Augustin Messerich

„Dein dicker Freund Messerich“ – so schrieb 1864 der Wasserbauaufseher Conradi an seinen Schwager, den berühmten Trierer Theoretiker und Revolutionär Karl Marx. Obwohl Marx zu dieser Zeit schon lange in London lebte, hatte er noch Verbindungen in die alte Heimat. Zu diesen Kontakten zählte auch der Anwalt Augustin Messerich, den Marx ein Jahr zuvor in Trier wiedergesehen hatte. Obwohl Messerich damals durch seine behäbige Leibesfülle einen ausgesprochen gutbürgerlichen Eindruck machte, so hatte er doch einen revolutionären Werdegang hinter sich.

Begonnen hatte das Leben dieses engagierten Mannes 1806 in Bitburg, wo er als eins von sieben Kindern des Schlossers Friedrich Messerich und dessen Ehefrau Anna Baur zur Welt kam. Die väterliche Familie, deren Familienname die Verwurzelung im Bitburger Land dokumentiert,  war aus Rittersdorf zugezogen. Friedrich Messerich war ein recht wohlhabender Handwerker, dessen Kinder sich angesehene Positionen in der Gesellschaft erwarben. In späteren Jahren betrieb Friedrich Messerich eine Gastwirtschaft in Meilbrück bei Bitburg. Nach dem Abitur 1825 in Trier studierte Augustin in der inzwischen preußisch gewordenen Moselstadt Theologie.

Für 1829 war eigentlich seine Priesterweihe vorgesehen, aber dazu kam es nicht. Anscheinend verlor der gesellige Bitburger das Interesse am Priesterberuf, bei dem ihm sogar ein Wirtshausbesuch als „unanständig“ verboten gewesen wäre. Messerich vernachlässigte die Vorlesungen, und als er zweimonatigen Hausarrest aufgebrummt bekam, war für ihn das Maß voll. Er verließ das Priesterseminar und begann als 23-Jähriger ein Jurastudium in Bonn. Dort zählte er bald zu den führenden Burschenschaftlern, deren Treiben vom Staat mit Misstrauen beobachtet wurde.

Im Winter 1832/33 wechselte der Eifler zur Universität Heidelberg, wo die Burschenschaftler als besonders aufrührerisch galten und wo sich Messerich weiter radikalisierte. Er nahm 1832 am berühmten Hambacher Fest teil und wurde einer der engsten Vertrauten des radikaldemokratischen Studentenführers Brüggemann, der in Preußen 1836 zum Tod durch Rädern verurteilt, dann aber begnadigt wurde. Das Studium vernachlässigte er, gab es sogar bald wieder auf und hielt sich in Trier und Meilbrück auf. Wieweit er sich an den Umsturzplänen der radikalen Burschenschaftler beteiligt hat, ist nicht sicher. Messerich wurde jedenfalls im Mai 1834 in Trier verhaftet und nach Berlin verbracht. Zehn Monate Einzelhaft und zahlreiche Verhöre folgten. Im März 1835 wurde der Bitburger ohne Prozess in die berüchtigte Festung Magdeburg verlegt, wo er als Mithäftling den Dichter Fritz Reuter hatte. Von Reuter gibt es eine Farbstiftzeichnung des 1,72 m großen Messerich, die diesen mit „üppigen rotblonden Haar“ zeigt, wie der Messerich-Biograph Karl Leopold Kaufmann bemerkte. Erst 1836 erfolgte die Verurteilung des politischen Gefangenen zu 13 Jahren Festungshaft, von denen er aber „nur“ vier absitzen musste. Endlich zurück in der Freiheit, schloss Messerich in Düsseldorf seine juristische Ausbildung ab und wurde 1845 zum Advokaten ernannt; „Advokat“ war damals eine gering bezahlte Vorstufe des Anwalts. Auf die Ernennung zum Anwalt musste Messerich lange warten; sie erfolgte erst 1859. Diese Wartezeit hatte politische Gründe. In der Revolutionszeit 1848/49 war der Bitburger wieder politisch aktiv geworden. Als 1848 eine preußische Nationalversammlung in Berlin zusammentrat, wählte ihn der Wahlkreis Bitburg neben Pfarrer Alff als seinen Vertreter. Messerich schloss sich der äußersten Linken an, die Preußen zum demokratischsten Staat in Europa machen wollte. Der König ließ diese Nationalversammlung bald auflösen, danach durfte ein Landtag gewählt werden. Messerichs Eifler Landsleute wählten ihn erneut, doch nach wenigen Monaten wurde auch dieser Landtag nach Hause geschickt.

Nach diesem Scheitern fand sich Messerich – zumindest äußerlich – mit der Lage ab. In den folgenden Jahrzehnten wurde der „dicke Messerich“ in Trier zu einem populären Juristen, über den sich manche Anekdoten bildeten. Dazu zählt auch die erfundene Geschichte, dass Name und Titelfigur der Satire-Zeitschrift „Kladderadatsch“ auf ihn zurückgingen. Messerich, zeitlebens Junggeselle, starb nach langem Leiden im Januar 1876. Drei Wochen vor seinem Tod hatte der preußische Staat mit der Verleihung des Ehrentitels „Justizrat“ endgültig seinen Frieden mit dem alten Eifler Revolutionär gemacht. 

Verfasser: Gregor Brand

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