WEGE: VG Daun – vor allem gesund!

Im April letzten Jahres startete Werner Klöckner, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun, den Prozess WEGE – Wandel erfolgreich gestalten! Ziel des WEGE-Prozesses ist es, die Verbandsgemeinde Daun vor dem Hintergrund des demographischen Wandels zukunftsfähig aufzustellen. Die Vision für die Zukunft der Verbandsgemeinde Daun lautet: „In der Verbandsgemeinde Daun leben – in einer gesunden Welt zu Haus. Lebenswert-gesunder Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsstandort.“

In unserer Interviewserie spricht Werner Klöckner mit der Eifelzeitung über den WEGE-Prozess und die Entwicklungsstrategie der Verbandsgemeinde Daun.

EZ: Heute möchte wir mit Ihnen über das Handlungsfeld „VG Daun – vor allem gesund!“ sprechen. Was verbirgt sich dahinter?
Klöckner: Dieses Handlungsfeld hat einen hohen Bezug zur Vision für unsere Verbandsgemeinde. Von daher kommt ihm eine grundlegende Bedeutung zu. Es ist aber auch gleichermaßen komplex. Deshalb lässt sich Ihre Frage nicht so einfach und erst recht nicht kurz beantworten. Ausgangspunkt ist die Meinung von Zukunftsforschern, dass die Gesundheitswirtschaft die Wirtschaftslokomotive des 21. Jahrhunderts ist bzw. sein wird. Es ist der Zukunftsforscher Leo Nefiodow, der dies auf die wachsende Bedeutung der psychosozialen Gesundheit zurückführt. Damit ist auch eine ganzheitliche Gesundheit gemeint, also die physische, seelische, geistige, ökologische und soziale. Es ist auch so, dass das hohe Gut Gesundheit zunehmend ins Bewusstsein kommt. Kerngedanke des Handlungsfelds und damit auch der Vision ist, dass wir uns durchgängig, alle Lebens-, Wohn- und Arbeitsbereiche einbeziehend, als Gesundheitsregion aufstellen.

EZ: Machen das nicht andere Regionen auch?
Klöckner:  Es ist tatsächlich so, dass andere Regionen sich auch zu Gesundheitsregionen entwickeln wollen. Aber ich habe bislang keine identifiziert, die diese ganzheitliche und durchgängige Betrachtungsweise hat. Ich war Anfang Februar bei Prof. Dietrich Grönemeyer in Bochum – Sie erinnern sich, er war Ende August letzten Jahres im Rahmen des Eifel-Literaturfestivals in Daun, da hatte ich ihn gefragt, ob ich seine Meinung einmal einholen könne. Wenn auch der Aufhänger für das Gespräch die gesundheitstouristische Neupositionierung war, so habe ich ihm auch die Vision zur gesunden VG Daun vorgestellt. Das war für mich eine höchst interessante und wertvolle Begegnung. Seine Aussagen waren beispielsweise: „einzigartig“ und „pilothaft“. Ich habe mir zwischenzeitlich einige seiner Bücher angesehen, die er mir mit gegeben hat. In dem Buch „Mein Ruhrgebiet – Gespräche und Begegnungen“ empfiehlt er den Städten des Ruhrgebiets vor dem Hintergrund der dort ohne Zweifel vorhandenen Potentiale – alleine drei medizinische Fakultäten – die Chancen der Gesundheitswirtschaft zu nutzen. Wir können mit diesen Potentialen nicht mithalten; aber im Ruhrgebiet hat man wohl die Chancen noch nicht so richtig erkannt. Übrigens hat mir Prof. Grönemeyer seine Unterstützung zugesagt; wie, das sehen wir noch.

EZ: Das ist ja höchst interessant. Aber, welche Potentiale sehen Sie denn bei uns? Denn mit Hochschulen etc. können wir in der Tat nicht aufwarten.
Klöckner:  Vor dem Hintergrund unserer ländlichen Struktur sind wir sehr gut aufgestellt, wir haben bereits eine beachtliche medizinische Infrastruktur. Beginnend mit unserem Krankenhaus, auf das wir stolz sind, den Kliniken mit einer hohen psychologischen und psychosomatischen Kompetenz, den Altenpflegeheimen, der Kranken- und Altenpflegeschule und einem hervorragenden Fachärztebesatz. Toll ist die Kooperation zwischen Krankenhaus und Klinik Am Rosenberg mit der Akutpsychosomatik. Genauso die vom Krankenhaus beabsichtigten Erweiterungen um Kinder- und Jugendpsychiatrie und Geriatrie. Ich hoffe, dass an der zukünftigen Realschule plus Daun die Fachoberschule Gesundheit eingerichtet wird. Soweit mir bekannt, ist die Verbandsgemeinde Daun die einzige Verbandsgemeinde, die dabei ist, über eine Beauftragung der DRK Ortsvereine Daun und Gillenfeld flächendeckend ein ehrenamtliches Ersthelfersystem aufzubauen. Da sind wir auf einem guten Weg. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch etwas klar stellen: Wenn ich auch von Gesundheit rede, dann sind die Behinderten und chronisch Kranken genauso im Blick. Es geht um Lebensqualität für uns alle.

EZ: Sie listen damit mehr oder weniger infrastrukturelle Ausstattungen auf. Ist eine Gesundheitsregion nicht mehr?
Klöckner: Sie haben natürlich recht. Um das Thema Gesundheit durchgängig zu platzieren und auch ganzheitlich zu leben, bedarf es noch vieles und an einigem sind wir am Arbeiten. Ein Beispiel möchte ich nennen: In Kindertagesstätten soll das Thema Gesundheit mehr und konsequent in den Fokus genommen werden. Dies mit den drei Säulen Bewegung, Ernährung und Salutogenese.

EZ: Den Begriff „Salutogenese“ haben Sie schon öfter eingeworfen. Der Trierische Volksfreund hat dies in der Kolumne „Eifel Pitter“ auch schon mal belächelnd kommentiert. Was bedeutet er denn?
Klöckner:  Nun, ich kann ja nichts dafür, wenn der Eifel Pitter das nicht versteht. Wichtig ist, man muss sich damit beschäftigen. Vielleicht erinnern Sie sich an den Neujahrsempfang am 1. Februar 2010 der BUV im TechniSat Kunden- und Logistikzentrum. Frau Dr. Claudia Stahl hat einen ganz hervorragenden Vortrag zur Salutogenese gehalten. Ich möchte dies mit meinen eigenen Worten versuchen zu erläutern. Salutogenese bedeutet „Entstehung von Gesundheit“. Das Modell geht auf den israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky zurück. Er fragt danach, warum Menschen gesund bleiben – trotz hoher Belastungen, gesundheitsgefährdender Einflüsse – oder wie sie es schaffen, sich von Erkrankungen zu erholen. Antonowsky löst sich damit vom klassisch medizinischen Verständnis, der Pathogenese. Die Pathogenese fragt nach der Entstehung und den Bedingungen von Krankheit. Nach Antonowsky ist es von der Grundeinstellung eines Menschen abhängig, wie gut er in der Lage ist, vorhandene Ressourcen zum Erhalt seiner Gesundheit und seines Wohlbefindens zu nutzen. Diese Grundeinstellung bezeichnet er als „Kohärenzgefühl.“

EZ: Können Sie uns das Kohärenzgefühl noch weiter erläutern?
Klöckner:  Das Kohärenzgefühl ist eine grundlegende Einstellung zum Leben. In ihm wird deutlich, in welchem Umfang ein Mensch ein durchdringendes, ausdauerndes und zugleich dynamisches Gefühl von Optimismus hat. Dann sind für ihn die Anforderungen der inneren und äußeren Erfahrenswelt strukturiert, vorhersehbar und erklärbar. Außerdem bedeutet es, dass einem Menschen die Ressourcen zur Verfügung stehen, die benötigt werden, um den Anforderungen des täglichen Lebens zu begegnen. Diese Anforderungen müssen als solche Herausforderungen erkannt werden, für die sich Anstrengung und Herausforderung lohnen. Dabei hilft ein positives Selbstwertgefühl. Antonowsky beschreibt dies in einer Metapher, in der ein Fluss das Abbild des Lebens ist und der Mensch immer in einem mehr oder weniger gefährlichen Fluss schwimmt. Gesundheitspolitisch und medizinisch können darauf verschiedene Antworten gegeben werden. Untersucht man, wer am schnellsten ertrinkt, womit man jemanden am ehesten aus dem Fluss ziehen kann oder ob der Flusslauf entschärft werden soll? Dem gegenüber setzt die Salutogenes darauf, dem Menschen das Schwimmen bei zu bringen. Das entspricht einer Persönlichkeitseigenschaft, die Antonowsky Kohärenzgefühl nennt.

Das Interview mit Werner Klöckner setzen wir in der nächsten Woche fort.

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