Albert Kardinal Meyer

Meyer aus Duppach? Hatten wir das nicht schon einmal bei den Kindern der Eifel aus anderer Zeit? Stimmt: Vor einiger Zeit wurde in dieser Serie der Duppacher Missionar Josef (Ordensname: Wendelin) Meyer (1857–1927) vorgestellt, der als Autor unter dem Namen „Jodokus“ bekannt wurde. Kaum jemandem  ist allerdings bekannt, dass diese aus dem Raum Duppach-Kalenborn stammende Familie Meyer einen weiteren Geistlichen hervorgebracht hat, der zu den wichtigsten amerikanischen Kirchenfürsten des 20. Jahrhunderts gezählt wird: Albert Kardinal Meyer, Erzbischof von Chicago.

Der spätere Kardinal wurde 1903 als Sohn der Eheleute Peter James Meyer und Mathilda Thelen in Milwaukee geboren, also in jener Stadt im US-Bundesstaat Wisconsin, die zum Anziehungspunkt vieler Eifler Auswanderer geworden war. Peter Meyer, ein Vetter des oben erwähnten Wendelin Meyer, hatte es in dieser Stadt als Ladenbesitzer und Vorarbeiter bei der Chain Belt Company zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Sein Sohn Albert, der noch zwei Brüder und drei Schwestern hatte, studierte in Rom Philosophie und Theologie. Nach der Priesterweihe 1926 und einem kurzen Aufenthalt in seiner amerikanischen Heimat spezialisierte er sich von 1927-1930 am Päpstlichen Bibelinstitut in der Ewigen Stadt auf Bibelexegese. Später galt der promovierte Bibelwissenschaftler als einer der besten Bibelgelehrten unter den katholischen Bischöfen. Wieder zurück in den USA lehrte Meyer als Professor am Priesterseminar in Milwaukee Religion, Griechisch, Latein und Biblische Archäologie; von 1937 bis 1946 leitete er das Seminar als Rektor. Schon zu dieser Zeit fiel der eifelstämmige US-Priester durch seine intellektuellen Fähigkeiten auf, die neben seiner ruhigen und bescheidenen Art oft hervorgehoben werden. Obwohl sich der eher schüchterne Theologe nach höheren Ämtern nicht drängte, machte Albert Meyer eine erstaunliche Karriere in der amerikanischen Kirche. 1946 wurde er Bischof von Superior (Wisconsin), 1953 Erzbischof seiner Heimatstadt Milwaukee, vier Jahre später Erzbischof der Weltstadt Chicago und damit oberster Geistlicher des größten Erzbistums der USA. Äußerer Höhepunkt seiner priesterlichen Laufbahn war die Ernennung zum Kardinal im Jahr 1959. Seinen Ruf als einen der historisch bedeutsamsten US-Kardinäle des vergangenen Jahrhunderts verdankt Albert Meyer vor allem zwei Feldern seiner Aktivität. Das erste ist seine Rolle beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965). Hier wurde er zur führenden Stimme der US-Katholiken und zu einem der einflussreichsten Modernisierer. Der reformfreudige Kardinal Meyer unterstützte nachhaltig einige der wichtigsten Neuerungen, für die das Konzil berühmt wurde. Früher und deutlicher als die meisten anderen bekannte er sich sowohl zur Ökumene als auch zur Schuld der katholischen Kirche gegenüber den Juden. Er legte größten Wert auf eine stärkere Mitwirkung der Laien in der Kirche und betonte die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit und Bürgerrechten. Es war dabei unverkennbar, dass seine Stellungnahmen von den Erfahrungen in Chicago geprägt waren. Damit hing sicherlich auch sein bis heute in den USA gewürdigtes Eintreten für eine Verbesserung der Lage der Afroamerikaner zusammen. Meyer forderte schon früh eine konsequente Aufhebung der Rassentrennung und wies die Priester an, für eine möglichst vollständige Integration der “Negroes“ – wie man damals sagte – einzutreten. Rassismus bezeichnete er als „pathologische Infektion“. Für das Ziel des Rassenausgleichs trat er als Vorsitzender zahlreicher Konferenzen und Vereinigungen ein. Modernisierer war Meyer auch im innerkirchlichen Bereich. In der kirchlichen Verwaltung legte er großen Wert auf Einsatz neuer Technologien, Methoden und ständige Verbesserung der Effizienz.

Die hohe Wertschätzung, die sich der deutschstämmige Kardinal unter den Katholiken Chicagos erwarb, kam vor einigen Jahren auch darin zum Ausdruck, dass ein neues Verwaltungszentrum der Erzdiözese den Namen „Cardinal Meyer Center“ erhielt. An der University of St. Mary of the Lake, dem größten Priesterseminar der USA, erinnert die alljährliche Vorlesungsreihe der „Albert Cardinal Meyer Lecture Series“ an den großen Kirchenmann. Auf dem Campus dieser Universität befindet sich auch die letzte Ruhestätte des Kardinals, der 1965 mit 62 Jahren den Folgen einer Hirntumor-Operation erlag.

Verfasser: Gregor Brand

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