nicht mit den andern reden konnten.“ Forens, der erst später fließend Französisch sprach, war immer froh, wenn er auf einen Eifler Landsmann traf. Nach der Ausbildung in Oberitalien ging es wieder zurück – und diesmal gleich weit nordöstlich übers Rheinland hinaus bis nach Frankfurt/Oder. Nach neueren Berechnungen legte Forens in seiner Soldatenzeit mehr als 14 000 km zu Fuß zurück: „Unglaubliche 5 400 km Fußweg bewältigte Forens 1812/13 im Feldzug gegen Russland …. Märsche bis zu 50 km am Tage waren keine Seltenheit.“ (F. Wisskirchen). Die Aufzeichnungen von Forens vermitteln den gewiss zutreffenden Eindruck, dass er und seine Kameraden pausenlos von einem Kriegsschauplatz zum nächsten unterwegs waren, vom Mittelmeer bis ins Baltikum, von Danzig bis Turin. Oft gab es tagelang nichts zu essen, Hunger und lebensbedrohliche Krankheiten waren ständige Begleiter der napoleonischen Soldaten. Forens berichtete unverblümt, wie die Soldaten zur Gewalt griffen: Einem widerspenstigen Juden in Warschau wurde der lange Bart mit Feuer halb abgebrannt und er musste sich zudem noch belehren lassen: „Mit den Soldaten ist nichts zu gewinnen, besonders noch, da Sie ein Jude sind.“ Auch die polnischen Bauern wollten den verhassten Franzosen nichts geben und trotz Viehraub und Plünderung blieb der Mangel quälend. Forens schrieb: „Ich arbeite eine Zeitlang mit großem Hunger und in großer Kälte, dabei hatte ich schlechte Montierung und mehr Läuse als Geld.“ Noch schlimmer wurde es in Russland: „Nun ist immer mehr der Hunger bei uns eingerissen, sodaß viele auf der Straße vor Hunger gestorben und etliche andere desertiert sind.“ Obwohl Sapeurs wie Forens beim Brückenbau an eiskalten Flüssen bis zum Umfallen arbeiteten, war der Untergang von Napoleons „Grande Armée“ nicht aufzuhalten: In vielen Gefechten erwiesen sich die Russen als ebenbürtig und oft auch überlegen. Forens hatte spätestens nach dem Russlandfeldzug, bei dem ihm ein Ohr abfror, die Einstellung: Je schneller es mit der Franzosenherrschaft zu Ende geht, desto besser. Als er 1814 in die Eifel zurückkehren konnte, begann er mit dem für ihn typischen Gottvertrauen ein neues friedliches Leben und heiratete 1815 die Pleinerin Anna Elisabeth Ternes (1794–1839). Die Ehe war mit neun Kindern gesegnet. 1859 starb der alte napoleonische Veteran Johann Peter Forens als preußischer Bauer in Plein.

Verfasser: Gregor Brand

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