WEGE: VG Daun – Innenentwicklung hat Vorrang!

Im April letzten Jahres startete Werner Klöckner, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun, den Prozess WEGE – Wandel erfolgreich gestalten! Ziel des WEGE-Prozesses ist es, die Verbandsgemeinde Daun vor dem Hintergrund des demographischen Wandels zukunftsfähig aufzustellen. Die Vision für die Zukunft der Verbandsgemeinde Daun lautet: „In der Verbandsgemeinde Daun leben – in einer gesunden Welt zu Haus. Lebenswert-gesunder Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsstandort“.

In unserer Interviewserie spricht Werner Klöckner mit der Eifelzeitung über den WEGE-Prozess und die Entwicklungsstrategie der Verbandsgemeinde Daun. Heute fragen wir ihn zu dem Handlungsfeld „VG Daun – Innenentwicklung hat Vorrang!“.

EZ: Innenentwicklung hat Vorrang heißt doch „Verzicht auf Neubaugebiete“. Das ist doch heute selbstverständlich, oder?

Klöckner: Es ist richtig, dass es nur noch in Ausnahmefällen zu neuen Baugebieten kommen wird. Bis 2005 hatten wir in unserer Verbandsgemeinde steigende Bevölkerungszahlen. Dieser Entwicklung musste durch entsprechende Baumöglichkeiten Rechnung getragen werden. Das ist vorbei. Seit dem geht die Bevölkerungszahl deutlich zurück. Neubaugebiete sind nicht mehr nötig und einige diesbezügliche Überlegungen sind auf den Prüfstand zu stellen. Bei dem Handlungsfeld „VG Daun – Innenentwicklung hat Vorrang!“ geht es um mehr als nur diesen Verzicht auf Neubaugebiete. Es soll das Bewusstsein für Innenentwicklungspotentiale geschaffen werden.

EZ: Erläutern Sie dies bitte unseren Leserinnen und Lesern etwas näher.
Klöckner: In unseren Dörfern – wir haben ja fast 50 in unserer Verbandsgemeinde – gibt es jetzt schon einiges an Leerständen. Aber das wird ja noch viel mehr. Sie wissen, dass ich meine Betrachtungen jeweils in die Zukunft richte: Wie sieht dies in 10, 20 oder 30 Jahren aus? In unseren Ortskernen leben jetzt in einem großen Maße Bürgerinnen und Bürger, die älter als siebzig oder achtzig sind, teilweise allein stehend. In vielen Fällen ist es keineswegs absehbar und erst recht nicht gesichert, dass jemand aus der Familie die Objekte übernimmt. Die Frage ist, was passiert damit? Ich kann dies auch positiv betrachten: In den Ortskernen steckt enormes Wohn- und Baupotential. Dieses Potential muss man nutzen, um für die unterschiedlichsten Bedürfnisse das Wohnen im Ortskern zu ermöglichen. Gemeinsam mit den benachbarten Verbandsgemeinden Gerolstein, Kelberg und Ulmen sind wir in der Vorbereitung eines Projektes, mit dem dies unterstützt wird.

EZ: Was beinhaltet denn dieses Projekt?
Klöckner: Der Projekttitel lautet: „Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit eines aktiven Flächenmanagements und Aktivierung von Innenentwicklungspotentialen“. Es beinhaltet mehrere Stufen und läuft über drei Jahre. Ausgangspunkt ist eine flächendeckende Erhebung der Wohn- und Bauflächenstruktur. Diese wird durch den Ortsgemeinderat fort geschrieben. Sie ist verbunden mit einer prognostischen Betrachtung: Wie sieht unser Dorf in den schon genannten 10, 20 oder 30 Jahren aus, wenn sich nichts tut? Das wird ein erschreckendes Bild ergeben. Für Ellscheid ist dies beispielsweise gemacht worden. Wenn sich nichts bewegt, werden schon in 10 oder 15 Jahren im Ortskern nur noch wenige Gebäude bewohnt sein. Es ist wichtig, dies ständig ins Bewusstsein zu bringen. Deshalb ist auch das genannte Projekt ein solches der Bewusstseinsbildung. Ellscheid weist in seinem Ortskern sehr schwierige, historisch bedingte Grundstückssituationen auf. In anderen Orten ist dies wesentlich einfacher. Deswegen wird in dem Projekt auch analysiert, welche Dorftypen wir haben. Davon ausgehend ist es jeweils unterschiedlich, wie eine Aktivierung der Innenentwicklung ablaufen kann. Im nächsten Schritt sollen dann Modelldörfer identifiziert werden.

EZ: Was passiert denn in diesen Modelldörfern?
Klöckner: In den Modelldörfern werden die Innenentwicklungspotentiale im Detail untersucht. Es geht um innerörtliche Bauflächen, die tatsächlichen und potentiellen Leerstände und die Erfassung der Grundstückszuschnitte und Eigentumsverhältnisse. Hiervon ausgehend wird eine Strategie entwickelt, wie Bebauungsmöglichkeiten im Dorfkern geschaffen werden können oder dem Leerstand begegnet werden kann. Dies kann ein Leerstandsmanagement beinhalten oder es kann eine Dorfflurbereinigung folgen. Wir werden uns auch damit beschäftigen müssen, leer stehende, schlechte Bausubstanz abzureißen, um attraktive Bauflächen und Freiraum zu schaffen. Die Eigentümer und örtlich Verantwortlichen werden dabei intensiv beraten. Die umfangreiche Arbeit in diesen Modelldörfern wird so aufgearbeitet, dass die Erfahrungen in anderen Gemeinden genutzt werden können.

EZ: Wir können uns vorstellen, dass sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Klöckner: Das ist richtig. Deswegen ist die Öffentlichkeitsarbeit ein maßgeblicher Baustein des Projektes. Die Bevölkerung und die verantwortlichen Akteure vor Ort müssen informiert und sensibilisiert werden, welche Auswirkungen der demographische Wandel auf die Bausubstanz, das Ortsbild, die Sozialstruktur und die Infrastruktur im Dorf hat. Es wird beispielsweise simuliert und visualisiert, was passiert, wenn nichts passiert. In den Gemeinderäten soll das Thema kontinuierlich behandelt werden und es wird eine ganze Reihe von öffentlichen Veranstaltungen geben, mit denen Problembewusstsein geschaffen wird und Lösungen präsentiert werden. In Baden-Württemberg ist untersucht worden, was den Erfolg von solchen Dorfinnenentwicklungsprozessen ausmacht. Entscheidend ist die Öffentlichkeitsarbeit. Dörfer, die diese professionell gewährleistet haben, konnten nach einigen Jahren ihre Ortskerne so attraktiv umbauen, dass ein Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen war.

EZ: Bei der Eröffnung des VHS-Studienjahres im Februar haben Sie in Ihrem WEGE-Vortrag Zahlen zu Immobilienwerten bzw. Wertverlusten genannt. Wie waren diese nochmals?

Klöckner: Schön, dass Sie sich an den Vortrag erinnern. Denn die Wertverluste sind beträchtlich. In der Verbandsgemeinde Daun gibt es rund 10.000 Wohngebäude. Nimmt man einen durchschnittlichen Sachwert von 120.000 € an, ergibt dies einen Gesamtsachwert von 1,2 Milliarden €. Der Gutachterausschuss wendet bei seinen Wertermittlungen seit geraumer Zeit einen Marktanpassungsfaktor an, der bis auf 0,6 runter gehen kann. Nehmen wir einen durchschnittlichen Faktor von 0,8, also einen Abschlag von 20 % auf den vorläufigen Sachwert an, dann haben wir in unserer Region einen Vermögensverlust von 240 Millionen € erlitten. Eine unvorstellbare Summe. Geld, das wir alle verloren haben, soweit wir Wohneigentümer sind. Alleine aus diesem Grunde lohnt es sich daran zu arbeiten, dass wir uns nicht noch weiter negativ entwickeln und unsere Dorfkerne attraktiver werden.

EZ: Wir danken für das Gespräch.

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