Emil Zenz

Als ich mich 1993 erstmalig mit Dr. Emil Zenz telefonisch in Verbindung setzte, wusste ich so wenig wie er, dass ihm kein weiteres Lebensjahr mehr vergönnt war. Der Anruf erforderte einigen Mut meinerseits, denn mir war sehr wohl bekannt, dass der frühere Bürgermeister Dr. Zenz eine prominente Trierer Persönlichkeit ersten Ranges war, von der meine Professoren an der Uni Trier stets in Tönen höchsten Respekts gesprochen hatten. Ich hoffte, dass unsere entfernte Verwandtschaft – ich stamme sowohl väter- als auch mütterlicherseits von der gleichen Minderlittger Zens-Familie ab – ihn vielleicht geneigt machen würde, sich mit mir auszutauschen. Schnell stellte sich heraus, dass meine Bedenken unbegründet waren: Emil Zenz erwies sich als unkomplizierter, freundlicher und interessierter Gesprächspartner, der mir bereitwillig Auskunft über seine Eifler Herkunft gab.

Die Familie Zenz war erst mit Emils Vater nach Trier gekommen. Der mit Helena Schweisel verheiratete Großvater Josef Zenz (1821–1896) hatte noch als Winzer, Schmied und Kirchenschöffe in Monzel gelebt. In jüngeren Jahren war er preußischer Gardesoldat in Berlin gewesen, später hatte er im Deutsch-Dänischen Krieg (1864) an der siegreichen Erstürmung der Düppeler Schanzen teilgenommen, dabei allerdings eine dauerhafte Halsverletzung davongetragen. Nach Monzel war dieser Zenz-Zweig erst mit dem in Dorf bei Wittlich geborenen Vater Jakob des genannten Josef Zenz gekommen. Eigentlicher Heimatort dieser Zenz-Familie war Minderlittgen, wo ihr Stammvater Matthias Zens (ca. 1660–1715) Schultheiß gewesen war und die Familie viele Generationen lang gelebt hatte.

Der 1912 in Trier geborene Emil Zenz war an historisch-politischen Themen von früh auf extrem interessiert. Nach dem Abitur studierte er Geschichte, Germanistik, Anglistik und Philosophie mit dem Ziel, Gymnasiallehrer zu werden. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg promovierte er mit einer Arbeit über die Beziehungen des Trierer Landes zu Frankreich zum Dr. phil., wurde dann eingezogen, durfte allerdings während eines Urlaubs 1940 sein Assessorexamen machen. Seine Tätigkeit als Lehrer begann er 1946 nach Krieg und Kriegsgefangenschaft als Studienrat, doch schon 1951 wurde Dr. Zenz Oberstudiendirektor am Hindenburg-Gymnasium, danach leitete er das Max-Planck-Gymnasium. 1957 wechselte Zenz, konservativer Katholik und CDU-Mitglied, hauptberuflich in die Politik. Bis 1977 gestaltete er als Bürgermeister und Dezernent die Geschicke seiner Heimatstadt entscheidend mit, was auch daran lag, dass seine Aktivitäten weit über die politischen Ämter hinausgingen. Sein Hauptwirkungsfeld war die Kulturpolitik und es gibt wohl kaum eine wichtige kulturpolitische Entwicklung in Trier in jenen Jahrzehnten, bei der Zenz nicht eine maßgebliche Rolle gespielt hätte. Besonders hervorzuheben ist sein Einsatz für die Neugründung der Trierer Universität und den Neubau des Trierer Theaters, die Schaffung des Moselfestes und die Organisation bedeutender Trierer Feierlichkeiten – man kann in diesem Rahmen bei der Aufzählung aller Ämter vor der Vielfalt seiner Aktivitäten nur kapitulieren. Angesichts solcher Dynamik des Multifunktionärs und Familienvaters Zenz ist es kaum zu glauben, wie intensiv er „nebenbei“ als Autor tätig war. Seine über 40 selbständigen Veröffentlichungen gehen den unterschiedlichsten Aspekten trierischer Geschichte ebenso kenntnisreich nach wie seine über 100 wissenschaftlichen Aufsätze und über 50 Buchbesprechungen. In den fünfziger Jahren war Zenz zudem häufiger Leitartikler der Trierischen Landeszeitung und des Trierischen Volksfreundes. 

Der eifelstämmige Emil Zenz, 1963 in der Wahl zum Trierer Oberbürgermeister nur knapp unterlegen, gehörte zu den großen rheinland-pfälzischen Persönlichkeiten seiner Zeit. Die intellektuelle Neugier dieses Ehrensenators der Universität Trier und Ehrenmitglieds der Großherzoglich-Luxemburgischen Akademie blieb bis zuletzt erhalten. Als er von mir erstmalig erfuhr, dass er über seine Abstammung von der Servatius-Familie in Hetzhof mit dem Rechts- und Staatsdenker Carl Schmitt verwandt war, faszinierte ihn diese Verbindung, auch wenn er Schmitts Ideen widersprach. Obwohl nach zwei schweren Operationen geschwächt, übermittelte er mir noch Anfang 1994 genealogische Informationen und hoffte auf weiteren Austausch. Als er einen Monat später starb, war Trier um eine Persönlichkeit von seltenen Fähigkeiten ärmer. 

Verfasser: Gregor Brand
 

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