Johann Baptist Hoffmann

Als im Jahr 2000 im Nordosten Indiens der neue Bundesstaat Iharkhand gegründet wurde, nahmen von diesem Ereignis in Deutschland verständlicherweise nur wenige Menschen Notiz. Dabei hätte man gerade in der Eifel Grund gehabt, den Blick auf diesen Teil des aufstrebenden Riesenlandes zu richten. In Ranchi, der Hauptstadt des neuen Bundesstaates, wirkte viele Jahre lang ein Eifler, dessen Name dauerhaft mit der Geschichte dieser fernen Region verbunden ist: Johann Baptist Hoffmann SJ aus Wallendorf.

Der spätere Jesuitenpater wurde 1857 im idyllischen Grenzdorf am Zusammenfluss von Sauer und Our als Erstgeborener des Landwirts Gerhard Hoffmann und dessen Ehefrau Margarethe Lorenz geboren. Auf die Schulzeit in Echternach folgte die gymnasiale Ausbildung auf dem Jesuitenkolleg im nordbelgischen Turnhout. Nach dem Abitur 1877 trat Hoffmann als Novize in den Jesuitenorden ein und wurde noch im gleichen Jahr nach Kalkutta im damals zum britischen Weltreich gehörenden Indien entsandt. Der Bauernsohn verfügte über eine grandiose Sprachbegabung, die ihn für eine missionarische Tätigkeit wie geschaffen erscheinen ließ. Hoffmanns Muttersprache war Moselfränkisch, aber inzwischen beherrschte er auch Latein, Griechisch, Englisch, Französisch und Niederländisch. Bald kamen Sanskrit, die ehrwürdige alte Sprache Indiens, sowie die neueren Sprachen Hindi und Bengalisch hinzu. Von geradezu historischer Bedeutung wurde, dass Hoffmann die Sprache der Munda erlernte. Die Munda sind ein Volk in Ostindien, das zu den Ureinwohnern (Adivasi) Indiens gezählt wird und sich historisch-kulturell von der hinduistischen Mehrheit Indiens unterscheidet. Die Munda-Sprachen werden heute von rund zehn Millionen Menschen in Indien und Bangladesch gesprochen. Der 1891 zum Priester geweihte Hoffmann hatte sich als Lehrer am Jesuitenkolleg in Kalkutta zum ersten Mal mit der Kultur der Munda beschäftigt. Auch wenn er nach der Priesterweihe noch zwei Jahre lang seine theologischen Studien fortsetzte, so notierte er nebenher eifrig alles, was er von der Welt der Munda erfahren konnte. Als der 36-jährige Westeifler 1893 selbst als Missionar in das Berggebiet der Mundas aufbrach, erlebte er, dass er in ein umkämpftes Stammesgebiet geraten war, in dem ethnische, religiöse und vor allem soziale Gegensätze hart und oft blutig aufeinanderprallten. Die Munda-Kleinbauern mit ihrer traditionellen Naturreligion sahen sich reichen Hindu-Landbesitzern gegenüber, die sich immer mehr Stammesland aneigneten. Jede Ernteschwierigkeit wurde für die Adivasi zu einer Existenzkrise, die sie tiefer in die Verschuldung und Abhängigkeit von den reichen Grundbesitzern und Geldverleihern trieb. Pater Hoffmann setzte sich bei den britischen Kolonialbehörden dafür ein, endlich gegen diese sozialen Missstände vorzugehen. Professor Paul Steffen (Rom), dem wir wichtige Informationen zu J. B. Hoffmann verdanken, wies darauf hin, dass der Wallendorfer mit seiner Kombination von katholischer Verkündigung und sozialreformerischem Einsatz den Weg seines Freundes, des flämischen Jesuiten C. Lievens (1856–1893), fortsetzte, der vor ihm im Munda-Gebiet gewirkt hatte.  Als Hoffmann 1903 ein Grundlagenwerk zur Grammatik der Mundasprache veröffentlichte, machte ihn das zu einem nun auch von den Briten hoch respektierten Gesprächspartner. Der Eifler wurde Autor eines Gesetzeswerks, das wichtigen sozialen Anliegen der Munda gerecht wurde. Seine Vorschläge erlangten 1908 mit dem „Chota Nagpur Tenancy Act“ Gesetzeskraft. Dieses bis heute geltende Gesetzeswerk sieht unter anderem vor, dass Nicht-Eingeborene kein Adivasi-Land erwerben dürfen.

1907 erlitt der überarbeitete Jesuit einen gesundheitlichen Zusammenbruch, der ihn zum Genesungsurlaub nach Deutschland zwang. Als er im folgenden Jahr nach Indien zurückkehrte, gelang es ihm, im Munda-Gebiet ein Genossenschaftssystem nach Art Raiffeisens aufzubauen. Ein jähes Ende fand dieser nimmermüde Einsatz, als die britischen Kolonialherren mit Beginn des 1. Weltkriegs alle deutschen Missionare auswiesen. In der deutschen Heimat konzentrierte sich Hoffmanns Arbeit jetzt darauf, das kulturelle Erbe der Munda zu bewahren. Zusammen mit Arthur van Emelen SJ gab er die „Encyclopaedia Mundarica“ heraus, das Hauptwerk zur Munda-Kultur. Obwohl Pater Hoffmann in seinen letzten Jahren von stärksten rheumatischen Schmerzen gequält wurde, arbeitete er eisern und gottergeben weiter bis zu seinem Tod 1928 im Brüderkrankenhaus zu Trier.

Verfasser: Gregor Brand

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