Heinrich Böcking

Seit dem Dreißigjährigen Krieg versuchten französische Herrscher, die deutschsprachige Bevölkerung an der Saar zu ihren Untertanen zu machen. Mit militärischen Mitteln gelang ihnen dies sowohl zur Zeit des Sonnenkönigs Louis XIV. als auch in den Jahren der Französischen Revolution. Im 20. Jahrhundert entschieden sich die Saarländer zweimal mit großer Mehrheit gegen Frankreich. Wenig bekannt ist dabei, dass es einst nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft der Eifelmoselaner Heinrich Böcking gewesen war, der sich unter Berufung auf das nationale Selbstbestimmungsrecht erfolgreich gegen den Verbleib saarländischer Gebiete bei Frankreich ausgesprochen hatte. Herzlich hatte deswegen der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm im Jahr 1834 Böcking gegrüßt als „den edlen Mann, der zuerst den Mut hatte auszusprechen, jene Gauen (Saarrevier) möchten unter den Fittichen unseres Adlers wieder deutsch werden“.

Dieser mutige Mann war 1785 als fünftes von 14 Kindern einer ganz außergewöhnlichen Familie in Trarbach geboren worden. Sein Vater, der wohlhabende Kaufmann und Weingutsbesitzer Adolf Böcking, gehörte zu einer protestantischen Familie, die über Jahrhunderte herausragende Unternehmer, Winzer, Gelehrte und Politiker hervorbrachte. Heinrich Böckings Eifler Mutter Ernestina Clara von Scheibler entstammte der berühmten Monschauer Tuchfabrikanten-Familie Scheibler; ein Bruder von ihr war der in österreichischen Diensten stehende Feldmarschalleutnant Karl Wilhelm von Scheibler. Angesichts dieses großbürgerlichen Umfeldes hätte die Jugend Heinrich Böckings eigentlich in ruhigen Bahnen verlaufen können. Doch vier Jahre nach seiner Geburt begann die Französische Revolution und mit ihr eine gerade auch für Eifel und Mosel vielfach chaotische Zeit. 1793 musste Böckings Familie vor den Revolutionären flüchten, mit 14 verlor Heinrich seinen Vater. Als die Verhältnisse wieder ruhiger wurden, erlernte der junge Böcking traditionstreu den Kaufmannsberuf und ließ sich in Amsterdam als selbständiger Kaufmann nieder. 1809 heiratete er die 19-jährige Charlotte Stumm aus einer saarländischen Eisenindustriellen-Dynastie. Böcking-Stumm: Diese Familienverbindung gab es fortan noch öfter. So war Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, einer der wichtigsten Industriellen des Kaiserreichs, nach dem das Land an der Saar spöttisch „Königreich Stumm“ (W. Liebknecht) genannt wurde, nicht nur der Sohn einer Nichte Heinrich Böckings, sondern zudem auch mit Heinrich Böckings Enkelin Ida verheiratet. Eine andere Nichte Böckings wurde die Ehefrau des legendären Stahlindustriellen Alfred Krupp. Eine vielleicht verwirrende Namensvielfalt, die aber eines klar erkennen lässt: Diese Böckings zählten zum innersten Kreis der deutschen Industrie-Elite.

1811 zog das junge Ehepaar nach Saarbrücken, wo Heinrich sich bei der Verwaltung der Hüttenbetriebe seines Schwiegervaters zu einem Fachmann der Eisenindustrie entwickelte. In jenen Jahren der Befreiungskriege und der glänzendsten Zeit deutscher Kultur wurde es Böckings Herzensanliegen, sich für ein Ende der französischen Herrschaft an der Saar einzusetzen und stattdessen auf einen Anschluss deutschsprachiger Gebiete an Preußen zu drängen. Böcking, 1814 für mehrere Monate Bürgermeister von Saarbrücken, führte bei den Friedensverhandlungen in Paris die Saarstädte an und nicht zuletzt seinem diplomatischem Geschick ist es zu verdanken, dass Frankreich sich dem Willen der Bevölkerung beugen und auf Saarbrücken und das Saarrevier verzichten musste. 1816 wurde Böcking Generalbergkassierer und damit einer der wichtigsten Persönlichkeiten der preußischen Bergbauverwaltung; erst 1844 schied er als Oberbergrat aus dem Staatsdienst aus. Ein weiteres wichtiges Amt bekleidete der Eifelmoselaner von 1832 bis 1838 als Bürgermeister von Saarbrücken. In diese Zeit fallen die von Böcking maßgeblich geförderten ersten Maßnahmen zur Erschließung des Gebietes an der Saar durch Eisenbahnen. Zur Sicherung der deutschen Eisenindustrie setzte er sich für Schutzzölle ein, unter anderem als Bevollmächtigter der Rheinisch-Westfälischen Eisenhütten. Seinen Lebensabend verbrachte Böcking in Trier und Bonn, wo er 1862 starb. Das heutige Weingut Richard Böcking in Traben-Trarbach zeigt auf dem Etikett seines Riesling-Sekts das Portrait Heinrich Böckings und ehrt damit zu Recht die „bemerkenswerte Persönlichkeit“ (Ingrid Hollmann) ihres großen Verwandten.

Verfasser: Gregor Brand

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