Carl Schurz

Obwohl sich unter den Millionen deutscher USA-Einwanderer viele hoch befähigte Persönlichkeiten befanden, gilt Carl Schurz seit langem als bedeutendster Deutschamerikaner und als „Symbolfigur des Deutschamerikanertums schlechthin“ (Henry Marx). Was viele nicht wissen: Die Wiege dieses berühmten Mannes stand in der Eifel.

Carl Schurz wurde 1829 auf dem Wasserschloss Gracht bei Liblar (heute Teil Erftstadts) als Sohn des Dorfschulmeisters Christian Schurz und dessen Ehefrau Marianne geboren. Dort bewirtschafte sein Großvater Heribert Jüssen als Pächter das adlige Gut. Carl Schurz, dessen Vorfahren Bauern aus den Dörfern westlich von Bonn waren, schwärmte noch im Alter von der gewaltigen Leibesstärke dieses Großvaters. Trotz großer finanzieller Probleme schickte Christian Schurz seinen Sohn aufs Gymnasium in Köln, wo Carl 1846 Abitur machte, um danach in Bonn Geschichte und Philologie zu studieren. Hier lernte er den Publizisten und Professor Gottfried Kinkel kennen, an dessen Seite Schurz aktiv an der Revolution von 1848/49 teilnahm. Nach der Niederlage der Revolutionäre wurde Kinkel verhaftet, Schurz konnte sich waghalsig retten. 1850 gelang dem von Preußen gesuchten rothaarigen Eifler die Aufsehen erregende Befreiung Kinkels aus Spandauer Festungshaft, was den preußischen Fahndungseifer noch stärker entfachte. „Wenn Bismarck 1848 oder 1849 mit Schurz hätte tun können, was er wollte, er hätte ihn aufhängen lassen“, meinte US-Botschafter A. D. White später, als aus Bismarck längst ein Bewunderer von Schurz geworden war. Wie viele Achtundvierziger entzog sich Schurz weiteren Nachstellungen durch Auswanderung in die USA, begleitet von seiner Frau Margarethe, der späteren Mutter seiner fünf Kinder. Der Neuamerikaner Schurz schloss sich der jungen republikanischen Partei des Sklavereigegners Abraham Lincoln an. Für Schurz war die Sklavenfrage nicht nur ein juristisch-politisches Problem, sondern er hielt die Sklaverei von einem philosophischen Standpunkt aus für unakzeptabel. Die Reden von Schurz gegen die Sklaverei gelten bis heute als rhetorische Meisterwerke. Sie trugen maßgeblich dazu bei, dass Lincoln 1860 mithilfe der Deutschamerikaner zum Präsidenten gewählt wurde. Die meisterhafte Beherrschung des Englischen durch Schurz ist bemerkenswert, weil er bei seiner Immigration noch völliger Anfänger in dieser Sprache war.

Lincoln entsandte Schurz 1860 auf den wichtigen Botschafterposten in Spanien. 1862 war Schurz wieder in Amerika, um im Bürgerkrieg für die Nordstaaten zu kämpfen. Nach kurzer militärischer Vorbereitung wurde er zum Brigadegeneral ernannt, dann zum Generalmajor. Schurz befehligte eine Division und nahm mit seiner Truppe, die etwa zur Hälfte aus Deutschen bestand, an verlustreichen Kämpfen teil. Als Schurz und seine Soldaten sich zurückziehen mussten, wurden sie Opfer antideutscher Vorurteile. Einige Zeitungen machten ihn als Feigling verächtlich. Obwohl führende Militärs ebenso wie Historiker das militärische Vorgehen von Schurz für richtig erklärten, litt er lange unter den ehrverletzenden Vorwürfen. Politisch schadeten ihm die Schmähartikel allerdings nicht, zumal die Deutschamerikaner weiter hinter ihm standen. 1869 wurde der Eifler in Missouri für fünf Jahre zum Bundessenator gewählt. Das hatte vor ihm noch kein im Ausland geborener US-Politiker geschafft. Höhepunkt seiner Laufbahn war die 1876 erfolgte Berufung als Innenminister ins Kabinett von Präsident R. B. Hayes – auch dies eine Position, die vor ihm noch kein Deutschamerikaner erreicht hatte. Schurz war unter anderem für die Politik gegenüber den Indianern zuständig, die er ebenso wie die Schwarzen zu gleichberechtigten Bürgern machen wollte. Der liberale Katholik Schurz war, ungewöhnlich für seine Zeit, frei von rassistischen Vorurteilen, die für ihn zu den „lächerlichsten aller geistigen Erkrankungen“ gehörten. Im Alter zog sich Schurz aus der Parteipolitik zurück. In Reden und Artikeln warb er nun für eine Politik des Friedens und wetterte gegen den vorherrschenden Imperialismus. Sein publizistischer Einfluss blieb außerordentlich. Seit Ende des Bürgerkriegs hatte sich Schurz als Herausgeber oder Chefredakteur wichtiger Zeitungen einen Namen gemacht.

Die zeitenüberdauernde Bedeutung des 1906 verstorbenen Carl Schurz liegt nach Ansicht seines Biographen Hans Trefousse in seiner Vorbildfunktion. Schurz habe gezeigt, wie man höchsten Einsatz für die neue mit dem ungeschmälerten Bekenntnis zur alten Heimat verbinden könne.

Verfasser: Gregor Brand

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