Land lässt Eifelgemeinde mit 1,5 Mio Euro Verlust im Stich

Lissendorf/Mainz. Weil dieser Fall einmalig in Rheinland-Pfalz sein dürfte, ist die Eifel-Zeitung der Meinung – das sollen ruhig alle Leserinnen und Leser wissen. Das ist nämlich eine riesen Sauerei, die sich die exSPD-Landesregierung unter Kurt Beck, Karl Peter Bruch und Co. erlaubt hat. Offensichtlich sind finanzielle Zusagen der SPD-Landesregierung keinen Pfifferling wert? Lissendorfs Ortsbürgermeister weiß wovon er spricht. Nicht umsonst hat der seit über 40 Jahren ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker Anfang des Jahrs 2012 seine Ehrennadel des Landes, die ihm Ministerpräsident Beck (SPD) verliehen hatte, aus Protest wieder zurückgegeben.

Lothar Schun empfiehlt allen Bürgermeisterkollegen, Landesversprechungen mit finanziellem Hintergrund in Zukunft notariell beglaubigen zu lassen. Das von der rheinlandpfälzischen Landesregierung empfohlene Wirtschaftsförderungs-Modell „Vorausfabrik“ hat sich für Lissendorf zu einem nicht mehr händelbaren Finanz-Desaster entpuppt. Weder beim Land, noch auf der Internetseite der WFG-Vulkaneifel sucht man vergeblich nach dem großartig angepriesenen Finanzierungsmodell. 

Unterstützung erhält Lothar Schun von Verbandsbürgermeisterin Diane Schmitz. „Auch ich hatte ex Innenminister Bruch (SPD) mehrmals in Stadtkyll kennenlernen dürfen. Zusagen in Millionenhöhe für das Stadtkyller Freibad seien ihr in Aussicht gestellt worden. Passiert ist rein gar nichts. Eine Absage kam nach der Anderen“, so Schmitz im Gespräch mit der Eifel-Zeitung. 

Was war passiert?

Im Jahre 1996 beschloss der Ortsgemeinderat Lissendorf eine Immobilie nach dem  rheinland-pfälzischen Modell der Vorausfabrik zu errichten. Professor Dr. phil. Helmut Vogel (wissenschaftliche Auswertung von Projekten der Kommunalentwicklung Rheinland-Pfalz GmbH) hatte dies damals dem Lissendorfer Gemeinderat überzeugend schmackhaft gemacht. Aus steuerlichen Gründen wurde hierfür eigens eine sogenannte Wirtschaftsförderungs-GmbH gegründet.

Dabei wurden nach den Vorstellungen eines ortsansässigen Unternehmers auf dessen Betriebsgelände die notwendigen neuen Gebäude errichtet  und an diesen anschließend vermietet. Gemeinde und Land bürgten für dieses Vorausfabrik-Projekt. Die Finanzierung erfolgt je zur Hälfte durch ein zinsloses Landesdarlehen und ein Kommunaldarlehen zu Lasten der Ortsgemeinde. In den dafür vorgesehenen 5 Jahren zahlt der Mieter Miete in Höhe der anfallenden Zinsen, danach übernimmt er die Immobilie. So sollte das Modell funktionieren.

In der Folge kam es zu diversen Problemen in der Bauphase, die erhebliche Verzögerungen, Baumängel und Rechtsstreitigkeiten auslösten. In dieser Phase hatte das Land Rheinland-Pfalz in mehreren Punkten der Struktur- und Entwicklungsgesellschaft Lissendorf GmbH das Heft aus der Hand genommen und ist auf diese Art und Weise quasi selbst mitbestimmender Bauherr gewesen. Der reguläre Termin des sogenannten „Heimfalls“ konnte – bedingt durch die ganzen Probleme – nicht eingehalten werden.

Preis wurde ausgehandelt

Die Gesamtkosten des Bauvorhabens betrugen ca. 2.500.000 Euro. Da es Baumängel etliche gab, deren Beseitigung erhebliche Kosten verursachte und zudem die juristische Aufarbeitung der Schuldfrage sehr schwierig war und sich noch Jahre durch die Instanzen hinziehen könnte, wenn es keine vergleichsweise Einigung gegeben hätte, war zum geplanten Zeitpunkt eine Übergabe an den Mieter (der so genannter „Heimfall“) zum geplanten Preis nicht möglich. In dieser Phase gab es ein Treffen in Lissendorf, an dem u.a. der damalige Innenminister Bruch (SPD) teilnahm.

Bei diesem Treffen wurde ein Preis von 1.500.000 Euro ausgehandelt, sodass definitiv ein Verlust zu Lasten der Struktur- und Entwicklungsgesellschaft Lissendorf GmbH  in Höhe von 1.000.000 Euro verblieb, möglicherweise bei Ausbleiben von Zahlungen aus einem Besserungsschein in Höhe von 500.000 Euro sogar von 1.500.000 Euro.

Bruch macht Zusagen

Auf mehrfaches Nachfragen hin wiederholte exInnenminister Bruch (SPD) damals die bereits vorher an andere Gesprächsteilnehmer gegebene Zusage, dass die Ortsgemeinde Lissendorf keinen Schaden erleiden sollte und ein sogenannter „Katastrophenfonds“ des Landes Rheinland-Pfalz und die „Kreativität“ der ADD hierbei helfen werde.

Onnertz:“…Land bezahlt!“

Aufgrund dieser wörtlich zu nehmenden Minister-Zusage konnte Ortsbürgermeister Schun dem Gemeinderat empfehlen, die Vorausfabrik zu vorgenannten Konditionen zu verkaufen. Damit war ein Verlust von 1.000.000 Euro zu Lasten der Gemeinde Lissendorf zunächst „zementiert“. Bei dieser Gemeinderatssitzung war damals auch Landrat Heinz Onnertz anwesend, der diesen Sachverhalt bestätigte. Onnertz hatte bei diesem Termin der Gemeinde auch geraten, entsprechend so vorzugehen. Landrat Onnertz habe der Gemeinde mitgeteilt: Alles wird gut, dass Land bezahlt“, so Schun. Übrigens war auch SPD-Landtagsabgeordnet Astrid Schmitt in den Fall involviert, wie Ortsbürgermeister Schun bestätigt. Getan hat sie für Lissendorf scheinbar recht wenig, obwohl sie bis zur letzten Landtagswahl im März 2011 noch Vorsitzende des Finanzausschusses war.       

Im November 2010 schrieb Ortsbürgermeister Schun dann  den damaligen Minister Bruch (SPD) an und erhielt zunächst keine Antwort. Schun: „Ich bin ehrlich genug zuzugeben, dass ich damals überlegt hatte, die Zeit vor der Landtagswahl zu nutzen, um politisch Druck aufzubauen“. Im Vertrauen auf die Minister-Zusage und aus Fairnessgründen hat Ortsbürgermeister Schun dies nicht getan.

4 Tage nach der Wahl sagt Bruch ab  

Dann aber erhielt Schun vier Tage nach der Landtagswahl Ende März 2011 eine Absage, in der Minister Bruch offensichtlich nichts mehr von seinen Versprechungen wissen wollte und die Gemeinde auf den kommunalen Entschuldungsfonds verweist. Dabei bleibt festzuhalten, dass der Entschuldungsfonds nur auf Basis des Kassenkredits zum 31.12.2009 basiert und Investitionskredite nicht berücksichtigt. Ein Verbleiben der Ortsgemeinde auf 1.000.000 Euro Verbindlichkeiten aus dieser Aktion kann bzw konnte jedoch nie aus eigenen Kräften geschultert werden. Das wusste Herr Bruch sehr genau.

Das Datum dieses Minister-Schreibens war merkwürdigerweise handschriftlich eingetragen und es dürfte wohl jedem klar sein, dass es bereits vor der Landtagswahl geschrieben worden ist.  Ein Schelm, wer behauptet, Minister Bruch hätte innerhalb von 2 Tagen nach dem Landtagswahlkampf und der Landtagswahl eine solche ablehnende Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung hat Bruch zweifellos schon Monate vor der Landtagswahl getroffen. 

„Gutheit ist Dummheit“

Ortsbürgermeister Schun bringt es auf den Punkt: „Insbesondere dieser zeitliche Ablauf ist unfair, um es mit sanften Worten auszudrücken und trifft mich besonders hart. Besonders hart deshalb, weil offensichtlich die Landesregierung an anderen Stellen Geld genug hat und ich als Geschäftsführer der gemeindeeigenen GmbH seit Anbeginn meiner Tätigkeit als Geschäftsführer auf die mir zustehende Aufwandsentschädigung als Geschäftsführer verzichtet habe. Damit habe ich der Ortsgemeinde bis heute einen Betrag von ca. 50.000 Euro erspart. Leider muss ich nun feststellen, dass die Redewendung „Gutheit ist Dummheit“ vielleicht doch nicht so falsch ist“.

Ortsgemeinde und Ortsbürgermeister für dumm verkauft?

In der Zwischenzeit hat auch der Ministerpräsident Beck mit Schreiben vom 12. März 2012 geantwortet. Auch dieses Schreiben kann die Ortsgemeinde in keiner Weise zufriedenstellen! Neben den üblichen „Allgemeinplätzen“ hat auch Beck auf den kommunalen Entschuldungsfonds verwiesen. Dabei kann dieser – wenn überhaupt – nur bei den aufgelaufenen Liquiditätskrediten helfen, ist aber nicht für Investitionskredite bestimmt. Wenn der Ministerpräsident zuversichtlich ist, „dass nicht zuletzt der kommunale Entschuldungsfonds einen essentiellen Beitrag zur Gesundung der Haushalts- und Finanzsituation der Ortsgemeinde Lissendorf leisten wird.“, so spricht dies entweder

a.) für den Versuch, Ortsgemeinde und Ortsbürgermeister für dumm zu verkaufen oder

b.) für eine nicht zu überbietende Ahnungslosigkeit.

Die Ortsgemeinde Lissendorf hat per 31.12.2011 folgenden Schuldenstand:

Investitionskredite                                                                              2.763.770,92 €

Liquiditätskredite                                                                              1.699.411,86 €

                                                                                                         4.463.182,78 €

Höchste pro Kopfverschuldung in Rheinland-Pfalz

Bei 1.119 Einwohnern mit Erstwohnsitz macht dies ca. 4.000 Euro pro Kopfverschuldung  aus. Wenn es der Gemeinde Lissendorf nach Meinung der Landesregierung in Mainz im Verhältnis zu anderen Kommunen angeblich gar nicht so schlecht geht, muss man sich ernsthaft fragen, in welchem Zustand die Finanzen eigentlich im Ganzen sind.

Es ist wirklich interessant, einmal einen Blick in den Haushalt des Landes Rheinland Pfalz zu werfen und zwar in den Ausgleichsstock, welcher der „…. Hilfe wegen einer außerordentlichen Lage im Einzelfall“ dienen soll (Rechtsstand 2009).

In der Anlage sind die Haushaltspositionen der letzten Jahre aufgeführt, so z. B.:

Kostenanteil für die Ausrichtung der Kommunalmesse Rheinland Pfalz      450.865 €

Beitritt zum Governikus-Pflegevertrag, Pflege des Intermediärs                     84.484 €

Man kann sich hier nicht des Eindrucks erwehren, dass es sich hier um eine ganz besondere „Spielwiese“ von exInnenminister Bruch (SPD) gehandelt haben muss. Der Vollständigkeit halber muss noch ein weiterer Punkt erwähnt werden:

Land hat sich seinen Anteil eingesackt

Wie oben angegeben, finanzierten Ortsgemeinde und Land die Vorausfabrik gemeinsam. Nachdem die Probleme aufgetreten waren und der ursprüngliche Zeitrahmen nicht einzuhalten war, bestand das Land darauf, dass von der Einnahme durch den Verkauf zuerst das Landesdarlehen zurückzuzahlensei, weil es angeblich sonst Probleme mit den Förderrichtlinien der EU bekommen könnte.

Auch hier wurde im Vertrauen auf die Minister-Zusage dem Land geholfen. Nicht nur der Verkaufserlös wurde an das Land überwiesen, sondern die Ortsgemeinde Lissendorf finanzierte die noch fehlende Differenz durch ein Kommunaldarlehen. Im Nachhinein betrachtet, war dies vielleicht ein Fehler.  

So geht Land mit Ehrenämtler um

Schun: „Leider ist dies nicht der einzige Fall, bei dem ich feststellen muss, dass ehrenamtliche Ortsbürgermeister „veräppelt“ werden sollen oder die Worte von der geförderten Ehrenamtlichkeit nur Gerede sind“.   

So nimmt Ministerpräsident Beck zum Beispiel Stellung zu der von Schun beanstandeten Entwicklung der Aufwandsentschädigung ehrenamtlicher Ortsbürgermeister. Wenn Beck sagt, dass diese zuletzt am 1. Juli 2008 um 3,9 % erhöht worden sei, dann verschweigt er, dass zum gleichen Zeitpunkt die Jahreszuwendung halbiert worden ist, was umgerechnet eine Reduzierung von umgerechnet 4,1 % ergibt.

„Schun: „Ich kenne niemanden, der das Amt eines ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters wegen der Aufwandsentschädigung anstrebt. Die Reduzierung wird auch niemanden in den Ruin treiben, zeigt aber, wie die jetzige Regierung mit dem Thema Ehrenamt umgeht“.

Was ist eine Vorausfabrik?

Eine Vorausfabrik ist ein Wirtschaftsförderungs-Modell des Landes, das junge Unternehmen in ihrer Aufbauphase von der finanziellen Belastung befreit, eine eigene Produktionshalle bauen zu müssen und dafür Kapital zu binden. Stattdessen kann die Firma die Vorausfabrik anmieten mit dem Ziel, sie später zu kaufen. Gemeinde und Land bürgten für das Projekt.

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