Interview „Wir wollten keinen Streit!“

Gerolstein. Im Interview mit der Eifel-Zeitung blickt Andreas Stritzke, Initiator des Brunnen-Bürgerbegehrens in Gerolstein, sehr persönlich auf die Ereignisse der letzten Monate zurück. Nach einem milden Winter wird im Frühjahr auf dem Gerolsteiner Rondellvorplatz der „Bürgerbrunnen“ gebaut. Nachdem sich der Bauauschuss im August 2011 gegen den Willen der meisten Bürger für den sog. „Röhrenbrunnen“ entschieden hatte, formierte sich eine Protestgruppe, die durch ihre Beharrlichkeit den Stadtrat letztlich zum Umdenken zwang. Angeführt von Andreas Stritzke, initiierte die Gruppe ein Bürgerbegehren und sammelte innerhalb einer Woche über 1.000 Unterschriften gegen den „Röhrenbrunnen“.

Der Stadtrat akzeptierte das Bürgerbegehren zwar nicht, gab aber den Bürgern die Möglichkeit, einen Alternativvorschlag zu entwickeln. In einer Versammlung entschieden sich die Bürger mit großer Mehrheit für ein Modell des Kunstlehrers Martin Schambach. Am 15. November 2011 stimmte der Stadtrat schließlich mit großer Mehrheit für den „Bürgerbrunnen“.

EAZ: Herr Stritzke, haben Sie sich Anfang August vorstellen können, dass der Streit um den Rondellbrunnen erst im November beendet sein würde?
Stritzke:
Nein, auf gar keinen Fall! Und eigentlich wollten wir ja auch gar keinen Streit. Ganz am Anfang nahmen Thomas Regnery [Mit-Initiator des Bürgerbegehrens; die Red.] und ich ja an, mit dem Stadtbürgermeister und dem Stadtrat normal reden zu können. Wir waren davon überzeugt, dass ihre Entscheidungen auf falschen oder fehlenden Informationen beruhten; dass sie gar nicht im Bilde darüber waren, welchen Unmut die drei ursprünglichen Modelle in der Bevölkerung hervorgerufen hatten. Deswegen wollten wir am Anfang lediglich darauf aufmerksam machen und informieren. Uns ging es ja nicht darum, etwas Eigenes durchzusetzen, sondern etwas Ungewolltes zu verhindern. Aber die verantwortlichen Damen und Herren wollten uns ja nicht einmal anhören. Es wurde keine Email beantwortet, es wurde nicht zurückgerufen. Als wir dann auf der Sitzung des Bauausschusses am 02.08.2011 nicht angehört wurden, merkten wir, in welchen bürokratischen Sumpf wir geraten waren. Eigentlich dachten wir da schon: Das war´s dann. Aber eine Handvoll Stadtratsmitglieder klärte uns dann über weitere Möglichkeiten auf – unter anderem über die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens.

EAZ: Immer wieder gab es für Sie und Ihre Mitstreiter Rückschläge, etwa die Ablehnung des Bürgerbegehrens aus „formaljuristischen“ Gründen. Hand aufs Herz: Haben Sie zwischenzeitlich daran gedacht, aufzugeben?
Stritzke: Ja, selbstverständlich. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie viel Zeit mich das alles gekostet hat! Ich konnte mir als Selbstständiger zwar den Luxus erlauben, mir die Zeit einfach so zu nehmen, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, aber im Nachhinein habe ich durch das Ganze schon ein paar Tausend Euro an Umsatz eingebüßt. Auf der anderen Seite war da allerdings dieser unheimlich große Zuspruch aus der Bevölkerung. Das Handy klingelte ununterbrochen. Ich bekam jede Menge Emails, die ich gar nicht alle beantworten konnte. Auch in den sozialen Netzwerken „Facebook“ und „Wer kennt wen“ war die Resonanz überwältigend. Ich konnte nicht mal Brötchen kaufen, ohne auf den Brunnen angesprochen zu werden.
 
Es meldeten sich ja auch über ein Dutzend Mitstreiter, die beim Unterschriftensammeln helfen wollten. Viele davon kannte ich vorher gar nicht. Und als wir dann am ersten Tag schon fast die Hälfte der benötigen Stimmen zusammen hatten, wusste ich, dass es nicht falsch sein kann, was wir da begonnen hatten. Thomas Regnery und ich waren uns von Anfang an einig, dass wir unser Vorhaben einstellen würden, wenn wir in der Bevölkerung auf Widerstand stoßen oder bemerken würden, dass wir nur eine Minderheit vertreten. Als wir dann nach nur einer Woche über 1.000 Unterschriften zusammen hatten, war das für uns der  endgültige Beweis dafür, dass wir mit unserer Einschätzung richtig lagen. Über 80 Prozent der befragten Bürger wollten den sogenannten Röhrenbrunnen nicht haben! Wir hätten ja auch gerne noch länger Unterschriften gesammelt, um ein noch aussagekräftigeres Ergebnis zu erreichen. Aber wegen diverser Falschaussagen und bürokratischer „Tricksereien“ aus dem Rathaus hatten wir quasi keine andere Wahl, als bereits nach einer Woche das Bürgerbegehren abzugeben.

EAZ: Statt den Auftrag zum Bau des Röhrenbrunnens zu kippen und damit dem Bürgerwillen Rechnung zu tragen, forderte der Stadtrat die Bürger am 12. September auf, ein eigenes Brunnenmodell zu entwickeln. Kritiker haben hinter dem Beschluss des Stadtrats einen „Trick“ vermutet.

Stritzke: Meiner Meinung nach war es das auch. Und es war möglicherweise auch nicht der einzige „Trick“. Dieser Beschluss beinhaltete meiner Meinung nach viele Fallen, Stolpersteine und Hintertürchen. Vielleicht sollte es uns schwer erscheinen, alle „Vorgaben“ zu erfüllen. Vielleicht wollte man ja auch, dass wir aufgeben.

EAZ: Wären Sie und Ihre Mitstreiter nicht an der Sache drangeblieben, gäbe es heute wohl kein Bürgermodell und der Röhrenbrunnen würde gebaut …

Stritzke: Korrekt. Das nehme ich zumindest an.

EAZ: Wie lief eigentlich dann der Planungsprozess ab?
Stritzke:
Zuerst mussten wir ja zu einem Modell kommen, welches von mehreren Bürger mit entworfen wird. So entstand die Idee einer Versammlung, in der wir gemeinsam mit allen Interessierten ein Modell entwickeln. Jeder Einwohner sollte Vorschläge machen können, über die dann gemeinsam abgestimmt wird. Und es kamen sehr viele Vorschläge. Von Schülern, Rentnern und natürlich auch von professionellen Künstlern. Ja sogar von einer Gruppe aus einem Gerolsteiner Verein.

EAZ: Wie haben Sie persönlich die Bürgerversammlung erlebt?
Stritzke:
Ich ging zuerst mit gemischten Gefühlen an die Sache heran. Ich wusste ja nicht, wie viele Bürger überhaupt kommen und welche Erwartungen und Vorstellungen sie haben würden. Aber schnell war klar, dass mehr Menschen gekommen waren, als wir angenommen hatten, und dass alle ein wirkliches Interesse am Thema hatten. Und so wurden meine Erwartungen sogar noch übertroffen, als man sich ohne Zank und großartiges Hin und Her auf den Brunnen von Martin Schambach einigte.

EAZ: Der 15. November war dann der Tag der Entscheidung. Wie zuversichtlich waren Sie vor der Sitzung, dass der Stadtrat letztlich für den „Bürgerbrunnen“ stimmen würde?
Stritzke: Ganz ehrlich? Ich habe versucht, ohne all zu große Erwartungen in die Sitzung zu gehen. Die Wochen zuvor hatten mich gelehrt, dass selbst, wenn man sich ziemlich sicher ist und man denkt, „da kann doch kein normal denkender Mensch dagegen sein“, die Verantwortlichen doch eine andere Entscheidung treffen.
 
EAZ: 16 Ratsmitglieder stimmten für den Bürgerbrunnen, nur eine Handvoll dagegen. Worauf führen Sie das eindeutige Abstimmungsergebnis zurück?

Stritzke: Die meisten haben letztlich wohl doch ihre Meinung geändert. Ob es jetzt daran lag, dass sie es wirklich eingesehen haben, oder ob sie nur dem öffentlichen Druck nachgaben, ist für mich irrelevant. Was ich in den Sitzungen zuvor als besonders schlimm empfand, war, dass sich einige Mitglieder des Stadtrates oder des Bauausschusses ihrer Stimme enthielten. Dafür, dass man sich enthält, wenn es drauf ankommt, wird aber niemand gewählt! Die Stadträte sind die von den Bürgern gewählten Vertreter. Dann sollen sie auch vertreten und sich nicht enthalten. Sie sind dazu verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen für die Bevölkerung die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Also sollten sie dieser Aufgabe auch nachkommen. Aber genau das wurde – meiner Meinung nach – bis zu dieser Sitzung von einigen unterlassen. Vielleicht wird der Stadtrat nach dieser Geschichte ja darüber nachdenken, einige Dinge zu ändern.
 
EAZ: Welche Veränderungen wünschen Sie sich?
Stritzke:
Dass man sich im Rat einfach mehr Gedanken macht. Fachkundige und interessierte Bürgerinnen und Bürger sollten sich auch ohne Mandat und Parteibuch einbringen können. Als Thomas Regnery und ich im Bauauschuss zum Thema Rondellbrunnen sprechen wollten, durften wir das nicht, da man sich als Privatperson nicht zu Themen äußern darf, die auf der Tagesordnung stehen. Ich wäre zum Beispiel auch sehr gerne bereit, auf Grundlage meiner beruflichen Erfahrungen bei der Straßen- und Verkehrsplanung beratend tätig zu werden.

Es kann auch nicht darum gehen, einen Entschluss so schnell wie möglich zu fassen. Ebenso sollte es kein Problem sein, einen bereits gefassten Beschluss zu ändern oder zurückzunehmen, wenn man merkt, dass er fehlerhaft war. Auch wenn in der „großen“ Politik das Zurückrudern nicht gern gesehen wird: Wir sind hier nicht in Berlin, und unsere Vertreter im Stadtrat sind ganz normale Menschen – Verwandte, Freunde, Nachbarn. Wenn man als Privatperson merkt, dass man einen Fehler gemacht hat, korrigiert man ihn ja auch. Das sollte auch in der politischen Arbeit in Gerolstein möglich sein.

EAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person:
Andreas Stritzke war im August 2011 Initiator des Bürgerbegehrens gegen den Bau des „Röhrenbrunnens“ vor dem Gerolsteiner Rondell. Nachdem der Stadtrat das Bürgerbegehren abgelehnt hatte, organisierte er die Planung eines Bürgermodells. Am 4. Oktober 2011 leitete er die Versammlung, in der sich die anwesenden Gerolsteiner Bürger für den von Martin Schambach entworfenen Brunnen entschieden. Andreas Stritzke (39) arbeitet als Fahrlehrer in Gerolstein, ist Vater eines Sohnes, Janosch (13), und erwartet im März die Geburt seines zweiten Kindes.

 

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