Heinrich von Ulmen

Kreuzfahrer – dieses Wort lässt auch im 21. Jahrhundert die Menschen nicht gleichgültig. In der arabischen Welt wühlt es nicht nur bei Islamisten heftige Emotionen auf. Auch in den europäischen Herkunftsgebieten der Kreuzfahrer ist der alte Ausdruck kein Begriff, den nur noch Historiker kennen. Das heutige Interesse lässt sich allerdings in keiner Weise mit den religiösen Wallungen vergleichen, die einst die Christenheit bewegten, wenn es um die Frage ging, wer im Heiligen Land herrschen soll.

Zu denjenigen, deren Leben von der Kreuzzugsidee geprägt wurde, gehörten auch Ritter der burgenreichen Eifel. Zu den wichtigsten Eifler Kreuzrittern zählte der um das Jahr 1175 geborene Heinrich von Ulmen. Seine in den Ritterstand aufgestiegene Familie war über Generationen mit den Stauferherrschern besonders verbunden. Ob der junge Ulmener schon 1194/95 im Heer des Barbarossa-Sohns Heinrich VI. in Italien kämpfte, steht nicht fest.

Der 1970 in Cochem geborene Historiker Dr. Bernhard Kreutz, der sich eingehend mit der Biographie seines Landmanns Heinrichs von Ulmen beschäftigt hat, hält dies für möglich. Sicher ist jedenfalls, dass Heinrich am Vierten Kreuzzug teilnahm, der 1198 von Papst Innozenz III. ausgerufen wurde. Die Kreuzritter – darunter auch Wirich von Daun – beabsichtigten, von Venedig aus nach Ägypten zu segeln, um nach der Eroberung Kairos in Jerusalem die Sarazenenherrschaft zu beenden. Doch spätestens in Venedig wurde deutlich, dass es bei den Kreuzzügen auch um unfromme Dinge ging. Um die venezianischen Schiffe bezahlen zu können, ließen sich die in der Lagunenstadt versammelten Kreuzfahrer dazu überreden, die christliche Stadt Zara zu überfallen. Anstatt nach Ägypten aufzubrechen, entschloss sich ein Teil des Kreuzfahrerheers danach, in den damals schwelenden Streit um die Kaiserherrschaft in Konstantinopel/Byzanz (heute: Istanbul) einzugreifen. Der byzantinische Kaisersohn Alexios, verschwägert mit den Staufern, lockte den Ulmener und die anderen Kreuzfahrer mit der Aussicht auf Reichtum und dem Versprechen, dass sich das orthodoxe Byzanz wieder der Herrschaft des Papstes unterwerfen werde. Nach blutigen Intrigen stürmten die Kreuzfahrer 1204 das ihnen verhasste Byzanz, wo in den Jahrzehnten zuvor zahlreiche Katholiken massakriert worden waren: „Sie schonten weder Heiliges noch Profanes, zerstörten in wildem Vandalismus die herrlichsten Kunstschätze des Alterthums und füllten Alles mit Gräuel und Schrecken“, beschrieb der Historiker Georg Weber die von orthodoxen Christen bis heute nicht vergessene Eroberung. Besonders begehrt waren die Reliquien in der seit Jahrhunderten unbesiegten Metropole. Im Herbst 1207 befanden sich mehrere der wertvollsten Reliquien im Besitz des längst zur Kreuzfahrerelite zählenden Eiflers Heinrich; er sollte sie König Philipp von Schwaben bringen. Zu den fromm verehrten Gegenständen gehörten ein Zahn Johannes des Täufers, vor allem aber eine kostbare Staurothek – also ein Behälter mit Stücken vom Kreuz. Dieses Kreuzreliquiar gilt als erlesenes Meisterwerk byzantinischer Goldschmiedekunst.

Der abenteuergewohnte Ulmener schaffte es, diesen Besitz heil ins Rheinland zu bringen. Bis heute ist nicht bekannt, warum er die Schätze nicht den Staufern überbrachte, sondern an geistliche Institutionen verschenkte. Die Trierer Abtei St. Eucharius-St. Matthias erhielt ebenso wie Maria Laach eine Kreuzpartikel, während der Täuferzahn an das Kloster Heisterbach ging. Für die Mönche waren Heinrichs Gaben Anlass zu Jubel und Freude und sie beteten für sein Seelenheil – vielleicht war gerade das Heinrichs Motiv gewesen. Die schon damals berühmte Staurothek überließ er dem Moselkloster Stuben, wo seine Schwester Irmgard Oberin war. Heute zählt sie zu den Prunkstücken des Diözesanmuseums Limburg.

Der berühmte Kreuzfahrer Heinrich nahm 1215 an der Königskrönung Friedrichs II. teil. Sein Ansehen schützte ihn aber nicht vor Feindseligkeiten. In Ulmen musste er sich mehrfach der Angriffe Werner von Bolandens erwehren. Als über Vierzigjähriger brach Heinrich 1217 nochmals zu einem Kreuzzug auf. Das Heer des Fünften Kreuzzugs erreichte diesmal Ägypten, wurde aber vernichtend geschlagen. Der abgehärtete Eifelritter überlebte seine Gefangenschaft und sah Heimat und Familie wieder. Als er nach 1234 starb, endete das Leben eines Mannes, der wohl mehr von der Welt gesehen und erlebt hatte als jeder andere Eifler seiner Zeit.

 Verfasser: Gregor Brand
 

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