Der große INFOSAT-Internet-Ratgeber – Teil 3 LTE bringt turboschnelle Datenzukunft

Über eines war sich die Expertencrew im gut gefüllten Workshop zum Thema LTE beim 22. Medienforum NRW in Köln einig: Der neue Standard hat Potenzial und soll sobald wie möglich eingeführt werden. Bei der Veranstaltung, die in Kooperation mit dem LTE-Projekt NRW realisiert wurde, zeigten sich die Vertreter der Mobilfunkindustrie zuversichtlich, dass die Markteinführung der neuen Mobilfunkgeneration schnell vollzogen werden könne. Dadurch sei zugleich auch eine flächendeckende Versorgung ländlicher Regionen mit breitbandigen mobilen Internetverbindungen gewährleistet, versprachen die Experten. Panel-Moderator Mark Wächter, Vorsitzender der Fachgruppe Mobile im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) verdeutlichte plastisch die insgesamt gestiegenen Anforderungen, die auch vor den urbanen Gebieten keinen Halt machen: „In den Ballungszentren sind einige Frequenzbereiche schon jetzt überlastet. Die Erfolgsgeschichte des iPhones seit 2007 hat zu einem rapiden Anstieg der Datenmenge im Mobilfunknetz geführt. Ein Youtube-Video auf dem Handy entspricht in etwa der Größe von 500.000 SMS“. Das Beispiel macht deutlich, dass der Datenhunger beliebter Anwendungen einen Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten unabdingbar macht.

Die ehrgeizigen Pläne der Mobilfunkbetreiber

Speziell die Netzbetreiber, die sich bei der Auktion der Bundesnetzagentur Frequenzblöcke im besonders begehrten 800-MHz-Bereich – die durch die digitale TV-Umstellung frei geworden sind – gesichert hatten, wollen nach eigenen Aussagen noch dieses Jahr mit dem Aufbau des LTE-Netzes beginnen. Zwischen 1,3 und 1,42 Milliarden Euro haben Telekom, Vodafone und O2 für die Frequenzen hingeblättert – eine Investition, die sich schon bald auszahlen soll. „Wir werden in den nächsten Monaten etwa tausend weiße Flecken, an denen bislang überhaupt kein schneller Internet-Zugang möglich ist, von der Landkarte tilgen“, unterstrich Karl-Heinz Laudan, Vice President Spectrum Technology bei der Deutschen Telekom. Dabei sind die Anbieter aufgrund der Lizenzauflagen der Bundesnetzagentur dazu verpflichtet, sich zunächst um den Netzaufbau in den ländlichen Regionen zu kümmern. Die Behörde sieht vor, dass mit den Frequenzen im 800 MHz-Bereich zunächst der ländliche Raum erschlossen werden muss – und zwar im Speziellen 90 Prozent der unterversorgten Standorte bis 2016. Die Inhaber entsprechender Frequenzen sind jedoch guter Dinge, die Vorgaben der Bundesnetzagentur vorzeitig zu erfüllen. Nicht nur zeittechnisch hat man sich ehrgeizige Ziele gesetzt, auch die Geräteindustrie arbeitet mit Hochdruck an Lösungen. Laudan geht davon aus, dass bereits im zweiten Quartal nächsten Jahres die ersten Endgeräte verfügbar sein werden. Anders wird sich einzig das Vorgehen bei E-Plus gestalten. Der drittgrößte deutsche Mobilfunk-Netzbetreiber hatte auf die Ersteigerung der teuren 800-MHz-Frequenzen verzichtet und sich stattdessen auf Blöcke im höheren Frequenzbereich zwischen 1,8 und 2,6 GHz beschränkt, die für 283 Millionen Euro zu haben waren. Diese sollen beim späteren Ausbau des Datenverkehrs in Ballungsgebieten zum Einsatz kommen. Dies berge den Vorteil, dass E-Plus nicht an Lizenzauflagen bezüglich der ländlichen Gebiete gebunden sei  und damit über die Ausgestaltung seines Netzaufbaus frei entscheiden kann, so das Statement von Dirk Poppen, Leiter des Bereichs Technology Strategy von  E-Plus. Auch betrachtet er das Ergebnis der Auktion nicht als Niederlage. Faktisch bewegten sich die vier großen Anbieter – Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus – in etwa auf dem gleichen Niveau, wenn man das Gesamtspektrum ihrer verfügbaren Frequenzen betrachte. „Wir haben keine Milliarde Euro für neue Frequenzen ausgegeben, und müssen diese Kosten dementsprechend nicht an unsere Kunden weitergeben“, führte Poppen aus.

Geschwindigkeit fürs Land – Gebäudedurchdringung für die City

Wer bisher das Pech hatte, in einem der „weißen Flecken“ zu leben und weder via DSL noch über das Fernsehkabel online gehen konnte, darf sich schon bald über einen adäquaten Breitbandanschluss freuen. Die Netzbetreiber werden in den nächsten Monaten massiv in die Infrastruktur investieren. Damit es hierbei nicht zu bösen Überraschungen kommt, hat die Bundesnetzagentur vorgesorgt und bereits vorab die Bewerber aussortiert, deren Finanzkraft als zu unsicher für das Vorhaben eingestuft wurde. Somit ging der Zuschlag an die großen Player der Mobilfunkbranche: Telekom, O2 und Vodafone erhielten die begehrten 800-Megaherz-Frequenzen. Diese versprechen nicht nur für Landbevölkerung eine Menge Vorteile. Auch in der City wird man hiervon über kurz oder lang profitieren, denn die Reichweite entsprechender Sender ist hiermit höher und vor allem die Gebäudedurchdringung ist um einiges besser als es mit höheren Frequenzen möglich wäre. Brancheexperten gehen davon aus, dass im urbanen Raum mittels LTE reale

Datenübertragungsraten von bis zu 70 Megabit pro Sekunde (Mbps) machbar sein werden. Im Vergleich dazu liegen reale Spitzen mit HSDPA, das nominell 3,6 Mbps ermöglicht, im Bereich von etwa zwei Mbps. Doch vorab müssen sich die Stadtbewohner noch ein wenig in Geduld üben, denn die Netzbetreiber lassen keinen Zweifel an ihrer Ausbaustrategie: Zuerst stehen die Breitbandwüsten auf der Agenda. Auch der Vodafone-Experte bestätigte dieses Vorgehen „von außen nach innen“  im Rahmen des Medienforums NRW.  „Erst wenn wir in einem Bundesland neunzig Prozent dieser Gebiete versorgt haben, können wir uns den Städten widmen“, erklärte Ralf Gawlyta, Technik-Regionalleiter für Nordrhein-Westfalen bei Vodafone. Hierbei wolle man zuerst die kleinsten Orte mit weniger als 5.000 Anwohnern aufrüsten. Einzig bei E-Plus wird sich die Roadmap anders gestalten. „Da wir keine 800-MHz-Blöcke gekauft haben, werden wir das Land parallel ausbauen“, erläuterte Poppen das angedachte Vorgehen.

Diskussion ums Störpotenzial  ebbt nicht ab

Der neue Mobilfunkstandard stand in den letzten Monaten im Kreuzfeuer der Kritik. Da lag es in der Natur der Sache, dass die Expertenrunde auch im Rahmen des Workshops mit dem Thema konfrontiert wurde und sich entsprechenden Anfragen aus dem Publikum stellen musste. Noch immer befürchten Kritiker, dass es durch die neuen Mobilfunkfrequenzen zu massiven Störungen bei der Nutzung des terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) und drahtloser Mikrofon-Technik kommen könne. Der O-Ton der vier Branchenvertreter ließ aber keinen Zweifel daran, dass man glaubt, die Lage unter Kontrolle zu haben. „Die Horrorszenarien sind maßlos überzogen“, kommentierte Laudan und verwies dabei auf Studien aus der Schweiz, die gerade mal eine Störungswahrscheinlichkeit von rund 0,02 Prozent prognostizieren. Die Panikmache sei übertrieben und die Schreckensvisionen würden sich in der Realität nicht zeigen. Gawlyta verwies sogar auf eigene Feldversuche und die funktionierende Kommunikation mit allen Beteiligten. „Die Ängste und Befürchtungen sind bei weitem viel größer als die Realität. Auch für etwaige Probleme werden wir sicherlich eine Lösung finden“, versprach der Technikexperte von Vodafone.

Ausbau der Infrastruktur:
Ein kostspieliges Vergnügen

Die Investitionen gehen weit über den Ausbau der Netze hinaus. Es ist noch nicht einmal eine große Sache, bestehende Funkmasten aufzurüsten. Die Verbindungen zwischen den Mobilfunkmasten und den Hochgeschwindigkeitsnetzen (Backbones), die mit Glasfaser ausgestattet werden, werden jedoch ordentlich zu Buche schlagen. Gerade dann, wenn die Netze schneller werden, wächst auch der Datendurchsatz. Wenn das Netz die angekündigte Übertragungsrate von bis zu 100 Megabit je Sekunde bewältigen soll, dann muss auch die hierfür notwendige Infrastruktur mitwachsen. Hierfür sind Summen notwendig, die erst einmal verdient werden müssen. Während sich die Nutzer über den Komfort der kostengünstigen Flatrates freuen, könnte der Pauschaltarif für die Netzbetreiber zum Dilemma werden. Hiermit lässt sich heute kaum genügend Umsatz generieren, der Spielraum für Milliardeninvestitionen verspricht. Brancheninsider hegen die Befürchtung, dass die Tage der Flatrate gezählt sind und Anbieter über kurz oder lang wieder zu Volumentarifen wechseln – keine schönen Aussichten für den Kunden. Aktuell steht auch noch nicht fest, wie sich die LTE-Tarife entwickeln werden. Es ist aber davon auszugehen, dass hierbei der Kunde verstärkt zur Kasse gebeten wird, um die Kosten für die ersteigerten Frequenzen und den Ausbau der Infrastruktur zu refinanzieren. Zudem stellt sich immer mehr die Frage, wer letztendlich die wahren Gewinner der vierten Mobilfunkgeneration sein werden. So wird u.a. bei Google und Apple und anderen Anbietern von Hardware und Diensten im Rahmen des mobilen Internets in wenigen Monaten erheblich der Rubel rollen, ohne dass die Unternehmen vorab investieren mussten – ein Fakt, der bei so manch einem Netzbetreiber einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen dürfte.
Schöne neue LTE-Welt
Die Anwendungsmöglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards klingen vielversprechend und euphorisch. Dennoch sei als Applikation zuerst der klassische Telefon- und Internetanschluss erwähnt, der dank der gigantischen Datenübertragungsraten erstmals eine echte Alternative zu DSL, VDSL und Kabelinternet bieten kann. VoIP in Verbindung mit LTE liefert auch den Ersatz für die Festnetztelefonie, so dass Komplettpakete aus Surfflatrate und Telefonflatrates auch mittels LTE machbar sind – was allerdings keine große Überraschung ist. Als echte Killerapplikationen werden jedoch Fernsehen und HDTV gefeiert, denn hinsichtlich
Video- und Rundfunk wird LTE die Übertragungsqualität revolutionieren. Das sind Argumente, die auch schon bei den Sendern angekommen sind. Daher engagiert sich auch der WDR bereits im Rahmen des „LTE-Projekt NRW“. Hochauflösende Fernsehbilder werden über kurz oder lang zum Standard gehören, ebenso wie Videokonferenzen in HDTV. Mit ein bisschen Glück könnte 4G sogar dem schon fast wieder in der Versenkung verschwundenen Handy-TV auf die Sprünge helfen. Daneben werden insbesondere die Freunde des mobilen Surfens von LTE profitieren. Man geht davon aus, dass mobile Flatrates mittels LTE den Durchbruch zum Massenmarkt schaffen werden, denn der Spaß am mobilen Surfen wurde durch die hohen Preise bisher erheblich getrübt. Voraussetzung hierfür sind dementsprechend faire  Preismodelle, die den Kunden auch überzeugen können. Darüber hinaus steht eine Fülle innovativer Anwendungen rund um den professionellen Bereich, den Gesundheitssektor und sogar im Automobilbereich zur Debatte. Bisher ist das „rollende Internet“ jedoch ein Privileg der Luxusklassewagen. In Zukunft könnte LTE hier nicht nur das bisher eingesetzte HSDPA ersetzen, sondern auch die Mittelklassewagen mit entsprechenden „In Car Systemen“ aufrüsten.

LTE als Wachstumstreiber

Es wird telefoniert wie selten zuvor. Kurzmitteilungen, Bildnachrichten, Musikdateien und sogar Youtube-Videos fliegen über den Äther – dennoch ist die einstige Goldgräberstimmung des Mobilfunksektors ist längst vorüber. Der aggressive Preiswettbewerb der Anbieter forderte über die Jahre seinen Tribut. Allein über Telefonie lässt sich kein Geld mehr verdienen und auch UMTS hat nicht das eingespielt, was man sich erwartungsvoll einst von dem Datenturbo versprochen hat. Nun blickt die Wirtschaft voller Optimismus auf die vierte Mobilfunkgeneration und hofft, dass sich hiermit das Ruder wieder rumreißen lässt. Speziell das mobile Internet gilt als Hoffnungsträger der Branche. Der innovative Mobilfunkstandard soll völlig neue Anwendungen auf mobilen Endgeräten ermöglichen. Denkbar wären hochauflösende Videoübertragungen, Multiplayer-Online-Spiele oder sekundenschnelle Downloads riesiger Dateien. Was das turboschnelle Datenvergnügen den Nutzer letztendlich kosten wird und wie konkrete Geschäftsmodelle aussehen werden, steht allerdings noch in den Sternen. LTE wird erst gegen Ende des Jahres ein Thema sein, daher liegt es auf der Hand, dass man sich aktuell noch mit der Ankündigung von Preismodellen bedeckt hält. Allerdings ließ Vodafone Deutschland Chef Joussen bereits vor einigen Wochen in den Medien durchblicken, dass sich die künftigen LTE- Tarife preislich nach oben absetzen werden. Daher liegt es im Bereich des Möglichen, dass es auf ein Zwei-Klassen-Netz hinausläuft, in dem Kunden, die den neuen, superschnellen Standard nutzen möchten, draufzahlen müssen. E-Plus-Kunden könnten jedoch Glück haben. Zumindest hat Poppen im Themenpanel beim Medienforum NRW angekündigt, dass man die Vorteile im Rahmen der Frequenzauktion an den Kunden weitergeben möchte.

Projekt geglückt: Erster LTE-Anruf im 800 MHz-Bereich

Im Frequenzbereich bei 2.600 MHz klappt’s schon länger, nun hat es auch auf der 800er-Ebene geklappt: ein Telefonat via LTE-Technik. Durchgeführt wurde der Test von Nokia Siemens Networks, dem Konsortium, das auch die Basisstation zur Verfügung gestellt hat. Zugleich war das der vielleicht letzte wichtige Test mit einem Funkmodem der Marke Nokia. Der Test soll dazu beitragen, die 800er Frequenzen möglichst schnell zu nutzen.

Weitere Informationen unter:
www.ltemobile.de
www.lte-projekt-nrw.de
www.o2online.de
www.t-mobile.de
www.vodafone.de
www.eplus.de

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