Herbert Fandel aus Utscheid-Rußdorf – International berühmter Schiedsrichter

Das Fußball-Spitzenland Deutschland hat im Lauf der Jahrzehnte mehrfach Schiedsrichter von internationalem Ruf hervorgebracht. In die Spitzengruppe dieser elitären Auswahl gehört zweifellos der frühere FIFA-Schiedsrichter Herbert Fandel. Seine herausragenden schiedsrichterlichen Leistungen fanden unter anderem höchste Anerkennung in der viermaligen Wahl zum deutschen Schiedsrichter des Jahres (2001/2005/2007/2008) und sogar zum Vize-Weltschiedsrichter (2008). Fandel war damit neben dem Pfälzer Zahnarzt Dr. Markus Merk die dominierende deutsche Schiedsrichter­persönlichkeit in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts. Auf internationaler Ebene machte er sich durch die Leitung von 26 Länderspielen und 56 Europapokalspielen einen Namen. 2007 leitete er in Athen das Finale der Champions League zwischen dem FC Liverpool und AC Mailand. Noch heute kann er sich genau an jede Minute dieses Spiels erinnern, das mit Weltstars nur so gespickt war und von den Italienern unter Trainer Ancelotti durch zwei Tore von Filippo Inzaghi gewonnen wurde.

Herbert Fandel

Herbert Fandel kam 1964 in Bitburg zur Welt, aber sein Heimatort ist Utscheid-Rußdorf. In diesem Dorf, der Heimat des Religionswissenschaftlers J. P. Steffes (1883-1955; vgl. über ihn G. Brand: Kinder der Eifel aus anderer Zeit II, 2018), wuchs er zusammen mit drei Brüdern in einer Familie auf, in der Begeisterung für Fußball und Musik gleichermaßen lebendig waren. An die Musik, vor allem das Klavierspiel, wurde er zunächst von seinem Großvater, dem aus Bettingen stammenden Peter Klesius, herangeführt. 1975 übernahm der erst elfjährige Herbert nach dem plötzlichen Tod des Utscheider Kirchenorganisten die Organistenstelle in seinem Heimatort und füllte sie ein Jahrzehnt lang erfolgreich aus. Ähnlich spontan verlief der Einstieg in die Schiedsrichterlaufbahn, als er 13-jährig für einen ausgefallenen Schiri einsprang. In beiden Bereichen bildete er sich zielstrebig weiter. Nach dem Abitur in Neuerburg begann Fandel an der Musikhochschule Köln das Klavierstudium. Welch hohes Niveau er bei seinem Abschluss erreicht hatte, zeigte sein Sieg beim Mendelssohn-Wettbewerb 1988. Danach schien der weitere Weg zu einer erfolgreichen Pianisten-Karriere zu führen. Internationale Auftritte und Rundfunkaufnahmen folgten.

Aber da gab es ja auch weiterhin noch die andere Seite Fandels – die Tätigkeit als Schiedsrichter. 1989 wurde er DFB-Schiedsrichter, durfte also bereits Spiele in der dritten Liga und – im Juniorenbereich – in der Bundesliga leiten. 1993 pfiff Fandel erstmalig in der 2. Bundesliga, in der 1. Bundesliga debütierte er 1995 bei der Begegnung VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt. Es folgten 246 weitere Einsätze in Spielen der 1. Bundesliga, wodurch Fandel zu einer bekannten Persönlichkeit im deutschen Profifußball wurde. Sein Wirken ging allerdings, wie eingangs angedeutet, weit darüber hinaus. Fandel wurde FIFA-Schiedsrichter und leitete bei seinen Einsätzen in Europokal- und Nationalspielen sowie bei den Olympischen Spielen internationale Topspiele. Seiner charakteristischen Schiedsrichterlinie blieb er bei aller Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung treu. Das Auftreten des sportlichen und selbstbewussten Eiflers auf dem Platz galt nach Einschätzung des angesehenen Schiedsrichterkollegen Deniz Aytekin als „streng und kompromisslos“ – ein Kontrast zu der freundlichen und sympathischen Ausstrahlung, wie man sie von Fandels zahlreichen öffentlichen Auftritten kennt. Wenn die Fußballgerechtigkeit es erforderte, zögerte er nicht, auch noch in der letzten Minute einen Elfmeter gegen die Heimmannschaft zu verhängen. Dass ihn das in der hochemotionalen Atmosphäre vieler Fußballspiele in Schwierigkeiten bringen konnte, war ihm sehr bewusst und hatte er besonders deutlich erlebt, als 2007 beim EM-Qualifikationsspiel Dänemark-Schweden ein Fan auf den Platz stürmte und ihn attackierte.

Als Fandel 2009 seine Laufbahn als Schiedsrichter beendete, bedeutete dies keineswegs einen Rückzug aus dem Schiedsrichterleben überhaupt. 2010 wurde er zum Vorsitzenden der DFB-Schiedsrichterkommission gewählt, was ihn bis zum Amtsende 2018 zur wichtigsten Person in Fragen der Ausbildung, der Auswahl und des Einsatzes der deutschen Elite-Schiedsrichter machte. Als Mitglied der UEFA-Schiedsrichterkommission (2011-2019) übernahm er für einige Jahre zusätzlich Verantwortung auf europäischer Ebene. 2022 wurde Fandel Senior Course Leader des Centre of Refereeing Excellence (CORE) der UEFA in Genf, einem Trainings- und Förderprogramm für junge internationale Schiedsrichter aus ganz Europa. Seit dem 1. 9. 2022 ist Fandel als Vorsitzender des belgischen Schiedsrichterausschusses führend zuständig für die Entwicklung des Schiedsrichterwesens im Nachbarland.

Angesichts dieser außerordentlichen Karriere könnte man leicht vergessen, dass der in Kyllburg wohnende zweifache Familienvater beruflich auch noch ganz anders unterwegs ist. Seit 1999 leitet er die Kreismusikschule Bitburg-Prüm, seit 2009 zusätzlich das Kultur- und Sportamt Bitburg-Prüm. Nachdem er bereits im Jahr 2000 den Internationalen Bitburger Klavierwettbewerb gegründet hatte, initiierte er 2010 die spannende Talkreihe „Einblicke“ in Bitburg, bei der er alljährlich Prominente aus unterschiedlichen Bereichen zum souverän geführten, lockeren Gespräch einlädt. Auch die Tatsache, dass diese Persönlichkeiten seiner Einladung in die Eifel gerne Folge leisten, zeigt das Ansehen, dass sich Herbert Fandel weit über die Fußballwelt hinaus erworben hat.

 

Verfasser: Gregor Brand

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