TechniSat lässt den deutschen Kammerzwang in den Industrie- und Handelskammern vom Europäischen Petitionsausschuss überprüfen

Brüssel. Der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments hat sich am 19.Juni 2012 mit der Rechtsmäßigkeit der deutschen Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern befasst. Vor einem Jahr hatte TechniSat zusammen mit fünf weiteren Unternehmen den Europarechtler der Universität Köln, Prof. Dr. Kempen, beauftragt, die Vereinbarkeit des deutschen Kammerzwangs mit Europarecht zu prüfen.

Die Petition kommt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern sowohl gegen die europäische Niederlassungsfreiheit, die europäische Dienstleistungsfreiheit, die europäische Dienstleistungsrichtlinie und das europäische Demokratieprinzip verstößt und diese Verstöße nur durch die Abschaffung des Kammerzwangs beseitigt werden können.

Mündliche Behandlung der Petition im Petitionsausschuss – bedeutender Etappensieg

Schon die Tatsache, dass der Petitionsausschuss die Petition gegen den deutschen Kammerzwang zur Entscheidung angenommen hat und den Unternehmen zusätzlich noch die Gelegenheit gibt, ihr Anliegen persönlich im Ausschuss vorzutragen, ist ein großer Erfolg und keine Selbstverständlichkeit. Etwa 80% aller Petitionen werden als unzulässig abgewiesen; von denen die zur Entscheidung angenommen werden, werden die meisten im schriftlichen Verfahren entschieden. „Dass TechniSat mit den übrigen Petenten die Möglichkeit bekommt, die Kritik an den deutschen IHK-Pflichtmitgliedschaft persönlich vorzutragen, zeigt, dass der Petitionsausschuss den Verstößen gegen das EU-Recht hohe Bedeutung beimisst.“, so Andrea Rätz-Schröder, Juristin der TechniSat Digital GmbH.

Politischer Druck auf die deutsche Bundesregierung

„Schon jetzt zeigt sich, dass wir mit unserer Kritik an der Zwangsmitgliedschaft auf europäischer Ebene mehr Beachtung finden als in Deutschland“, so Rätz-Schröder weiter. Durch die Petitionseinlegung will TechniSat erreichen, dass der Petitionsausschuss sowohl die europäische Kommission als auch die deutsche Bundesregierung zu einer detaillierten Stellungnahme auffordert. „Auf diesem Weg erreichen wir, dass sich die deutsche Bundesregierung, alle politischen Parteien und auch die DIHK als deutscher Dachverband der Industrie- und Handelskammern mit unserer Kritik am deutschen Kammersystem und den gerügten Verstößen gegen EU-Recht auseinandersetzen muss“, so Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern (bffk).

Der Bundesverband für freie Kammern setzt sich bereits seit Jahren für grundlegende Reformen im deutschen Kammersystem ein. „Wir mussten feststellen, dass die Industrie- und Handelskammern und der Dachverband DIHK starken Einfluss auf die jeweilige Kommunal- und Landespolitik haben. Grundlegende Reformen sind – quer durch alle politischen Parteien – nicht gewünscht“, so Kai Boeddinghaus weiter.

Europäisches  Unverständnis für die überholte Pflichtmitgliedschaft in Deutschland

Auf europäischer Ebene herrscht dagegen breites Unverständnis für die überholte Pflichtmitgliedschaft in Deutschland. Die meisten europäischen Mitgliedsstaaten kennen entweder keine Wirtschaftsorganisationen, die den Industrie- und Handelskammern vergleichbar wären, oder bieten den Gewerbetreibenden die Möglichkeit, sich in freiwilligen Wirtschaftsvereinigungen zusammenzuschließen. Überwiegend wird daher der Kammerzwang von Abgeordneten anderer Mitgliedsstaaten als unzeitgemäßes Relikt angesehen, das nur noch in wenigen europäischen Mitgliedsstaaten besteht.

„Besondere Brisanz bekommt die aktuelle Initiative auf europäischer Ebene dadurch, dass die spanische Regierung gerade erst – zu Beginn dieses Jahres – den Kammerzwang in Spanien abgeschafft hat. Die spanische Entscheidung steht auch in Verbindung mit einer entsprechenden Empfehlung des internationalen Währungsfonds (IWF), der in dem Instrument der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern eine Behinderung der freien wirtschaftlichen Entfaltung der Unternehmen sieht“, so Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer des bffk.

Höchste Zeit für Reformen!

Es ist höchste Zeit, dass sich der Staat aus der Verwaltung der Wirtschaft zurückzieht und die, den IHK’s übertragenen, staatlichen Aufgaben wieder selbst übernimmt. Wie in anderen europäischen Staaten, ist es auch in Deutschland denkbar, freiwillige Wirtschaftsorganisationen zu etablieren, die leistungsgerechte Dienstleistungen für ihre Mitglieder anbieten. „Die derzeitige Misswirtschaft der Industrie- und Handelskammern, wie das Abschöpfen von Mitgliedsbeiträgen ohne Gegenleistung oder das Horten von Pensionsrückstellungen für einen aufgeblähten Verwaltungsapparat muss ein Ende haben.“, so Andrea Rätz-Schröder, Juristin der TechniSat Digital GmbH. 

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