Daniel Hünten

Kurfürstlicher Hofmusiker aus Karden

ehrenbreitstein_40_14Das früher selbständige linksmoselanische Dorf Karden ist Ausgangspunkt einer Familie, die seit dem 18. Jahrhundert staunenswert viele Musiker und Maler hervorbrachte. Am Anfang dieser bemerkenswerten Kreativitätslinie steht der 1763 in Karden geborene Organist, Musiklehrer und Komponist Daniel Hünten. Geographisch passend stammten Hüntens Vorfahren teils aus der Eifel, teils aus dem Hunsrück. Seine Mutter Margarethe Ody war eine Kastellaunerin, wohingegen die Linie seines Vaters Johann Jakob Hünten über die Zwischenstation Münstermaifeld in die Nordeifel führte. Die Ehe Hünten-Ody war im Marienwallfahrtsort Bornhofen geschlossen worden – ein Indiz für die katholische Frömmigkeit, in deren Geist der spätere Musiker erzogen wurde. Eine wichtige Rolle in der ansonsten im Dunkeln liegenden Jugendzeit Daniel Hüntens muss die Musik gespielt haben, denn 1784 bewarb sich der junge Kardener mit Erfolg bei der kurfürstlichen Hofkapelle in Ehrenbreitstein.

Dies setzte außergewöhnliche musikalische Fähigkeiten voraus, denn dieses kurtrierische Hoforchester war zur damaligen Zeit eines der renommiertesten Ensembles überhaupt. Nach dem Herrschaftsantritt von Kurfürst und Erzbischof Clemens Wenzeslaus hatte der musikbegeisterte Kirchenfürst – selbst ein vielseitiger Musiker – das Hoforchester stetig erweitert und zu einem der größten in Europa gemacht; ab 1787 wurde es von dem italienischen Komponisten Pietro Pompeo Sales (1729-1797) als Kapellmeister geleitet. Zu Hüntens Zeit umfasste es über 60 hochqualifizierte Musiker, die ein höchst anspruchsvolles Repertoire spielen konnten.

Nach mehrjähriger Probezeit wurde Hünten 1788 offiziell als Hoforganist eingestellt. Dieses Amt behielt er bis zum Untergang des Kurfürstentums und der Auflösung des Hofstaates im folgenden Jahrzehnt. Zu seiner Tätigkeit als Hoforganist trat der Unterricht im Klavier- und Orgelspiel hinzu. Hüntens kompositorisches Werk umfasste hauptsächlich Orgelsonaten, Messen und Kirchenlieder. 1794 flohen Kurfürst Clemens und viele Mitglieder des Hoforchesters vor dem Vordringen der französischen Revolutionstruppen aus Koblenz. Hünten blieb. Wohl aus familiären Gründen: 1786 hatte er die Koblenzerin Anna Gertrud Weller geheiratet und eine schnell anwachsende Familie gegründet.

Zudem sympathisierte Hünten mit den Idealen der Revolution. 1797 gehörte er – wie sein später berühmt gewordener moselländischer Landsmann Joseph Görres – zu den Anhängern der sehr kurzlebigen cisrhenanischen Republik, die für einen linksrheinischen deutschen Staat nach französisch-revolutionärem Vorbild eintraten. Aus diesem Vorhaben wurde nichts, Koblenz blieb noch einige Jahre unter französischer Herrschaft. Daniel Hüntens Ruf als exzellenter Musiker hatte nach der Auflösung der Hofkapelle keineswegs abgenommen.

Er wurde, obwohl Katholik, Organist an der ersten protestantischen Koblenzer Kirche und 1808 an der so genannten Normalschule in Koblenz Musikprofessor. Trotz seiner eigenen unbestrittenen musikalischen Meisterschaft wird Hünten heute meist vor allem als Lehrer bekannterer Schüler genannt. Der prominenteste unter ihnen ist Henri Herz (1803-1888), der als Komponist, Pianist und Klavierbauer zu den berühmtesten Persönlichkeiten des europäischen Musiklebens im 19. Jahrhundert zählte; Herz, Spross einer jüdischen Familie, war in seiner Koblenzer Jugendzeit von Hünten unterrichtet worden.

Seine musikpädagogischen Fähigkeiten konnte Daniel Hünten auch in der eigenen Familie unter Beweis stellen. Drei seiner Söhne wurden Musiker: Wilhelm (geb. 1791), Franz (geb. 1793) und Peter Ernst (geb. 1799). Der bekannteste davon war der seinerzeit sehr populäre Komponist und Musiklehrer Franz Hünten, mit dem der Vater allerdings zunächst seine liebe Not hatte. Nicht etwa deshalb, weil Franz sich als musikalisch unbegabt oder unwillig erwiesen hätte. Ganz im Gegenteil: Die kaum zu bändige Musikbegeisterung seines Sohnes missfiel dem Vater anfangs.

Wie einst Händels Vater, so hätte es Ex-Hofmusikus Hünten vorgezogen, wenn sein Sohn die Musik nur als Liebhaberei betrieben und einen sicheren Brotberuf erlernt hätte. Erst als Franz sich etliche Francs durch Musikunterricht verdiente, gab Vater Daniel seine Vorbehalte auf und bat einige Jahre später sogar seinen inzwischen in Paris lebenden Ex-Schüler Henri Herz, er möge sich für Franzens Aufnahme ins Konservatorium einsetzen. Daniel Hünten starb 1823 in Koblenz. Den internationalen Erfolg seines Sohnes Franz erlebte er ebenso wenig wie den Künstlerruhm seines Enkels Emil Hünten (1827-1902), der als einer der bedeutendsten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts gilt. Als Maler und Fotograf setzte dessen Sohn Max Hünten (1869-1936) die einst von Daniel Hünten begründete künstlerische Familientradition fort, deren Umfang hier nur angedeutet werden kann. So waren unter anderem auch die rheinischen Maler Daniel Dienz (1813-1888) und dessen Großneffe Herm Dienz (1891-1980) Nachfahren des Meistermusikers aus Karden.

Verfasser: Gregor Brand

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