Heinrich Leopold Schoeller

Unternehmer aus Schleiden

260_schoeller_44_15Wer einmal die Gelegenheit hat, sich das imposante Buch „Schoeller. Familien- und Firmengeschichte“ mit seinen rund 450 DIN-A4-Seiten näher anzuschauen, der kann nur in schieres Staunen darüber geraten, in welcher Fülle und Dichte die Familie Schoeller seit Jahrhunderten vor allem im unternehmerischen Bereich Führungspersönlichkeiten hervorbringt. In dem 2013 vom Verband der Familie Schoeller e. V. (Düren) herausgegebenen Werk, dessen Untertitel „500 Jahre Unternehmerische Verantwortung“ wahrlich keine Übertreibung ist, werden biographische Kerninformationen zu Hunderten von Mitgliedern dieser in der Eifel verwurzelten Familie präsentiert. Dabei wird deutlich, dass wichtige Kapitel der Wirtschaftsgeschichte nicht nur der Eifel, sondern sogar Europas maßgeblich von Schoeller-Persönlichkeiten gestaltet wurden. Einige Schoeller-Forscher versuchten mit Fleiß und Gelehrsamkeit die Ursprünge der Schoeller aufzuspüren. Viele historisch interessanten Fakten wurden dabei entdeckt, auch wenn man noch zu keinem definitiven Ergebnis darüber gelangt ist, wo genau die Wurzeln der ersten Schoeller-Namensträger liegen. Eine der überzeugendsten Hypothesen bringt die Anfänge mit „Johannes dem Scholer“ in Verbindung, der im 15. Jahrhundert als Rentmeister der Grafen von Manderscheid auf der Niederburg wirkte. Die Frühgeschichte der Schoeller ist jedenfalls eng mit den Manderscheider Grafen verbunden, die um 1450 die Herrschaft Schleiden übernahmen und seitdem auch dort als Förderer und Nutznießer der Eisenproduktion auftraten. Im Schleidener Raum an den Flüssen Olef und Urft wirkten die frühen Schoeller als Reidemeister. Wie der Schleidener Zweig der Manderscheider, insbesondere Graf Dietrich VI. von Manderscheid (1538-1593), so sympathisierten die Schoeller mit der Reformation. Die Abwendung vom Katholizismus und die Hinwendung zur reformierten Richtung des Protestantismus brachte sie zwar im 17. Jahrhundert in arge Bedrängnis, führte aber andererseits auch zu produktiven verwandtschaftlichen Verbindungen mit anderen erfolgreichen protestantischen Eifler Unternehmerfamilien.

Wenn nun aus der Vielzahl der Schoeller-Persönlichkeiten ein näherer Blick speziell auf Heinrich Leopold Schoeller geworfen wird, so mag das in gewisser Weise als etwas willkürlich erscheinen. Es rechtfertigt sich aber daraus, dass er als „der vielseitigste und expansivste Unternehmer der Familie im 19. Jahrhundert“ angesehen wird, wie es in dem eingangs erwähnten Band heißt. Heinrich Leopold Schoeller kam 1792 auf Burg Schleiden als Sohn des Tuchfabrikanten Johann Arnold Schoeller (1747-1831) und der Lucia Catharina Peuchen zur Welt; er entstammte damit auch mütterlicherseits einer bedeutenden Eifler Unternehmerfamilie. Leopolds Jugendjahre, die er überwiegend in Düren verbrachte, fielen in die Zeit der Franzosenherrschaft, die durch die antibritische Kontinentalsperre gravierende wirtschaftliche Auswirkungen gerade für die Tuchproduzenten und Tuchhändler hatte. Noch vor dem endgültigen Zusammenbruch des napoleonischen Systems gründete der junge Schoeller im Handelszentrum Amsterdam ein Engrosgeschäft für Tuche und englische Manufakturwaren. Als 1815 nach der Niederlage Napoleons in Europa die politischen, aber auch die ökonomischen Karten neu gemischt wurden, übernahm der 23-jährige Leopold zusammen mit seinem Bruder Carl Friedrich („Fritz“) Schoeller (1784-1860) die väterliche Tuchfabrik in Düren. Dieser florierende Betrieb wurde in den folgenden Jahrzehnten die Basis für die von Leopold forcierte europaweite Expansion der schoellerschen Unternehmen. Wichtige Etappen dabei waren die Gründung neuer Werke im österreichischen Habsburgerreich, das mit seiner enormen Ausdehnung hervorragende Bedingungen für ein Ausgreifen bis nach Osteuropa und ans Mittelmeer bot. Bereits 1819 erhielt Leopold Schoeller die Konzession für eine Tuchfabrik im mährischen Brünn. Er selbst blieb zwar in Düren, unterstützte aber die erfolgreichen großindustriellen Unternehmungen seiner Schoeller-Verwandten – z. B. des Neffen Alexander Ritter von Schoeller – in der Donaumonarchie und wurde auf vielfältige Weise zu einer zentralen Figur im schoellerschen Familiennetzwerk. Mit zunehmendem Alter kam ihm zugute, dass aus der 1820 geschlossenen Ehe mit seiner Verwandten Emilie Schoeller (1800-1854) fünf Söhne hervorgingen, die ihrerseits das schoellersche Aktivitätsfeld weiter ausbauten: So war beispielsweise der erstgeborene Sohn Caesar (1822-1887) erfolgreich auf dem amerikanischen Markt tätig, während der jüngere Leopold Schoeller (1830-1896) die schlesische Zuckerindustrie begründete. Ihr Vater Heinrich Leopold eröffnete 1854 ein Teppichkontor in Düren; daraus ging das innovative ANKER Teppichboden Gebr. Schoeller-Werk hervor, das heute über 300 Mitarbeiter beschäftigt und als älteste und größte deutsche Teppichweberei gilt. Der auch politisch und sozial enorm engagierte Unternehmerpatriarch Heinrich Leopold Schoeller starb hochbetagt 1884 in Düren und wurde auf dem dortigen Evangelischen Friedhof in einem kunstvoll repräsentativen Familiengrab beerdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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