Aufbruch zur Einzigartigkeit

Im vergangenen Jahr startete in der Verbandsgemeinde Daun der WEGE-Prozess. WEGE steht für „Wandel erfolgreich gestalten“. Im Zuge dessen waren Interessierte für den 9. Juni 2011 ins Forum Daun eingeladen, um den Vortrag „Aufbruch zur Einzigartigkeit – der Vulkanland-Weg – mit Beharrlichkeit ans Ziel“ von Josef Ober zu hören. Josef Ober ist Abgeordneter des Landtags der Steiermark. Als Obmann des Steirischen Vulkanlands ist er der Motor eines sehr innovativen und nachhaltigen Regionalentwicklungsprozesses.

Die Eifel-Zeitung nutzte die Gelegenheit, mit ihm ein Interview zu führen. 

EZ: Herr Ober, am 9. Juni haben Sie im Forum Daun einen alle begeisternden Vortrag mit dem Thema „Aufbruch zur Einzigartigkeit – der Vulkanland-Weg – mit Beharrlichkeit ans Ziel“ gehalten. Wie ist der Kontakt zur Verbandsgemeinde Daun entstanden?
Josef Ober: Ich habe im Jahr 2010 im Hunsrückhaus am Erbeskopf einen Vortrag gehalten. Dort habe ich Herrn Bürgermeister Werner Klöckner in einem sehr interessierten Gespräch kennengelernt. Danach erfolgte eine Exkursion der Verbandsgemeinde Daun in das Steirische Vulkanland. In diesen drei Tagen waren sie auf den Spuren des Vulkanland-Weges.

EZ: Erläutern Sie uns doch den Vulkanland-Weg.
Josef Ober: Das Steirische Vulkanland ist die südöstlichste Region Österreichs mit 79 Gemeinden und 104.000 Einwohnern. Im Süden grenzt die Region an Slowenien und im Osten an das Burgenland/Ungarn. Aufgrund dieser extremen Randgrenzlage wurden wir auch das steirische Grenzland, das Armenhaus Österreichs, genannt. Diese Grenzsituation hat natürlich in den Menschen und in der wirtschaftlichen Entwicklung Spuren hinterlassen. 1994 wurden umfangreiche Studien zum Beitritt zur Europäischen Union erstellt. In keinem einzigen Punkt wurde uns eine positive Entwicklungsmöglichkeit attestiert. Der fehlende – bis heute fehlende – Autobahnanschluss, kleinstrukturierte Wirtschaft (Landwirtschaft und Gewerbe) wurden als enormer Nachteil gesehen. Der ohnedies kaum vorhandene Selbstwert wurde dadurch noch einmal verringert. Der Fokus der Menschen richtete sich noch stärker auf Dinge, die die Region nicht hatte.

Das Eigene wurde unbedeutend, ja es wurde als enorm rückständig angesehen. Mit dem fehlenden Zukunftsglauben verlor die Region an Bindungskraft. Die jungen Menschen zogen weg. Die Meinung über die Region war schlecht. Aus diesem sich verschärfenden extrem negativen Regionstrend wuchs die Sehnsucht, diesem Grenzland eine neue Perspektive zu geben. Es muss doch auch für periphere ländliche Regionen aufgrund ihrer menschlichen Talente, ihrer naturräumlichen Grundlagen und ihrer regionalwirtschaftlichen Potenziale eine Zukunftsperspektive mit einer positiven Entwicklungsmöglichkeit geben? Das war die Geburtsstunde des Vulkanland-Weges.

Erster wichtiger Schritt war: Nachdem die Menschen die Wahrnehmungsfähigkeit für sich selbst und ihren Lebensraum verloren hatten, ihnen diese Wahrnehmungsfähigkeit zurückzugeben. Mit einer neuen Politik der Inwertsetzung wurden ihnen über einen Zeitraum von zehn Jahren ihre menschlichen Talente, ihre naturräumlichen Besonderheiten und ihre regionalwirtschaftlichen Potenziale mit einem „Inwertsetzungs-Marketing“ näher gebracht.

Wir haben dem Bestehenden durch eine werteorientierte Deutung eine neue zeitgemäße Bedeutung gegeben. Wir haben den Menschen die Wahrnehmungsfähigkeit für sich selbst und ihren Lebensraum zurückgebracht. Im Laufe der Jahre ist ihnen immer mehr der Schleier von den Augen gefallen und sie haben sich selbst in ihrem neu entdeckten wunderschönen Lebensraum wiedergefunden. Durch die eigene Wertschätzung ihrer Talente, Produkte, Dienstleistungen entstand ein neuer Wert. Mit den neuen Werten entstand eine neue Philosophie, daraus entwickelte sich immer mehr eine wertschätzende Sprache und daraus entstehen in modernem Design neue Produkte und Dienstleistungen. Ja es ist uns gelungen, uns selbst, den Menschen und dem Lebensraum wieder Wert und Würde zu geben. Aus diesem Vertiefungsprozess mit der Region entwickelte sich eine neue Visionsfähigkeit. So gelang es uns zunehmend, Bestehendes durch eine visionäre Deutung eine zukunftsorientierte Bedeutung zu geben.

So haben wir die Vision, bis zum Jahr 2025 durch mehr Eigenverantwortung und durch einen nachhaltigen Lebensstil menschliche, ökologische und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit zu erreichen. Wir wollen die kulinarische und Handwerks- Region in Österreich werden. Wir wollen eine Region besonderer Lebenskraft und Lebensqualität werden. Und wir möchten uns bis 2025 mit 100 Prozent regionaler Energie versorgen. Wir haben das „über Gott und die Welt jammern“ und „über die Region negativ reden“ in eine wertschätzende, bewundernde Sprache gewandelt.

Die Abwanderung wurde gestoppt. Hätten wir die Expertenprognosen ernst genommen und hätten wir nichts getan, wir würden heute in einer extrem entwerteten Abwanderungsregion mit starker Überalterung und schlechtesten Zukunftsperspektiven leben. Der Zeitraum wäre derselbe gewesen. Es liegt in unserer Hand, dem was wir tun und dem was wir haben und das, was uns umgibt, durch Wertschätzung Wert zu geben. Das Selbstbewusstsein ist im Steigen. Wir haben natürlich noch viel zu tun, aber das Beginnen haben wir ganz gut geschafft. Wenn wir diesen Vulkanland-Weg weitergehen, werden wir etwas Besonderes – für uns selbst, aber auch in den Augen unserer Kunden und Gäste.

EZ: Gibt es Parallelen zum WEGE-Prozess?
Josef Ober: Ja es gibt wesentliche Parallelen zum WEGE-Prozess. Es gibt nur einen riesigen Unterschied zu unserem Weg, nämlich den, dass Sie diesen Prozess von Beginn an höchst professionell angehen. Sie haben einen klar strukturierten Wandelprozess, wie ich ihn noch nirgends sonst gesehen habe. Was für mich völlig überraschend war: Wie intensiv sich Herr Bürgermeister Klöckner mit diesem WEGE-Prozess auseinandergesetzt hat. Gute Beispiele anzusehen, Prozesse, die sich schon bewährt haben in den eigenen WEGE-Prozess zu integrieren, Schwerpunktsymposien zur Vertiefung zu veranstalten, sehe ich als wertvolle Strategie eines von Tiefe zeugenden offenen Transformationsprozesses.

Ich war in den vergangenen vier Jahren in 50 Regionen und da habe ich mir immer wieder die Rolle der politischen Verantwortungsträger angesehen. Ich stellte mir immer die Frage, was ist das Motiv der handelnden Personen. In den meisten Fällen waren es kurzfristige politische Motive. Die meisten hatten auch kein gutes Gefühl bei ihrer Arbeit. Zu vielen fehlte das notwendige Wissen und Verantwortungsgefühl. Die meisten kannten nicht das wahre Potenzial ihrer Region. Die Beteiligung der Bürger hat sich in Grenzen gehalten. Ich sehe im WEGE-Prozess starke Parallelen zum Vulkanland-Weg, einen positiven Wandel einzuleiten.

EZ: Wir bewerten Sie denn die Chancen in der Verbandsgemeinde Daun?
Josef Ober: Ich wurde am Abend nach meinem Vortrag von Herrn Landrat Heinz Onnertz für den nächsten Tag zu einem Rundflug in der Vulkaneifel und darüber hinaus eingeladen. Er erklärte mir voller Bewunderung dieses schöne Land. Ein wie in einem Bilderbuch vom Vulkanismus geprägtes und von beseelten fleißigen Menschenhänden gestaltetes reichlich möbliertes Land offenbarte sich mir. Ich habe eine ressourcenreiche gesunde Region gesehen, die Sie zukunftsfähig gestalten können. Ich habe beim WEGE-Symposium einen ganzen Tag lang ein kompetentes Expertenteam erleben dürfen, dass Sie auf Ihrem Wegeprozess professionell begleiten wird. Und zum Schluss das Wichtigste, was ich den vergangenen Jahren von vielen Regionen lernen durfte: Es ist eine immens hohe Verantwortung, die Verbandsgemeinde Daun in eine neu zu erdenkende Zukunft zu führen.

Bei Herrn Verbands-Bürgermeister Werner Klöckner sehe ich eine aus tiefster Verantwortung resultierende Kraft, diesen langfristigen WEGE-Prozess zu gehen. Ich sehe bei ihm ein enormes Wissen und einen realistischen Blick für die Potenziale der Menschen und ihres Lebensraumes. Einer muss mit einem guten politischen Team und einem kompetenten Expertenteam überzeugend vorangehen. Die Bündelung der politischen Kräfte der Ortsgemeinden, der Verbandsgemeinde, des Landkreises und des Landes und die Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte ist die wichtigste Voraussetzung für den möglichen Erfolg. Die Verbandsgemeinde Daun hat die Voraussetzungen für den Veränderungsprozess geschaffen. Ginge es nur um die Verbandsgemeinde Daun als Verwaltungseinheit, so würde dies reichen. Jedoch geht es um den gesamten Lebensraum der Verbandsgemeinde Daun und damit um jeden einzelnen Bürger.

Es geht um Ihre persönliche und regionale Inwertsetzung und um Ihre zukunftsorientierte Weiterentwicklung. Nur mit Ihrer Beteiligung kann dieser Prozess erfolgreich sein. Die zukunftsorientierte Weiterentwicklung wird dann großartig gelingen, wenn sich langfristig ausnahmslos alle Bevölkerungs- und Berufsgruppen in diesem WEGE-Prozess positiv einbringen. Die Chance für die Verbandsgemeinde Daun ist dann sehr gut, wenn alle Bürger jene Veränderung mitgestalten, die sie sich tief in ihrem Herzen von der Welt wünschen. Enttäuschen Sie mich nicht. Ich komme wieder. Alles Gute bei dieser wunderschönen gemeinsamen Aufgabe.

EZ: Herr Ober, wir danken Ihnen für das sehr interessante Gespräch.
 

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