Jakob Vogt

– Gewichtheber und Weltrekordmann aus Ochtendung

Ein denkwürdiges Phänomen der Sportgeschichte: Ende der 1920er Jahre hielten zwei Eifler die schwergewichtigsten Weltrekorde im Gewichtheben in ihren starken Händen: Paul Trappen aus Heidweiler und Jakob Vogt aus Ochtendung. Während der in Trier lebende mythenumwobene Metzger und Gastwirt Trappen im Dreikampf 1928 das Rekordgewicht von 382,5 kg gestemmt hatte, steigerte der zurückhaltende Straßenarbeiter Vogt 1929 seinen eigenen bisherigen Weltrekor242_vogt_26_15d auf 365 kg Man könnte durchaus darüber streiten, welche Kraftleistung höher zu bewerten war, denn Vogt durfte als Halbschwergewichtler nicht mehr als 82,5 kg wiegen, während Trappens muskelbepacktes Körpergewicht jenseits der 100 kg lag. Für die befreundeten Sportkameraden war diese Frage jedoch kein Problem, zumal der 15 Jahre ältere Trappen für Vogt Vorbild und Lehrmeister war.

Jakob Vogt kam 1902 in Ochtendung zur Welt – also in jenem Eifelort, der noch auf andere Weise mit dem Begriff Kraft verbunden ist: als Geburtsort des Trierer Weihbischofs und Dompredigers Jakob Kraft (1808-1884). Theologieprofessor Kraft schrieb nicht nur Biographien über Wilhelm Arnoldi und Matthias Eberhard, die bekanntesten Trierer Bischöfe des 19. Jahrhunderts, sondern hinterließ auch ein umfangreiches publiziertes Predigtwerk. Der Lebensweg seines Landsmanns Vogt verlief in völlig anderen Bahnen. Nach Angaben von Ute Schambach (Ochtendung) hatte Vogt noch zehn Geschwister und wurde selbst Vater von drei Kindern. Seine Sportlerbiographie begann als Sprinter und Geräteturner im Turnverein, ehe er sich im Ochtendunger Athletenclub Siegfried das Rüstzeug für seine Erfolge als Gewichtheber erwarb.

Exzellente physische Anlagen und intensives Training brachten ihn rasch auf ein erstaunlich hohes Leistungsniveau. Bereits 1924 wurde Vogt in Neunkirchen/Saar Europameister im Mittelgewicht. Dies war der Beginn einer Kraftsportkarriere, die Vogt zwischen 1925 und 1935 in die Weltelite der Gewichtheber führte. 1927 wurde er Deutscher Meister im olympischen Dreikampf, bis 1932 verteidigte er diesen Titel Jahr für Jahr souverän. 1929 triumphierte Vogt auch im Fünfkampf auf nationaler Ebene; im gleichen Jahr errang er in Wien einen weiteren Europameistertitel. Dass das Kraftpaket aus der Pellenz auch über Europa hinaus zur Weltspitze gehörte, bewies Vogt eindrucksvoll mit zahlreichen Weltrekorden, die er sowohl in den Einzeldisziplinen beidarmiges Drücken und beidarmiges Reißen als auch im olympischen Dreikampf aufstellte. Im Drücken, bei dem das Gewicht nach dem Umsetzen vor der Brust korrekterweise nur mit der Kraft der Arme und der Brustmuskeln in die Höhe gebracht werden durfte, kam er 1926 auf 103 kg, später steigerte er diesen Weltrekord mehrfach. Als das Drücken als eigenständige Gewichtheberdisziplin 1972 offiziell abgeschafft wurde, dürfte der siebzigjährige Altmeister Vogt dies mit Wehmut zur Kenntnis genommen haben.

Ähnlich wie bei Paul Trappen, so stand auch bei Jakob Vogt die Olympiateilnahme unter einem unglücklichen Stern. 1928 war der amtierende Weltrekordler Vogt als Favorit zu den Spielen in Amsterdam gereist, musste sich dort aber dem ägyptischen Überraschungssieger El Sayed Nosseir beugen. Überdies verfehlte er trotz starker Leistung die Medaillenränge äußerst knapp und wurde schließlich mit einer Gesamtleistung von 335 kg Vierter. Als er sich ein Jahr später den Weltrekord eindrucksvoll zurückeroberte, mag auch der Wille eine Rolle gespielt haben, diese leichte olympische Scharte von Amsterdam auszuwetzen. War Olympia 1928 für Vogt schon etwas unglücklich gelaufen, so kam es 1932 noch bitterer.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland war infolge der Weltwirtschaftskrise katastrophal und weder Vogt persönlich noch der zuständige Sportverband sahen sich in der Lage, die Reise in die Olympiastadt Los Angeles zu finanzieren. Für den bärenstarken Athleten aus Ochtendung war es wohl nur ein schwacher Trost, dass er in einem Städtewettkampf des gleichen Jahres mit weltrekordnaher Leistung den französischen Olympiasieger Louis Hostin besiegte. Als vier Jahre später die Olympischen Spiele in Berlin anstanden, verhinderte eine Handverletzung die Teilnahme des nach wie vor sehr starken Vogt, der daraufhin seine aktive Laufbahn beendete. Dem Gewichtheben blieb er jedoch weiterhin verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte Vogt sein Wissen und seine Erfahrung zunächst beim ASV Siegfried Koblenz als Trainer ein, ehe er Anfang der fünfziger Jahre maßgeblich zum Wiederaufbau seines alten Vereins AC Siegfried Ochtendung beitrug.  Jakob Vogt starb am 1. Mai 1985 – ein Jahr, nachdem erneut Olympische Spiele in Los Angeles stattgefunden hatten. Man kann sich gut vorstellen, dass Altmeister Vogt einerseits die markanten Leistungsfortschritte vollauf zu würdigen wusste, andererseits aber manchen neueren Auswüchsen des Kraftsports – Stichwort: Anabolikamissbrauch – mit ausgeprägtem Unbehagen begegnete. In seinem Heimatort hält nicht zuletzt das nach ihm benannte Jakob-Vogt-Stadion die Erinnerung an den großartigen Spitzensportler fest.

Verfasser: Gregor Brand

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