WEGE: VG Daun – erreichbar versorgt!

Im April letzten Jahres startete Werner Klöckner, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun, den Prozess WEGE – Wandel erfolgreich gestalten! Ziel des WEGE-Prozesses ist es, die Verbandsgemeinde Daun vor dem Hintergrund des demographischen Wandels zukunftsfähig aufzustellen. Die Vision für die Zukunft der Verbandsgemeinde Daun lautet: „In der Verbandsgemeinde Daun leben – in einer gesunden Welt zu Haus. Lebenswert-gesunder Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsstandort“.

In unserer Interviewserie spricht Werner Klöckner mit der Eifelzeitung über den WEGE-Prozess und die Entwicklungsstrategie der Verbandsgemeinde Daun. Heute fragen wir ihn zu dem Handlungsfeld „VG Daun – erreichbar versorgt!“.

EZ: Was meinen Sie mit  „VG Daun – erreichbar versorgt!“
Klöckner: Versorgt steht für das Vorhandensein von infrastrukturellen Angeboten in unseren Ortsgemeinden. Erreichbar steht für die Anbindung durch Infrastrukturen. Dies bedeutet auch folgendes: Wenn es in Ortsgemeinden bestimmte Infrastrukturen nicht gibt, so müssen sie zumindest in erreichbarer Nähe vorhanden sein. Ich sehe da noch größere Probleme auf uns zukommen, als sie schon vorhanden sind. Nehmen wir da nur das Beispiel Gastronomie. In vielen Dörfern gibt es sie nicht mehr. Ich wohne in Üdersdorf und seit Ende letzten Jahres haben die beiden Gaststätten geschlossen. Ob nochmals eine öffnen wird, ist zumindest ungewiss. Üdersdorf ist fast ein Paradebeispiel für eine negative Entwicklung. Als ich 1993 mit meiner Familie dorthin gezogen bin, gab es noch zwei Lebensmittelläden, die Post, Zweigstellen von Kreissparkasse und Volksbank, einen Friseur und eben zwei Gaststätten, jeweils mit Pension. Davon ist heute nichts mehr vorhanden. Das merken auch die Ferienwohnungsinhaber, von denen es in Üdersdorf einige gibt.

Die Gäste können in Üdersdorf keine Brötchen mehr kaufen oder nicht mehr zum Essen gehen. Es ist wie so oft: Die vor Ort vorhandenen Möglichkeiten werden dann erst entsprechend Wert geschätzt, wenn sie nicht mehr da sind. Dann ist das Kind allerdings in den Brunnen gefallen. Etwas wieder zu beleben, zu reaktivieren, neu aufzubauen, ist wesentlich aufwendiger, als Vorhandenes zu erhalten.

EZ: Das hört sich auch vorwurfsvoll an. Ist das richtig?
Klöckner:   Das möchte ich nicht. Ich will nur Bewusstsein wecken für solche Entwicklungen. Es sind auch manche Entwicklungen unaufhaltsam oder sehr schwierig. Bei der Post sind wir von  Konzernentscheidungen abhängig; in der Gastronomie bestehen enorme Probleme in der Betriebsnachfolge. Es gibt auch viele positive Ansätze. Die Schließung der Gaststätte in Steiningen hat die Ortsgemeinde dazu bewogen, ihre seit Jahren bestehende Überlegung, ein Bürgerhaus „auf der grünen Wiese“ zu bauen, aufzugeben. Die Gaststätte wird jetzt zu einem Bürgerhaus umgebaut. Ich kann mir vorstellen, dass die Steininger es auch schaffen, die Atmosphäre des ehemaligen Gasthauses Schüller – soweit das überhaupt geht – wieder zu schaffen. Vor kurzem ist die Dorfgaststätte in Ellscheid geschlossen worden. Dort überlegt man, sie auf Vereinsbasis weiter zu führen. Ellscheid ist ohnehin auf einem guten Weg. Eine ganze Reihe von Baumaßnahmen läuft oder ist beabsichtigt.  Leer stehende landwirtschaftliche Gebäude werden zu  Wohnungen und Ferienwohnungen umgenutzt. In Wallenborn will man gegebenenfalls einen Dorfladen initiieren. So gibt es eben auch positive Entwicklungen.

EZ: Wir können uns allerdings vorstellen, dass ein Dorfladen, egal wo, ein schwieriges Thema ist.
Klöckner:  Es wird keineswegs überall einen Dorfladen geben können; das wäre Illusion. Und es ist in der Tat sehr schwierig. Unabänderlich wird es sein, dass man in einem bedeutsamen Umfang auf mobile Angebote zurückgreifen muss. Allerdings: Die Mitglieder der LAG Vulkaneifel – das ist das Steuerungsgremium der LEADER-Region Vulkaneifel – waren im Oktober letzten Jahres in Klausen. Uns wurde das dortige erfolgreiche Konzept präsentiert. Man hat mehrere Dienstleistungen unter einem Dach vereinigt. Und der Dorfladen ist auch Kommunikationszentrum. Dass ein solches für ein Dorf wichtig ist, ist jedem klar. Dort, wo solche Kommunikationszentren weg gebrochen sind, müssen wir darüber nachdenken, Ersatz zu schaffen. In jedem Dorf gibt es ein Bürger- oder Dorfgemeinschaftshaus. Mit viel Geld gebaut und unterhalten. Warum kann man sie nicht zu wirklichen und dauerhaften Begegnungsstätten weiter entwickeln? So, wie man dies in Steiningen vor hat. Darüber sollten wir ernsthaft nachdenken.

EZ: Gehört zu „erreichbar“ nicht auch eine leistungsfähige Internetverbindung?
Klöckner:   Klar. Wir stehen mit der ganzen Welt in Kontakt. Und Breitband ist bereits heute eine ebenso notwendige Erschließungsvoraussetzung wie die Wasserversorgung. D. h., wenn jemand hier hin will, setzt er dies einfach voraus. Gibt es kein Breitband, zieht man irgendwann weg. Das mag übertrieben klingen, ist es aber nicht. Breitband ist also eine existentielle Standortvoraussetzung. Es wird in der Zukunft eine weitere Entflechtung von dem Sitz des Arbeitgebers und dem Arbeitsort geben. Die heutige Kommunikationstechnik ermöglicht dies für eine ganze Reihe von Berufen. Wenn wir für diese Form der Arbeitswelt als Wohn- und Arbeitsort eine Zukunft haben wollen, müssen wir eine zukunftsweisende Breitbandversorgung haben. Die Ortsgemeinden arbeiten daran. Dennoch fehlt es an einem flächendeckenden Bewusstsein, wo die Reise hin geht. 1 MB reicht nicht aus. Wir müssen in den Kategorien von 16 bis 50 MB denken.

EZ: Ist demnach Breitband die Autobahn der Zukunft? Heißt das, wir können auf den Lückenschluss der A 1 verzichten?

Klöckner: Die Verkehrsinfrastruktur hat unverändert ein sehr hohe Bedeutung. D. h., auch der Lückenschluss der A 1. Allerdings: Im Zuge des bisherigen WEGE-Prozesses ist mir einige Male gesagt worden: „Das was Sie da vorhaben, bringt doch alles nichts, wenn nicht die A 1 fertig gebaut ist“. Das ist so reduziert betrachtet falsch, weil die Wechselwirkungen der insgesamt zwölf Handlungsfelder nicht im Blick sind. Wenn ich nur die A 1 vorantreibe, alles andere vernachlässige, will keiner mehr zu uns kommen und der Lückenschluss bewirkt einzig und allein, dass man so schnell wie möglich hier durch fahren will. Um es anders zu formulieren: Ein funktionierendes dörfliches Kommunikationszentrum ist genauso wichtig, wie die A 1. Nur, dass die A 1 nicht nur örtlich, sondern regional „wirkt“.

EZ: Zur A 1 möchten wir nochmals nachfragen: Wann kommt sie denn?
Klöckner: Vor zehn Jahren haben Sie in Ihrer Zeitung die „Unendliche Geschichte der A 1“ veröffentlicht. Diese Darstellung sollte man sich nochmals in Erinnerung rufen.

Der Fortgang des Lückenschlusses hing in der Vergangenheit  u. a. entscheidend von den politischen Konstellationen NRW – Rheinland-Pfalz – Bund ab. Beeinflussend war auch ein örtliches Für und Wider. Vor Ort ist man seit Jahrzehnten überwiegend dafür. Die jetzige bzw. zukünftige Konstellation auf der Ebene der beiden Bundesländer bereitet mir Sorgen. Das werden wir für Rheinland-Pfalz jetzt abwarten müssen. Aber eins noch zur Erinnerung: Für den jetzt im Bau befindlichen Abschnitt Anschlussstelle Daun bis Kelberg gab es bereits im Mai 1997 Baurecht. Er wird wohl Ende diesen Jahres komplett unter Verkehr gehen. Aber das sind immerhin 14 Jahre, die gebraucht wurden.

Und für die weiteren Abschnitte bis Blankenheim haben wir ja noch nicht einmal Baurecht! Und es sind – so glaube ich  – doppelt so viele Kilometer. Da kann sich jeder seinen Reim drauf machen.
Deshalb: Auf den Lückenschluss der A 1 zu warten, um unsere Zukunft zu gestalten, wäre vollkommen falsch.

EZ: Wir danken für das Gespräch.
 

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