Friedrich Eis

„In der Tat trägt dieser Siegeszug der Auswanderungsbewegung alle Zeichen einer krankhaften seelischen Erregung an sich“. Mit diesen allzu kritischen Worten charakterisierte 1932 der Historiker Dr. Joseph Scheben (1901–1973) die 100 Jahre vorher stattgefundene Emigration aus der Eifel. Besonderes Augenmerk schenkte Auswanderungsexperte Scheben dabei der Abwanderung aus der Hocheifel, speziell dem damaligen Kreis Adenau. Im Gegensatz zu den meisten anderen Forschern sah er in der Amerika-Auswanderung keine unmittelbare Folge elender Verhältnisse: „Die Jahre 1816 und 1817 sahen eine Riesennot in der Hocheifel, doch niemand wanderte aus.“ Erst zehn Jahre später habe eine größere Auswanderung eingesetzt und sogar erst 1841/42 sei infolge von Briefen ausgewanderter Eifler das „große Auswanderungsfieber“ ausgebrochen. Die Zahl der Menschen, die damals in der Eifel Haus und Hof verließen, ist in der Tat dramatisch hoch. So zogen im 19. Jahrhundert allein aus dem kleinen Arbach rund 100 Einwohner nach Übersee. In den Nachbardörfern verhielt es sich ähnlich. Über das Schicksal einer Arbacher Auswandererfamilie sind wir besonders gut unterrichtet: die Kleinfamilie des Ackerers Wilhelm Eis, der 1855 mit seiner Ehefrau Katharina (geb. Diederich) und den Kindern Elisabeth, Mathias und Friedrich die Fahrt über den Atlantik wagte und sich dann auf die Reise in den wilden unerschlossenen Westen machte. Wichtige Quelle für den Weg dieser Eifler ist ein 1958 bei einem Hausabriss in Arbach gefundener Brief, den Mathias Eis zwanzig Jahre nach der Ankunft in den USA an die Verwandten in der Eifel schrieb. Dazu kommt, dass Friedrich (später: Frederick) Eis, das 1843 geborene jüngste Kind der Familie, in der neuen Heimat bis zur hohen Würde eines Bischofs gelangte und damit aus der Menge vieler unbekannter Auswanderer hervortrat.

Wie die meisten Eifler, so zog es auch die Arbacher in den nördlichen Teil  der USA. Nach den Angaben des Heimatforschers Erich Mertes ließ sich die Familie von Wilhelm Eis schließlich als Farmer im Gebiet Stearns County in Minnesota nieder. Das Dorf St. Martin wurde zu einem Zentrum der Eifler; die Eis-Familie selbst siedelte im Weiler Spring Hill.  „In der Gegend geht es deutsch und eiflerisch zu“, konnte Dr. Scheben noch Jahrzehnte später vermelden. Scheben zitierte Bischof Geyer, der 1926 äußerte, Stearns County sei das Schönste und Erbaulichste, was er an „katholischem Deutschamerikanertum“ gesehen habe:  „wahre Musterpfarreien und Musterstätten der Religion“. In diesem tiefkatholischen Umfeld strebte Friedrich Eis das Priesteramt an. Seine schulischen Grundkenntnisse hatte er noch in Arbach erworben, in Spring Hill ließen die Eltern ihn vom Missionar Fox in Latein und Französisch unterrichten und später in Kanada im Priesterseminar ausbilden. Mehrere Jahre, nachdem die Familie den amerikanischen Bürgerkrieg heil überstanden hatte, wurde Friedrich Eis 1870 zum Priester geweiht. Geistlicher Beistand war den Eifler Pionieren, die sich als Farmer in der Prärie niederließen, hoch willkommen.

Sie mussten sich nicht nur mit den Indianern auseinandersetzen, sondern sich auch gegen die Konkurrenz polnischer und russischer Einwanderer behaupten. Die meisten Opfer forderte das harte Klima mit vielen Trockenjahren und strengen Wintern. Neben Stearns County siedelten etliche Arbacher auch in Hoven (Süd-Dakota), wohingegen ihr Landsmann, Pfarrer Eis, überwiegend in Michigan amtierte. In diesem dynamischen Bundesstaat erwarb sich der Eifler Priester einen ausgezeichneten Ruf und man übertrug ihm bedeutende Pfarreien. Neben seiner  Frömmigkeit wird seine Belesenheit besonders hervorgehoben.  1899 krönte Papst Leo XIII. die priesterliche Laufbahn des Eiflers mit der Ernennung zum Bischof von Marquette. Er war nun einer der führenden Katholiken des Mittelwestens. 23 Jahre lang führte Eis seine Diözese, ehe er 1922 mit 79 Jahren in den Ruhestand trat. Trotz der weiten Entfernungen ließ Friedrich Eis die Verbindung zur neuen Heimat der Eis-Familie in Spring Hill nie abreißen; 1903 zelebrierte er in der dortigen neuen Dorfkirche die erste Messe. In seine Amtszeit fiel der Erste Weltkrieg, der für die Deutschamerikaner in den USA mit Entrechtungen und schweren Schikanen verbunden war. Trotzdem blieben viele Eifelamerikaner der alten Heimat weiter verbunden. Dies galt bis zuletzt auch für Bischof Friedrich Eis, der im Alter von 83 Jahren 1926 in Marquette verstarb. 

Verfasser: Gregor Brand

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