Nürburgring-Affäre: Deubel, Kafitz, Richter/Mediinvest plus 5 Weitere im Visier der Ermittler

Die Nürburgring-Affäre mutiert längst zum größten Skandal, den es in der Geschichte von Rheinland-Pfalz je gegeben hat. Am Ende werden es schätzungsweise 400 Millionen Euro sein, die das Land für eine an Bau- und Funktionsmängeln nur so strotzende Freizeiteinrichtung ausgegeben hat. Lange bevor die Planungen konkret geworden sind, hat der Branchenkenner und Journalist Wilhelm Hahne vor diesem irrsinnigen Projekt gewarnt. Alle Warnungen der Eifel-Zeitung, des SWR und www.motor-kritik.de hat mehr oder weniger die Landesregierung „mit Füßen getreten“. 

Mit allen Mitteln, bis hin zur Hausdurchsuchung ist der Staatsapparat gegen gewisse Medien und Presseleute vorgegangen. Sozusagen unter dem Schutz der SPD-Landesregierung war es vielen Beteiligten möglich, sich nach „Strich und Faden“ die Taschen voll zu machen.  Erst jetzt, ein Jahr nach der Eröffnung des Prestigeobjekts, sieht es so aus, als ginge es einigen Akteuren an den Kragen. 

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat nach mehrwöchiger Prüfung am 22.06.2010 ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue und Betruges von Amts wegen förmlich eingeleitet. Es richtet sich nach aktuellem Stand gegen

1. den früheren Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH (NG) – Walter Kafitz
2. den früheren Finanzdirektor der NG – H.-Jürgen Lippelt
3. den Leiter Controlling der NG – Michael Nuss-Kaltenborn
4. den früheren Vorsitzenden des Aufsichtsrat der NG – Ingolf Deubel
5. den Verantwortlichen der Pinebeck Nürburgring GmbH (PNG) – Michael Merten
6. den Geschäftsführer der Mediinvest – Kai Richter
7. den früheren Geschäftsführer der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) und heutigen Kredit-Mediator der Bundesregierung – Hans-Joachim Metternich, der von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) berufen wurde.
8. den Geschäftsführer der Rheinland-Pfälzischen Gesellschaft für Immobilien und Projektmanagement GmbH (RIM).

Da muss man sich fragen: warum erst jetzt? Ging doch bereits am 21.02.2009 die 1.Strafanzeige eines Antragstellers in Koblenz gegen alle oben aufgeführten Personen ein. Auch die von diesem Antragsteller angeführten Straftatbestände decken sich mit denen der aktuellen aufgeführten fast unisono bis hin zum Verdacht des Betruges und der Zweckentfremdung öffentlicher Mittel. Diese damalige Strafanzeige wurde aber schon mit Datum vom 24.02.2009, also 3 Tage später (Karnevalsdienstag) durch die gleiche Staatsanwaltschaft in Koblenz niedergeschmettert.

Interessant war bei dieser Ablehnung, dass der Staatsanwalt damals den Straftatbestand „UNTREUE“ mit aufgeführt hatte, obwohl dieser so direkt nicht in der Strafanzeige benannt worden ist.

Auch bei den Ablehnungen von Dienstaufsichtsbeschwerden sprach die Staatsanwaltschaft Koblenz von dem Begriff „UNTREUE“. Liest man einmal genau den Text dieser Strafanzeige vom 21.02.2009, stellt man fest, dass der Antragsteller die Staatsanwaltschaft darum gebeten hatte, „ weitere, im Zusammenhang stehende und von der Staatsanwaltschaft Koblenz festzustellenden Straftatbestände, zu verfolgen. Demzufolge dürfte die Staatsanwaltschaft damals schon gewusst haben, dass „UNTREUE“ im Raum stand, denn sie hatte diesen Straftatbestand damals selbst erkannt.

Heute heißt es aus Koblenz: Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat aufgrund der Erkenntnisse aus dem wegen des Verdachts des Provisionsbetruges am 30.07.2009 förmlich eingeleiteten Verfahrens zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Beschuldigten an der missbräuchlichen Verwendung staatlicher Mittel mitgewirkt haben. Dieser Verdacht ergibt sich aus der Tatsache, dass vorgeblich private Investoren in einem erheblichen Umfang mit Krediten der ISB und Mitteln aus dem Liquiditätspool des Landes Rheinland-Pfalz versorgt und dabei in mehreren Fällen ohne wirtschaftlichen Gegenwert erhebliche Provisionen vereinbart und teilweise bezahlt wurden.

Hintergrund hierfür war eine nach Erkenntnissen des Rechnungshofes vom 11.07.2007 stammende schriftliche Festlegung des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden und des Hauptgeschäftsführer der NG gegenüber der Verbandsgemeinde Adenau, dass die Investitionen am Nürburgring im Bereich Hotel, Motorsport-Village und Gastronomie zu 100% und das Gesamtprojekt zu 50% privat finanziert werden würden. Dieses Finanzierungsmodell wurde auch gegenüber dem Landtag Rheinland-Pfalz und der Öffentlichkeit kommuniziert. In Wahrheit wurde das Projekt nach den Feststellungen des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz zu 90,2% aus staatlichen Mitteln finanziert.

Nach einer Aussage im Untersuchungsausschuss „Nürburgring GmbH“ des Landtags Rheinland-Pfalz wurde die Umleitung staatlicher Gelder über Pinebeck-Konten lediglich gewählt, um bei Nachfragen behaupten zu können, die Gelder stammten von einem privaten Investor und nicht aus Landesmitteln. Die gewählten Vertragsgestaltungen, aus denen sich die Provisionszahlungen ergaben, dienten dieser Aussage zufolge der Täuschung der Öffentlichkeit und begründen daher den Verdacht des – als vorsätzliche Untreue (§ 266 des Strafgesetzbuches) strafbaren – Missbrauchs staatlicher Mittel.

Nach aktuellem Stand der Ermittlungen erfolgte die erste Provisionszahlung im Zusammenhang mit einem Darlehen von 3.000.000 EUR, dass die NG im Oktober 2008 über die PNG der Motorsport Resort Nürburgring GmbH (MSR) zur Verfügung gestellt hat. Dabei vereinbarte der frühere Hauptgeschäftsführer der NG mit dem Verantwortlichen der PNG für den Umweg über das PNG-Konto eine Provision von brutto 59.500 EUR. Das begründet nach den bisherigen Ermittlungen den Verdacht der Untreue bzw. Beihilfe zu diesem Vergehen. Die Mittel für das Darlehen stammen nach derzeitigem Kenntnisstand aus dem Liquiditätspool des Landes. Der Leiter Controlling NG hatte in unmittelbarer zeitlicher Nähe 10.000.000 EUR zur Begleichung von Lieferantenrechnungen beim Finanzministerium angefordert, aus denen nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die Darlehenssumme abgezweigt wurde. Dies begründet den Verdacht des Betruges zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz.

Bezüglich einer stillen Beteiligung der RIM an der MSR in Höhe von 10.000.000 EUR im November 2008 besteht der Verdacht, dass die Beschlussvorlage der RIM für die ISB inhaltlich unzutreffend war. Angeblich handelte es sich um eine „kurzfristige Zwischenfinanzierung“ für ein von der ISB durch Bürgschaft abgesichertes Darlehen der Nassauischen Sparkasse (NASPA) an die PNG über 59.000.000 EUR. Zudem sollten die Mittel unmittelbar von der Mediinvest an die MST weitergeleitet werden. In Wahrheit war die Darlehensgewährung durch die NASPA im Zeitpunkt der Beschlussvorlage bereits abgelehnt. Zudem flossen die Mittel nicht direkt, sondern über die Konten der PNG. Weiter sind nach aktuellem Stand der Ermittlungen keine ausreichenden Sicherheiten erkennbar.

Bei dieser Sachlage besteht bezüglich des früheren Geschäftsführers der ISB und dem Geschäftsführer der RIM der Verdacht eines strafbaren Verhaltens bezüglich der Mittel aus dem Liquiditätspool. Es könnte sich im Fall der Täuschung um Betrug, im Fall der vollen Kenntnis des Sachverhalts um eine konkrete Vermögengefährdung durch fehlende Sicherheiten und damit Untreue handeln.

Der Provision für die bloße Weiterleitung der Darlehenssumme von 10.000.000 EUR in Höhe von brutto 209.205 EUR, die zwischen dem früheren Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH und dem Verantwortlichen der PNG vereinbart wurde, steht kein wirtschaftlicher Gegenwert gegenüber. Bezüglich des früheren Hauptgeschäftsführers besteht der Verdacht der Untreue, bezüglich des Verantwortlichen der PNG und des Geschäftsführers Kai Richter der Mediinvest, der mit dem kostenträchtigen Umweg über die PNG-Konten nach aktuellem Stand einverstanden war, der Beihilfe zu dieser Tat.

Ein weiterer Tatkomplex ist die Zuwendung von insgesamt 300.000 EUR Anfang 2009 an die Pinebeck-Gruppe gegen den Willen des Aufsichtrats der NG, der am 16.12.2008 eine Vorlage der Geschäftsführung zur Kenntnis genommen und damit gebilligt hat, nach der keine Zahlungen mehr an Pinebeck erfolgen sollen. Weder für die Bereitstellung von 100.000 EUR für die Gründung einer Schweizer Gesellschaft noch für die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 200.000 EUR gibt es eine tragfähige vertragliche Grundlage oder einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund. Insoweit besteht der Verdacht der Untreue gegen alle oben genannten Funktionsträger der NG und den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden.

Im Zusammenhang mit der gescheiterten Finanzierung über einen angeblichen amerikanischen Milliardär sieht die Staatsanwaltschaft Koblenz einen weiteren Untreueverdacht in der konkreten Ausgestaltung der Provisionsabwicklung. Nach der am 29.06./01.07.2009 getroffenen Vereinbarung hatte sich die NG verpflichtet, binnen 48 Stunden nach Übergabe der Finanzierungsschecks eine Provision in Höhe von 4.000.000 EUR auf ein Schweizer Konto zu überweisen, obwohl die Überprüfung amerikanischer Schecks auf Werthaltigkeit deutlich länger dauert, mithin das Risiko fehlender Deckung bestand. Trotz eindeutiger Warnungen unterschrieb der frühere Hauptgeschäftsführer mit Einverständnis des damaligen Aufsichtsratvorsitzenden und unter Mitwirkung des Finanzdirektors und des Leiters Controlling die entsprechende Überweisung am 03.07.2009 und ließ sie auf den Weg bringen. Durch puren Zufall – einem Problem mit dem Namen der Firma, auf die das Konto in der Schweiz läuft – wurde die Überweisung nicht ausgeführt. In jedem Fall waren Mittel der NG in Höhe von 4.000.000 EUR so konkret gefährdet, dass eine vollendete Untreue in Betracht kommt.

Es gab Hausdurchsuchungen durch mehr als zwanzig Kräfte des Polizeipräsidiums Koblenz und der Staatsanwaltschaft Koblenz an sechs unterschiedlichen Orten, über die seitens der Staatsanwaltschaft noch keine näheren Angaben gemacht werden. Es wird mit der Sicherstellung umfangreicher Beweismittel gerechnet, deren Auswertung Monate in Anspruch nehmen wird. Wir sind gespannt, zu welchen Erkenntnissen die Herrschaften kommen.

 

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