Adam Contzen

„Contzen hat unter den politischen Autoren des zeitgenössischen katholischen Deutschland zweifellos den ersten Platz eingenommen, er war mehr als jeder andere Schriftsteller für die politische Theorie verantwortlich, auf die sich die katholischen Reichsfürsten des 17. Jahrhunderts stützten.“ Diese Bewertung des US-Historikers Robert Bireley SJ entspricht der Einschätzung des Contzen-Forschers E.-A. Seils, der den lang anhaltenden europaweiten Einfluss der Staatsphilosophie des 1571 in Monschau geborenen jesuitischen Vordenkers untersucht hat.

Contzen entstammte einer angesehenen Monschauer Familie; ansonsten ist von seiner Herkunft und Jugend kaum etwas bekannt. 1588 nahm er seine Studien am renommierten Kölner Jesuitenkolleg, dem heutigen Dreikönigsgymnasium, auf und beendete sie drei Jahre später mit dem Abschluss als Magister. Es folgten Jahre als Jesuitennovize in Trier, Köln und Münster, bevor der vielversprechende Eifler zum Theologiestudium an die Jesuitenakademie nach Mainz wechselte. Contzen, ausgestattet mit einer grandiosen Sprachbegabung, spezialisierte sich auf Bibelexegese. Neben der Gelehrtensprache Latein, in der er alle seine Werke verfasste, beherrschte er Altgriechisch, Hebräisch, Syrisch und Chaldäisch, was ihn in die Lage versetzte, kenntnisreiche Kommentare zum Neuen Testament zu verfassen. Nach der Priesterweihe schickte der Jesuitenorden ihn zunächst an das ihm vertraute Jesuitenkolleg in Köln, wo er Philosophie und biblische Sprachen lehrte, bevor er als Dozent 1606 nach Würzburg wechselte. Äußerer Höhepunkt seiner Gelehrtenlaufbahn war die 1609 erfolgte Ernennung zum Theologie-Professor an der Universität Mainz. Im folgenden Jahrzehnt griff der Eifler Jesuit mit einer Vielzahl von streitbaren Schriften in die politisch-theologischen Geisteskämpfe seiner Zeit ein. Adam Contzen, der von 1613 bis 1620 jährlich mindestens ein Buch veröffentlichte, wurde schnell zu einem der bekanntesten katholischen Autoren jener brisanten Jahre vor dem Dreißigjährigen Krieg. Kaiser Maximilian wollte den scharfsinnigen Theologen 1617 für die Universität Wien gewinnen, aber Jesuitengeneral Vitelleschi, dem Contzen als Jesuit zum Gehorsam verpflichtet war, ließ ihn nicht ziehen. Contzen ging es in seinen frühen Schriften um die Verteidigung katholischer Positionen gegenüber den Protestanten und besonders gegen die von ihm als ideologisch-politische Hauptfeinde wahrgenommenen Calvinisten. Er beabsichtigte damit aber keine Verschärfung der Glaubensgegensätze, sondern sein Hauptanliegen war es, „den Weg zu einem dauerhaften und echten Frieden zu zeigen“ (R. Bireley). Für Contzen war Frieden mittel- und langfristig nur denkbar bei einer Rückkehr des Reiches zur katholischen Glaubenseinheit. Politisch kam es ihm darauf an, ein gemeinsames Vorgehen der unterschiedlichen evangelischen Richtungen gegen die Katholiken zu verhindern. Mit seinem 1620 veröffentlichten Hauptwerk „Politicorum Libri Decem“ trat Contzen endgültig in die erste Reihe der Staatsdenker seiner Zeit. Dieses 837 Seiten im riesigen Folio-Format umfassende gewaltige Werk, das man mit „Zehn Bücher über Politik“ übersetzen könnte, behandelt alle bedeutsamen Staatsfragen bis hin zu ökonomischen und militärtheoretischen Problemen. Dass Contzen die Herrscher aufforderte, sich stets moralisch korrekt zu verhalten, war keineswegs selbstverständlich. Der Eifler wandte sich damit energisch gegen von ihm so bezeichnete „Pseudopolitiker“, die den einflussreichen Theorien des italienischen Staatsphilosophen Machiavelli (1469–1527) folgten, der zur Erreichung politischer Ziele auch unlautere Mittel empfahl. Contzens Staatsphilosophie beeindruckte den bayerischen Herzog und Kurfürsten Maximilian I. (1573–1651), der ihn 1623 zu seinem Beichtvater machte. Damit wurde der Monschauer zum engsten Berater des nach dem Kaiser wichtigsten katholischen Herrschers im Reich, dessen Haltung den Dreißigjährigen Krieg maßgeblich mitgestaltete. Contzen zählte zur radikalen katholischen Richtung, die den Protestanten gegenüber freiwillig keinen Zentimeter nachgeben wollte. Da er zugleich leidenschaftlicher Anhänger der Reichsidee war, bekämpfte er entschieden die von Kardinal Richelieu bestimmte Kriegspolitik Frankreichs. Trotz der zahlreichen Konflikte fand Contzen noch Zeit für weitere Werke, darunter einen eigenartigen Staatsroman. Der geistige Reichtum dieser 1635 verstorbenen Persönlichkeit ist auch Jahrhunderte nach seinem Tod erst ansatzweise ergründet.

Verfasser: Gregor Brand

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