Das Luxemburger Parlament und die Europäische Union: „Wir können manches bewirken“

Der Lissabon-Vertrag gibt dem nationalen Parlament in Luxemburg neue Möglichkeiten, um das Geschehen auf der europäischen Bühne mitzugestalten. Luxemburgs Kammerpräsident Laurent Mosar wünscht sich eine weitere Mitsprache der Abgeordneten.

Frage: Herr Präsident, nach dem Europareferendum 2005 gelobten die Parteien, mehr mit den Bürgern über europäische Fragen zu diskutieren und die Zusammenhänge besser zu erklären. Glauben Sie, dass die Begeisterung für die europäische Sache in den letzten sechs Jahren gesteigert werden konnte?
Mosar: Wir haben uns in den letzten Jahren schon bemüht. Man darf aber nicht vergessen, dass seither die Wirtschafts- und Finanzkrise die Politik vor ganz neue Herausforderungen stellte. Wenn Sparpakete dekretiert werden müssen, steigert das nicht unbedingt die Begeisterung. Europa fehlte in letzter Zeit sicher eine Vision oder zumindest ein großes Projekt, mit dem man die Bürger wieder für Europa begeistern könnte. Zuletzt konzentrierte sich alles vor allem auf ein Krisenmanagement. Das war sicher notwendig, reißt die Menschen aber nicht unbedingt mit. Was mir zudem Sorgen macht, ist eine wachsende Verdrossenheit wegen der europäischen Schuldenkrise. Viele Bürger können nicht nachvollziehen, dass mit ihren Steuergeldern ein Rettungsschirm für Staaten aufgespannt werden soll, die sich in der Vergangenheit nicht an die Spielregeln gehalten haben. Viele ausländische Kollegen, mit denen ich zusammen komme, haben ebenfalls Bedenken hinsichtlich der Prozedur des europäischen Rettungsmechanismus angemeldet, weil sie eine angemessene Einbindung der nationalen Parlamente vermissen. Ich bin der Meinung, dass wir nicht umhin kommen anlässlich der bevorstehenden Gesetzgebung über den Rettungsmechanismus eine solche Einbindung vorzusehen.

Frage: Wie wäre eine solche Einbindung denn zu bewerkstelligen?
Mosar: Ich könnte mir vorstellen, dass man der Eurogruppe ein parlamentarisches Begleitorgan zur Seite stellt, das eine zeitgleiche Information und auch mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung der Euro-Staaten sicherstellt. Nur wenn die Parlamentarier im Bild sind, können sie auch den Bürgern vermitteln, warum Entscheidungen getroffen wurden. Ich muss sagen, dass wir in Luxemburg durch Eurogruppenchef Juncker und Finanzminister Frieden gut informiert werden. Die Rettungsschirm-Pakete dürften das Parlament auch zügig passieren. Mein Anliegen geht über das Großherzogtum hinaus. Wir dürfen den Euroskeptikern nicht das Feld überlassen. Eine mangelhafte Information oder fehlende Transparenz ist nur Wasser auf deren Mühlen. Wir müssen dem Bürger verdeutlichen, dass in der vernetzten Welt, in der wir leben eine finanzielle Solidargemeinschaft zwischen den Mitgliedern der Eurozone unumgänglich ist. Es geht hier nicht nur um eine reine finanzielle Unterstützung verschiedener Euro-Länder und damit um eine Absicherung des Euro. Ein Ausbleiben jeglicher Rettungsaktion würde als sichere Auswirkung haben, dass verschiedene Banken ins Wanken kommen, was wiederum eine neue Finanzkrise auslösen könnte mit den bekannten Konsequenzen für die Bürger. Wenn wir also hier helfen, geschieht das auch in unserem ureigenen Interesse.

Frage: Mit dem sogenannten Europäischen Semester sollen Verstöße gegen die Euro-Stabilität unterbunden werden. Einige Abgeordnete befürchten aber, dass die nationalen Parlamente auf diese Weise ihr Urrecht – die Haushaltspolitik – aus der Hand geben.
Mosar: Ja, die Befürchtung gibt es. Aber ich glaube, Brüssel wird schon vorsichtig vorgehen, um die Parlamente nicht zu verärgern. Also, wir können nicht gleichzeitig beklagen, dass die Einhaltung der Euro-Kriterien nicht streng genug kontrolliert wurde und uns dann beschweren, wenn ein Kontrollverfahren eingeführt wird. Wir sollten abwarten, wie sich dieses europäische Semester bewährt und gegebenenfalls dann reagieren.

Frage: Es geht oft die Angst um, dass Brüssel immer mehr Entscheidungen an sich reißen will. Mit der Subsidiaritätskontrolle können die Parlamente Bedenken anmelden, wenn sie der Ansicht sind, die EU-Kommission überschreite ihre Zuständigkeiten. Wie geht die Kammer mit diesem Instrument um?
Mosar: Vor dem Lissabon-Vertrag hatten wir bei Richtlinien ja kaum noch Spielraum. Das sorgte auch für Frust. Heute werden im Vorfeld alle Initiativen der Kommission geprüft. Wenn wir Bedenken haben, werden diese in den Fachkommissionen diskutiert. Wir haben bereits fünf Gutachten nach Brüssel übermittelt, wo wir Kompetenzbedenken angemeldet haben. Wir haben auch fünf Mal die politische Notwendigkeit einer Maßnahme angezweifelt. Wir können also schon manches bewirken.

Frage: Nur reicht ein Veto aus Luxemburg nicht. Gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Parlamenten?
Mosar: Wir versuchen es zumindest. Es ist natürlich nicht immer einfach, da die Interessenlage der verschiedenen europäischen Mitgliedsstaaten sehr verschieden ist. Trotzdem gibt es immer Themenbereiche, in denen Übereinstimmung mit anderen Parlamenten herrscht. Mit denen heißt es dann, Verbindung aufzunehmen. Unser Parlament pflegt seit jeher die Kontakte mit den anderen europäischen Ländern und seinen Parlamenten, insbesondere mit den kleineren Mitgliedsstaaten. Meine letzten Auslandsbesuche haben mich so nach Tschechien und nach Litauen geführt.

Frage: Werden die Minister im Parlament befragt, ehe sie an den Ratssitzungen teilnehmen?
Mosar: Wir kennen ja nicht das imperative Mandat, wie es beispielsweise in Dänemark üblich ist. Die Minister sollen schon einen gewissen Verhandlungsspielraum genießen. Ich weiß, dass in der außenpolitischen Kommission vor den Ratstreffen ein Austausch stattfindet. Niemand hindert die Fachkommissionen daran, einen Minister vor oder nach einer Ratssitzung anzuhören.

Frage: Kommt es auch zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Luxemburger Europaabgeordneten?

Mosar: So weit wie möglich nehmen die Europaabgeordneten regelmäßig montags an den Beratungen der außenpolitischen Kommission teil. Sie werden aber auch zu anderen Fachausschüssen eingeladen. Eine noch engere Einbindung der Sechs in die nationale Parlamentsarbeit wird konstant angestrebt, scheitert aber leider oft an Terminschwierigkeiten, da sich die nationalen und europäischen parlamentarische Arbeiten sehr oft überschneiden. In Erinnerung bringen möchte ich zudem die erste öffentliche Sitzung des außenpolitischen Ausschusses, die wir, im Beisein von EU-Kommissarin Viviane Reding und den Europaabgeordneten, in der Maison de l’Europe organisiert hatten. Auf Grund dieser sehr positiven Erfahrung möchte ich diese Initiative in den nächsten Monaten und Jahren wiederholen.

Mit freundlicher Genehmigung:
Luxemburger Wort

 

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen