Emil Fischer

Der erste deutsche Nobelpreisträger für Chemie war ein Eifler: Emil Fischer. 1852 in dem heute zu Euskirchen gehörenden Flamersheim geboren, zählt er zu den bedeutendsten Chemikern aller Zeiten. Als Fischer 1902 den Nobelpreis erhielt, würdigte die Jury einen Ausnahmeforscher, der zu einem Giganten der organischen Chemie wurde und die Grundlagen zur Biochemie des 20. Jahrhunderts legte – ein Lebenswerk von kaum zu überschätzender wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Tragweite.

Emil Fischer war mit der Eifel auf vielfältige Weise verbunden. Oft begleitete er seinen Vater Laurenz bei dessen Einkäufen von Rohmaterialien – vor allem Wolle – in die Eifeldörfer, und als Kind liebte er Spiel und Jagd in den Eifelwäldern. Fischers Verwurzelung in der Eifel reichte tief: Die väterlichen Vorfahren waren seit Jahrhunderten in Flamersheim ansässig. In dieser Euskirchener Heimatregion erwirtschaftete Emils lebensfroher Vater als kluger Kaufmann und Industrieller ein beträchtliches Einkommen. Emils Mutter Julie Poensgen – im Gegensatz zu ihrem atheistischen Gatten eine fromme Protestantin – entstammte der Eifler Industriellenfamilie Poensgen, die wesentlichen Anteil am Aufbau der deutschen Eisen- und Stahlindustrie hatte; der Vater des Stahlführers Ernst Poensgen (1871–1949) war ein Vetter Emil Fischers. Zahlreiche weitere namhafte Persönlichkeiten dokumentieren die außergewöhnliche Begabungsdichte in Emil Fischers Nordeifler Verwandtschaft. Dabei war man sich in der Fischer-Familie durchaus bewusst, dass es Begabungen ganz unterschiedlicher Art gibt. Während Laurenz Fischer nach schlechten Leistungen mit 14 von der Schule abgegangen war, sich aber später als erfolgreicher Geschäftsmann erwies, war sein Sohn Emil ein exzellenter Schüler und machte bereits mit 16 Jahren Abitur. Für die anschließende Kaufmannsausbildung aber erwies sich Emil als wenig geeignet und musste sich von seinem humorvollen Vater sagen lassen: „Der Junge ist zum Kaufmann zu dumm, er soll studieren.“ Als Emil 1871 in Bonn ein Chemiestudium begann, ging das nicht zuletzt auf den Einfluss des Vaters zurück, der die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Faches, in dem Deutschland führend war, früh erkannte. Es zeigte sich bald, dass Chemie für Emil Fischer genau das Richtige war. An der Universität Straßburg wurde er zum besten Studenten des illustren Chemikers Adolf von Baeyer, der ihn 1875 als Assistenten mit nach München nahm. 1879 wurde Fischer Professor in München, nach Zwischenstationen wechselte er 1892 an die Universität Berlin, wo er fortan blieb. An allen Wirkungsstätten trat Fischer mit eindrucksvollen Entdeckungen hervor. Seine Forschungen zu Struktur und System wichtigster organischer Substanzen wie etwa Purine und Kohlenhydrate waren bahnbrechend. Fischer entschlüsselte nicht nur den Aufbau dieser Stoffe, sondern er war auch als Erster in der Lage, viele davon synthetisch zu erzeugen. 1890 gelang dem Eifler die Synthese von Kohlenhydraten wie Glukose und Fruktose, später synthetisierte er unter anderem Harnstoff und Aminosäuren. Obwohl er an der kommerziellen Verwertung seiner zahlreichen Entdeckungen weit weniger Interesse hatte als an deren wissenschaftlichen Aspekten, machten ihn seine Forschungen zu einem vermögenden Mann. Rückblickend bedauerte Fischer, dass seine geliebten Eltern nicht mehr erleben konnten, dass er – der für so unpraktisch gehaltene Sohn – finanziell sogar erfolgreicher geworden war als der geschäftstüchtige Vater.
So schön Fischers Eifler Kindheit war und so glanzvoll seine wissenschaftliche Karriere, so verdüstert waren seine letzten Lebensjahre. In der mit einer Tochter des Anatomen Joseph von Gerlach geschlossenen Ehe war er Vater dreier Söhne geworden. Der Sohn Hermann Otto Fischer (1888–1960) wurde später Professor für Biochemie in den USA, wohin er mit seiner jüdischen Frau emigriert war. Die beiden anderen Söhne starben im Ersten Weltkrieg, einer davon durch Selbstmord. Tief deprimiert und zudem krebskrank beging der 66-jährige Emil Fischer 1919 Suizid. Die Erinnerung an ihn wird nicht nur durch zahlreiche wissenschaftliche und sonstige Benennungen wachgehalten, sondern auch durch die Emil-Fischer-Medaille, die höchste deutsche Auszeichnung in der Organischen Chemie. Auch ohne diese Ehrungen ist der Name dieses genialen Eiflers aus der Geschichte der modernen Chemie und Biologie nicht mehr wegzudenken.  

Verfasser: Gregor Brand
 

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