Anton Joseph Dräger

Dass die Eifel trotz der weltabgeschieden anmutenden Lage vieler ihrer Dörfer in stiller Waldeinsamkeit auch früher keine abgelegene und isolierte Region war, zeigt nicht zuletzt der genaue Blick auf die Familiengeschichte vieler Eifler. Auch die Herkunft des 1794 in Münstermaifeld geborenen und traurig früh verstorbenen Malers Anton Joseph Dräger ist dafür ein überzeugendes Beispiel. Sein Vater Martin Dräger war Schöffe in Münstermaifeld und Verwalter des dortigen Heilig-Geist-Spitals, kam aber aus einer Trierer Familie, die auf den im Dreißigjährigen Krieg aus Lothringen zugewanderten Krämer Simon Dräger zurückging. Anton Drägers Mutter Anna Katharina Vacano wiederum entstammte einer jener zahlreichen aus Oberitalien ins Rheinland eingewanderten Familien, deren Abkömmlinge es teilweise – wie etwa bei den Brentanos – zu Weltruhm brachten. Die Vacano, ursprünglich beheimatet in Lenno am Comer See, waren eine begüterte Postmeisterdynastie; nahe Verwandte von Drägers Mutter wurden sogar geadelt.

Anton Joseph Dräger verbrachte nur die ersten vier Lebensjahre in Münstermaifeld, aber auch nach dem 1798 erfolgten Umzug der Familie nach Trier, wo Vater Dräger die Verwaltung der Strafanstalt übernahm, blieb er zunächst auf Eifler Erde: Seine Eltern vertrauten seine Erziehung für einige Jahre einem Bruder der Mutter, dem Pfarrer Anton F. X. Vacano in Ehrang, an. Schon in Ehrang malte und zeichnete der kleine Anton nahezu unaufhörlich – sogar die Grabsteine auf dem Friedhof sparte er bei seinen Versuchen mit Kohle und Kreide nicht aus. Als Schüler auf dem Trierer Gymnasium glänzte er mit hervorragenden Leistungen in Kunst und Musik, aber auch in zahlreichen anderen Fächern; später war Dräger außer in Latein und Griechisch auch in Französisch, Italienisch, Spanisch und Englisch bewandert. Die Jahre nach der Schulzeit fielen in die Endphase der napoleonischen Herrschaft. Sowohl französisches als auch deutsches Militär versuchte, Dräger als Soldaten zu verpflichten. Mit väterlicher Hilfe gelang es diesem, sich zuerst der Einberufung durch die Franzosen zu entziehen und dann bei der Armee der deutschen Bundestruppen nur als Magazin-Assistent eingesetzt zu werden. Nach Entlassung aus dem Militärdienst suchte sich Dräger, obwohl sein Herz wie eh und je nur an der Kunst hing, einen Broterwerb und fand ihn 1814 als Sekretär des preußischen Gouverneurs Justus Gruner (1777–1820) in Koblenz. Hier fiel Drägers besondere Malbegabung einer Schwester des gefeierten Malers Gerhard von Kügelgen auf, die ihn erfolgreich ihrem Bruder empfahl. 1817 nahm von Kügelgen ihn an der Kunstakademie in Dresden auf und wurde zu Drägers wichtigstem Lehrer. Als der „unglückliche Kügelchen“ (G. K. Nagler) 1820 einem brutalen Mord zum Opfer fiel, erschütterte dies Dräger bis ins Mark.

Ein Jahr später begab sich der Meisterschüler wie damals so viele deutsche Künstler auf Italienreise. In dem vor Kunstwerken überströmenden Mittelmeerland hoffte auch Dräger, die Kunst der verehrten alten Meister am besten studieren zu können. Unentwegt skizzierend und malend, folgte er bewusst sowohl Goethes Spuren, dessen Farbenlehre ihn sichtlich beeindruckte, als auch denen der als „Nazarener“ bekannten Maler, deren Kunstauffassung er sich gleichfalls stark verbunden fühlte. In das Jahr 1823 fällt Drägers bekanntestes Bild: ein aufgrund seiner Farbkraft und Komposition bewundertes Gemälde der heiligen Cäcilia. Der Trierer Gelehrte Ph. Laven, der bereits kurz nach Drägers Tod eine Lebensbeschreibung seines Landsmannes veröffentlichte, sah in dem Portrait der als Patronin der Kirchenmusik geltenden Römerin Cäcilia auch eine Reverenz Drägers an sein Vorbild von Kügelgen, der einst ebenfalls seinen Rom-Aufenthalt mit einem Cäcilia-Bild begonnen hatte.

Obwohl Dräger sein Ziel in der Annäherung an die geniale Kunst der Altmeister sah, gelten seine römischen Gemälde wegen ihrer eigentümlichen Farbigkeit als innovative Form damaligen Malens. Man kann nur vermuten, was dieser hochbegabte Künstler, dessen Werke im kunstverwöhnten Italien hohe Preise erzielten, an Meisterwerken und kunsttheoretischen Konzepten noch vorgelegt hätte, wenn er nicht plötzlich einem tödlichen Fieber erlegen wäre. Er selbst hatte auch als Enddreißiger noch das Gefühl, erst am Anfang seiner Kunst zu stehen. Anton Joseph Dräger starb in Rom am gleichen Julitag 1833, als sein Vater, dem Ehefrau und fast alle Kinder im Tod vorausgegangen waren, in der fernen Heimat einsam seinen 83. Geburtstag beging. 

Verfasser: Gregor Brand

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