Kurfürst-Balduin-Realschule als IGS abgelehnt

Wittlich/Salmtal. Gewollt hatten es beide Schulen, die Erlaubnis bekam nur eine: Sowohl die Realschule Plus Salmtal als auch die Kurfürst-Balduin-Realschule Wittlich hatten den Antrag gestellt, zur Integrierten Gesamtschule IGS werden zu dürfen.

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier ADD sagte Ja zu Salmtal und Nein zu Wittlich. Die Entscheidung ist für die Wittlicher Schule nicht nachvollziehbar. Schließlich war man auf den Vorschlag des Landkreises eingegangen, zwei IGS mit einer gemeinsamen Oberstufe am Standort Wengerohr zu beantragen.

Dort hat das disloziert arbeitende Lehrerteam des Peter-Wust-Gymnasiums zwar gerade alle Mühe, den vollständigen Unterricht der Schülerschaft zu gewährleisten – eine Mutter versucht, das Recht ihrer Tochter auf 45-minütige gymnasiale Unterrichtsstunden einzuklagen (die Eifel-Zeitung berichtete mehrmals). An der Kurfürst-Balduin-Realschule und an der Salmtaler Realschule Plus traut man sich das Kunststück, auch disloziert ordentlichen Unterricht zu geben, offenbar zu.

Salmtal freut sich: „Die Realschule plus Salmtal hat als eine von zwei Schulen landesweit die Option erhalten, zum Schuljahr 2011/12 Integrierte Gesamtschule werden zu können. Damit haben die Beharrlichkeit, gute Vorbereitung und gemeinsame Anstrengung von Schulträger und Schulgemeinschaft den verdienten Lohn erhalten“, liest man auf der schuleigenen Homepage. Die jahrelangen akribischen Vorbereitungen auf die angestrebte neue Schulform sieht man endlich honoriert, nachdem im vergangenen Jahr ein erster Antrag von der Schulaufsicht abgewiesen worden war.

Weder Lehrer-, noch Eltern- oder Schülerschaft haben sich aber dadurch entmutigen lassen, im Gegenteil. „Aus der Schule heraus wurden bereits Konzepte entwickelt, wie die IGS gestaltet werden soll. So entsteht ein zukunftssicherer Schulstandort, der auf die veränderten demografischen Bedingungen reagiert und angemessen auf die jetzigen und kommenden pädagogischen Herausforderungen vorbereitet ist.“

Enttäuscht in die Ferien

Marlies Sachau-Zeies als Leiterin von Kurfürst Balduin musste dagegen enttäuscht die Sommerferien beginnen. Mit diesem Gefühl steht sie nicht allein da. „Die Elternvertretungen unserer jetzigen Schülerinnen und Schüler mit dem Elternsprecher Herrn Weyermann sind maßlos enttäuscht, sie fühlen sich zum dritten Mal vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur nicht ernst genommen und ihre berechtigten Interessen nicht wahrgenommen“, beschreibt Sachau-Zeies die Stimmung nach der ADD-Entscheidung.

Sowohl Bürgermeister Joachim Rodenkirch als auch die Schulleiter der anderen weiterführenden Schulen der Stadt seinen sich einig darüber, dass eine IGS in Wittlich gut gewesen wäre.

„Zum Resignieren besteht trotz allem überhaupt kein Grund!“, meint sie, und setzt ein Ausrufezeichen hinter ihre Aussage. Ihr Selbstbewusstsein bezieht sie aus dem sicheren Wissen, dass die KBR nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei den Unternehmen der Region ein hohes Ansehen genießt. Seit fast 50 Jahren arbeite sie äußerst erfolgreich, was sich alljährlich bei den Zahlen der Schulabgänger zeige: „So besuchen von den diesjährigen Abgängern 29 Schülerinnen und Schüler die Oberstufe eines allgemein bildenden Gymnasiums, 38 ein berufliches Gymnasium, 33 eine höhere Berufsfachschule und 79 absolvieren eine Lehre.“

Realschule ohne Zukunft

Die KBR werde sich als „Realschule“ weiterhin positiv positionieren und ihr pädagogisches Konzept weiterentwickeln. Sie setze auf Kontinuität und Nachhaltigkeit in ihrer pädagogischen Arbeit mit der schon heute vielfältigen Schülerstruktur, so die Schulleiterin. Das funktioniert jedoch nur noch bis längstens zum Schuljahr 2012 / 13. Danach, und das ist landesweit beschlossene Sache, muss die Schulstrukturentwicklung über die Bühne sein. Klassische Realschulen wird es danach nicht mehr geben, sie sind schlicht abgeschafft. Was mit der KBR geschieht, weiß derzeit niemand. Denn, so das Bildungsministerium im Begleitschreiben zur Ablehnung als IGS, erst einmal müsse die Salmtaler IGS angelaufen sein (Mindestschülerzahl: 91), bevor weitere Schulen in der Region zur Debatte stünden. Und wenn sich da nichts bewegt bei Kurfürst Balduin, wird sie zwangsweise ab 2013 zur Realschule plus. Wovon Wittlich in der Beethovenstraße schon eine zu bieten hat.

Ministerin Doris Ahnen formuliert seit langem klar, wohin die bildungspolitische Reise geht: zur Realschule plus, die sie im Flyer zur lange von ihr propagierten Schulform „das Herzstück der Schulstrukturreform“ nennt. Wohnortnah und aufstiegsorientiert soll das schulische Angebot der Moderne sein, individueller zugeschnitten auf Bedürfnisse von leistungsstärkeren und beispielsweise nicht-muttersprachlichen Migrantenkindern, kleinere Klassen (Schülerzahl 25 in den Klassen 5 und 6), eine gemeinsame Orientierungsstufe und einen Wahlpflichtbereich, der eine direkte Brücke zur beruflichen Praxis schlägt.

In den Realschulen plus kann sowohl die Berufsreife (9. Schuljahr) als auch der qualifizierte Sekundarabschluss I (10. Schuljahr) erzielt werden. Realschulen plus werden in kooperativer oder integrativer Form angeboten. In der integrativen Form werden die SchülerInnen bis Klasse 8 oder 9 im Klassenverband unterrichtet und können danach weitermachen bis zur Mittleren Reife. Diese Möglichkeit ähnelt übrigens verblüffend jener, die schon vor Jahrzehnten an klassischen Hauptschulen praktiziert wurde. In der kooperativen Realschule erfolgt der Unterricht nach einer gemeinsamen Eingangsstufe je nach angestrebtem Schulabschluss in differenzierten Klassen. Danach kann nahtlos weitermachen, wer seine Lust an der Schule später entdeckt: manchmal sogar an derselben Schule, wenn beispielsweise eine Fachoberschule vor Ort integriert wird.

Chancen für Praktiker

Gut tun soll die moderne Schulform auch den vielen, die in Rheinland-Pfalz bisher ohne Schulabschluss ins Leben entlassen werden. In Sommer 2009 waren das erschreckende 3.076 Schüler. Diesem Missstand – die deutschen Zahlen sind unverhältnismäßig hoch – versucht Rheinland-Pfalz mit zusätzlichen Maßnahmen zu begegnen. Einige Realschulen plus beteiligen sich am Projekt „Keine(r) ohne Abschluss“. In einem freiwilligen Schuljahr, das sich anschließt an das Jahr, in dem die Schüler eigentlich ohne Abschluss die Schule verlassen müssten, können im gewohnten Umfeld die individuellen Defizite aufgeholt und parallel durch Kooperationen außerschulische Bereiche eingebunden werden. Praxisbezug heißt das Zauberwort, weil damit theoretisch wenig motivierte Jugendliche ihre Fähigkeiten einsetzen und entwickeln können.

Die Zahlen der Schüler ohne Abschluss sind in Rheinland-Pfalz bereits in den vergangenen drei Jahren rückläufig. Laut Auskunft aus dem Bildungsministerium waren es 2007 noch 7,5 Prozent, in 2008 noch 7,2 Prozent und in 2009 – siehe oben – noch 3.076 Schüler oder 6,9 Prozent. Neuere Zahlen liegen noch keine vor.
 

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