Gustav Lejeune Dirichlet

Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet – so sein voller Name – ist der berühmteste unter den brillanten Mathematikern, die die Eifel im 19. Jahrhundert hervorbrachte. Wenn es um die Frage geht, wer nach dem unbestrittenen „Fürsten der Mathematik“ Friedrich Gauss zu den Größten dieses Faches im 19. Jahrhundert zählt, kommt keine Diskussion an diesem 1805 in Düren geborenen Sohn eines Posthalters und Kaufmanns vorbei. Gauss selbst hörte erstmalig 1826 von Dirichlet und hatte bald eine so hohe Meinung von dem jungen Eifler wie von kaum einem anderen seiner Generation. Später schrieb Gauss mit norddeutschen Understatement, die Werke von Dirichlet seien „Juwelen, die man nicht mit der Kräuterwaage abwiegen“ könne. Nach dem Tod von Gauss wurde Dirichlet sein Nachfolger als Professor auf dem weltberühmten Lehrstuhl in Göttingen.

Trotz seines französischen Namens war Dirichlet ein echtes Kind der Nordeifel. Seine Mutter Anna Elisabeth Lindner war eine Dürener Bürgerstochter, sein Vater J. A. Lejeune Dirichlet stammte aus dem nur wenige Kilometer westlich gelegenen wallonischen Grenzland, das seit Jahrhunderten mit der Eifel wirtschaftlich, kulturell und verwandtschaftlich eng verflochten war. Von den sieben überlebenden Kindern dieser katholischen Familie war Gustav das jüngste. Dass den nicht gerade wohlhabenden Eltern die Begabung ihres Sohnes nicht verborgen blieb, verwundert kaum, wenn man erfährt, dass sich der Zwölfjährige von seinem Taschengeld Mathematikbücher kaufte. Von der verständlichen Überlegung seiner Eltern, mit dieser Begabung könne er doch ein guter Kaufmann werden, hielt der Junge allerdings gar nichts: Gustav wollte Mathematiker werden. Die Eltern schickten den Zwölfjährigen zunächst aufs Gymnasium in Bonn, zwei Jahre später auf das Jesuiten-Gymnasium in Köln. Dirichlet, ein beliebter und guter Schüler, verließ diese Lehranstalt bereits mit 16, aber ohne Abitur – vielleicht, weil er wusste, dass man Mathematik damals auch ohne Abitur studieren konnte. Ob sein Lehrer Ohm, der später berühmte Physiker, diesem Vorhaben Widerstand leistete, ist nicht bekannt, aber fest steht, dass Dirichlet in den ersten Berufsjahren immer wieder dadurch Nachteile hatte, dass seine Lateinkenntnisse unvollkommen blieben.

In der Zeit nach dem Abgang vom Gymnasium beschäftigte sich der junge Dirichlet vermutlich hauptsächlich mit den „Disquisitiones Arithmeticae“ von C. F. Gauss, das fortan sein Lieblingsbuch wurde. Wie andere Leute die Bibel, so hatte Dirichlet selbst auf Reisen dieses Meisterwerk von Gauss immer in seinem Gepäck. Mit 17 begann der Dürener ein Mathematikstudium in Paris, angelockt vom Weltruf zeitgenössischer französischer Mathematiker wie Fourier oder Poisson. Ein Jahr später stellte der legendäre französische Marschall Foy den Eifler, dessen sympathisches Wesen zeitlebens hervorgehoben wurde, als Privatlehrer ein. Nicht lange danach rief die erste eigene wissenschaftliche Arbeit des noch nicht 20-Jährigen eine wissenschaftliche Sensation hervor. Dem Eifler Studenten war ein Teilbeweis jener legendären Fermatschen Vermutung gelungen, an der sich viele große Mathematiker vor und nach Dirichlet die Zähne ausbissen. Dieser Geniestreich machte Alexander von Humboldt auf ihn aufmerksam, mit dessen Hilfe er zunächst eine Dozentenstelle in Breslau und dann an der renommierten Kriegsschule in Berlin erlangte. Schließlich wurde Dirichlet zusätzlich noch Professor an der Universität Berlin.

Bei diesen Karriereschritten hatte er erhebliche Hindernisse zu überwinden, da ihm formale Voraussetzungen wie Abitur oder Promotion fehlten und er auch bei der Habilitation zunächst Probleme wegen seiner nicht fließenden Beherrschung des Lateinischen hatte. In dieser Situation fand Dirichlet stets Unterstützung bei dem Eifelfreund A. von Humboldt, dessen Freundschaft Dirichlet auch privat Entscheidendes verdankte: Humboldt führte das Mathematikgenie aus der Provinz in die elitären Intellektuellenzirkel der Berliner Salons ein. Dort lernte er die großbürgerliche Rebecka Mendelssohn Bartholdy kennen; zu den Nachkommen dieses Paares zählen etliche herausragende Persönlichkeiten. Der Name Dirichlet wurde Teil vieler mathematischer Begriffe. Man kann nur ahnen, was man von diesem überragenden Geist noch weiter hätte erwarten können, wenn er nicht schon im Mai 1859 mit 54 Jahren in die Ewigkeit abberufen worden wäre.
    
Verfasser: Gregor Brand

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