Sie geben noch nicht auf

Ürzig. Im Wittlicher Tal stehen schon jede Menge Brückenbauwerke im Rahmen der angestrebten „großen“ Verkehrslösung: Die Eifel soll durch den Anschluss an den Rhein-Main-Raum einen schnelleren Zugang zu den Industriezentren Europas bekommen. Die nach wie vor umstrittene  Brücke bei Ürzig, der so genannte Hochmoselübergang, steht jedoch noch nicht.

Und solange das so ist, wollen die Grünen weiterkämpfen. Gemeinsam mit Winzern und prominenten  Weinkennern aus aller Welt. In der vergangenen Woche besuchte eine Politgröße die Mosel: Die ehemalige Verbraucherministerin und Berliner Grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast war nach Ürzig angereist, um ihre Kollegen und Kolleginnen vor Ort zu unterstützen. Sie war auf dem Ausflugsschiff unterwegs, ein denkbar angenehmer Ort für sommerliche Protestveranstaltungen.

Es gibt auch Bürger, die in der gigantischen Brücke oberhalb der Mosel, der Wingerten und der  romantischen Dörfer einen Segen für die Wirtschaft und den Tourismus in Region zu erkennen glauben. Die waren auch vor Ort, als Gegendemonstranten, allen voran Alexander Licht, Landtagsabgeordneter für die CDU. 10.000 Unterschriften will er sammeln pro Hochmoselüberquerung, und das innerhalb nur weniger Wochen. Mit seiner Ansicht steht Licht keineswegs allein da: Außer den Grünen sind sämtliche Parteien für den Bau der Brücke.

Am Donnerstag war erst einmal die Stimmung gut. Da mit 330 Millionen Baukosten für das Monument einschließlich der zu- und abgehenden Straßen gerechnet wird, ließen die Brücken-Gegner 330 Gasluftballons starten. „(Er) sparen wir uns den Hochmoselübergang“, stand darauf zu lesen. Dass diese Vokabel ganz und gar falsch sei, darauf macht der Wittlicher Hermann Bornmüller jenseits jeder  Stellungnahme pro oder contra Brückenbauwerk immer wieder aufmerksam. Es gebe keine Hochmosel, also könne das Ding doch allenfalls „Moselhochübergang“ heißen.

Hochmoselübergang

Auch die Grünen stimmten 2003 für den Hochmoselübergang

Zur Teilnahme der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast an der heutigen Veranstaltung im Zusammenhang mit der Hochmoselbrücke B 50neu erklärt die Sprecherin des Verkehrsministeriums:

„Fakt ist und bleibt, dass Anfang 2003 im damaligen Kabinett der Rot-Grünen Bundesregierung der Bundesverkehrswegeplan 2003 beschlossen worden ist. Und Frau Künast war von 2001 bis 2005 Mitglied dieses Kabinetts, als Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

 Auch das anschließende Gesetzgebungsverfahren, mit dem der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004 parlamentarisch in Bundestag und Bundesrat gesetzlich festgeschrieben worden ist, wurde mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabschiedet. Während verschiedene Projekte in letzter Minute noch im parlamentarischen Verfahren insbesondere auf Drängen der GRÜNEN scheiterten (in Rheinland-Pfalz: kein Bedarf für die Rheinbrücken bei Nierstein und bei Altrip) oder nachrangig eingestuft wurden (B 51 Moselaufstieg Trier), stand das Projekt B 50neu mit Hochmoselübergang während sämtlicher Beratungen weder auf dem fachlichen noch auf dem parlamentarischen Prüfstand.

Der Bedarf für das Vorhaben – es handelt sich um ein Bundesfernstraßenprojekt in der Baulast des Bundes – wurde durch den Deutschen Bundestag gesetzlich festgestellt und ist damit demokratisch legitimiert.  Die Gerichte haben die Planung in einem mehrjährigen Rechtsstreit, der bis zu dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht ging, mehrmals überprüft und danach letztlich als ausgewogen und umweltkonform bestätigt. Klagen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Verträglichkeit der Planungen mit den Belangen des Umweltschutzes bezweifelte, hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2008 endgültig abgewiesen. Die Richter bestätigten: Wegen der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen ist der Hochmoselübergang mit dem deutschen und dem europäischen Naturschutzrecht vereinbar und entspricht auch im Übrigen den rechtlichen Anforderungen.

Der Hochmoselübergang bringt eine nachhaltige Aufwertung der Verkehrsinfrastruktur in Eifel, Hunsrück und Moselregion mit sich. Diese bessere Erreichbarkeit bringt in der Folge auch die Ansiedlung und die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region mit sich. Dies alles sind Beiträge, um auch die jungen Menschen und ihre Familien in den ländlichen Räumen zu halten.

Auch die Transportwege werden kürzer – die überregionalen Fernverkehre werden über das Tal geführt, das Moseltal wird von Lärm und Abgasen entlastet. Zusätzliche Impulse ergeben sich auch für den Flughafen Frankfurt-Hahn. Es handelt sich hier um ein Straßenbauprojekt von europäischer Bedeutung, es ist Teil einer großräumigen europäischen West-Ost-Achse, die den niederländischen und belgischen Raum mit dem Rhein-Main-Gebiet und Südwestdeutschland verbindet.“

Künast unterstützt Pro-Mosel im Protest gegen Hochbrücke*

Ürzig. Auf einer Veranstaltung unter dem Motto „330.000.000 Euro – (er)sparen wir uns den Hochmoselübergang" unterstützte die Grünen Fraktionschefin Renate Künast erneut die Proteste gegen den Bau des geplanten Hochmoselübergangs, die umstrittene 25 Kilometer lange Kraftfahrtstraße durch die Moselhöhen und das Mittelmoseltal.

Mitten in einer Bilderbuchkulisse, welche auf extreme Weise vom Brückebau gefährdet wäre, bekräftigten die Redner die Entschlossenheit, den Protest fortzusetzen und auf ein Ende der Bautätigkeit zu drängen. Man war sich einig, dass das Projekt nicht nur der Kulturlandschaft und dem Wein großen Schaden zufügen würde, sondern zudem noch veraltet und verkehrspolitisch unangemessen ist. "Wir werden auch auf Bundesebene alles unternehmen, um diesen Bau zu verhindern", sagte Renate Künast unter dem Applaus der Gäste. Höhepunkt der Veranstaltung war eine spektakuläre Ballon-Aktion mit anschließender Übergabe eines "Sparpakets" durch die Bürgerinitiative Pro-Mosel.*

Der Nachmittag begann bei strahlendem Sonnenschein mit einer Schifffahrt von Bernkastel aus, vorbei an der längsten Riesling-Steillage der Welt, an Sonnenuhren, zwei Himmelreich-Lagen und dem heiligen Kunibert, vorbei an Kulturdenkmälern, wie Kloster Machern und der römischen Kelter vor Ürzig. Weder Betonpfeiler noch Baulärm störten die Idylle – so kennt man die Region von Filmen wie "Moselbrück" oder "Moselfahrt aus Liebeskummer" her.

Ortskundige der Bürgerinitiative Pro-Mosel machten dabei Frau Künast, Medienvertretern und angereisten Gästen, darunter Dr. Erwin Manz, Geschäftsführer des BUND Rheinland-Pfalz, Mario Pott, Vorsitzender des VCD im Land sowie Ecovin-Bundesgeschäftsführer Ralph Dejas deutlich, wie das Mammutprojekt diese Augenweide zerstören würde und wie die vierspurige Trasse über die Moselhöhen verlaufen soll mit dem Risiko, den Weinbergen das Wasser abzugraben. Auf einer Weinbergs-Schiefermauer wurde die Inschrift "Die Mosel weint – Bildung statt Brücke" sichtbar.
Es braucht wohl viel Phantasie sich die Brücke vorzustellen, wurde doch scherzhaft nach einem Modell gefragt. Die aus Mainz angereisten grünen Landesvorsitzenden Eveline Lemke und Daniel Köbler stellten fest, dass es doch jetzt schon ausreichend Brücken an der Mosel gebe.

Mit einem Sprechchor "Brückenbau – Gelderklau", Transparenten, Fähnchen und T-Shirts wurde Frau Künast von Moselanern an der Anlegestelle in Ürzig begrüßt. Auch zwei Dutzend Brückenbefürworter hatten sich, offenkundig überwiegend aus der Region um den Flughafen Hahn im Hunsrück kommend, eingefunden und waren mit dem Landtagsabgeordneten der CDU, Alexander Licht, und dem Sprecher der Geschäftsführung des Flughafens Hahn, Jörg Schumacher, vertreten. "Machen die hier vom Hahn einen Betriebsausflug", fragte jemand in die Menge.

Am gastgebenden Weingut "Rebenhof" angekommen eröffnete Jutta Blatzheim-Roegler, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen in Rheinland-Pfalz, die Protestaktion: "Mit dieser Aktion heute wollen wir die Landes- und Bundesregierung an ihre Verantwortung für die Steuerzahler und das Moseltal mit seinen Bewohnern erinnern. Noch kann die Bedrohung des Mittelmoseltals zwischen Zeltingen-Rachtig und Ürzig mit seinen weltberühmten Weinlagen und einer einmaligen Landschaft und Natur im Naherholungsgebiet ´Moselsporn´ gestoppt werden.

Das Festhalten an einer Brücke, die vor allem dem Transitverkehr und der Anbindung des defizitären Flughafens Hahn dienen soll, ist den heutigen Anforderungen ökonomisch effektiver Infrastrukturmaßnahmen nicht angemessen." Renate Künast und Grünen-Bundestagsmitglied Ulrike Höfken verurteilten das Projekt und die hier federführende Landesregierung. "Ökologisch verheerend, auch im Hinblick auf die Zerstörung des Naherholungsgebietes Moselsporn, und ökonomisch unverantwortlich“, fasste Künast die wesentlichen Ablehnungsgründe zusammen. Künast kündigte an, bei den anstehenden Haushaltsberatungen im Bundestag zu beantragen, die öffentlichen Mittel für das Projekt nicht freizugeben.

Das ursprünglich mit privaten Investorengeldern geplante Vorhaben soll nach Beschluss der großen Koalition vom Dezember 2008 ausschließlich mit Steuergeldern finanziert werden. Die Ortsvorsteherin von Wehlen, Gertrud Weydert, ging auf die Risiken des Wasserhaushaltes ein und forderte ein unabhängiges Gutachten. Dann wurden 330 rote Luftballons ins reinste Himmelsblau entlassen – jeder von ihnen mit einer Million Euro beschriftet, womit das sich verflüchtigende Steuergeld symbolisiert wurde. Elisabeth Reis sprach als Hauptpetentin im Bundestag über den Stand der Petition –mittlerweile liegen rund 18.000 Unterschriften vor – und informierte, dass bis zur Behandlung der Petition im Petitionsausschuss im Herbst weiterhin unterschrieben werden könne.

„Das Herz der Mittelmosel darf nicht durchstochen werden!", so Reis unter dem Beifall der Anwesenden.  Pfarrer Henrich aus Traben-Trarbach wies in einer sehr nachdenklichen Rede auf die Missachtung der Moselregion und ihrer Werte hin; es sei eine Planung ohne Bezug zu den hier lebenden Menschen und ihrer Existenzgrundlage gewesen. Rudolf Trossen berichtete über den nunmehr 30-jährigen Protest-Geschichte zur Hochmoselbrücke. Bereits 1980 habe er an der ersten Traktordemonstration gegen den Hochmoselübergang teilgenommen. Anschließend wurde Frau Künast ein großes "Sparpaket"  übergeben mit dem Auftrag, dieses an der richtigen Stelle — dem Finanzministerium in Berlin abzugeben. Künast und Höfken sagten zu, das Paket weiterzuleiten.

Ob Sucellus, der keltische Weingott aus Kindel wohl schräg über die Mosel lugte? Der heilige Petrus jedenfalls blieb bei bester Laune – er war wohl an diesem Tag wirklich auf der (Pro-)Mosel-Seite.
 

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