EMZ-Buchtipp der Woche: Neues Buch über jüdische Flüchtlinge der NS-Zeit im Eifelraum

Der ehemalige Euskirchener Geschichtslehrer Hans-Dieter Arntz (Jahrgang 1941) befasst sich seit Jahrzehnten sehr intensiv mit der Geschichte der Juden besonders aus der Nordeifel. Er hat dazu mittlerweile 15 Bücher sowie zahlreiche Aufsätze publiziert. Im Lauf der Jahre sprach er mit zahlreichen jüdischen Zeitzeugen, suchte Archive auf und las unzählige Zeitungsbeiträge und andere Dokumente aus der NS-Zeit. Auf der Basis des dabei gewonnenen immensen Wissens hat er sich in seinem neuesten Buch einem Thema gewidmet, das für viele Juden seinerzeit von lebenswichtiger Bedeutung wurde: die Flucht aus dem Deutschen Reich.

Einprägsam skizziert er die politische Ausgangslage, die zu diesen Fluchtbewegungen und illegalen Grenzübertritten führte. Die sich stetig verschärfende antijüdische Gesetzgebung (z. B. durch die „Nürnberger Gesetze“ von 1935) und die allgegenwärtige antisemitische Propaganda in den damals wichtigsten Medien, den Regionalzeitungen, machten nicht zuletzt auch den jüdischen Eiflern den Ernst der Lage klar: In dem Land, in dem ihre Vorfahren oft seit unvordenklichen Zeiten gelebt hatten, hatten sie keine Zukunft zu erwarten. Eindringlich zeigen die von Arntz geschilderten individuellen Schicksale, in welche Notlagen diese Menschen dadurch kamen. Dabei wird deutlich, dass das Fluchtgeschehen im Einzelnen viele unterschiedliche Facetten aufwies.

Auf den Weg durch die Wälder der Eifel ins vermeintlich sichere Belgien machten sich jüdische Menschen aller Schichten, denen eine legale Ausreise nicht möglich war. Manche waren durch zionistische Organisationen recht gut vorbereitet, andere riss es unerwartet aus der gewohnten Bahn. Wie bei allen größeren Fluchtbewegungen fanden sich Fluchthelfer, die teils aus ideellen, teils aus monetären Motiven heraus den Menschen über die Grenze halfen. Kalte Wortprägungen wie „Judenschlepper“, „Judenschmuggel“ oder „Judenfänger“ kamen auf. Autor Arntz beschreibt die Fluchtrouten, wobei deutlich wird, dass das ganze Nordwesteifler Grenzgebiet einschließlich des heutigen Ostbelgien den Hintergrund für diese dramatischen Geschehnisse bildete.

In einem „Epilog“ vergleicht er abschließend die damalige Fluchtbewegung mit dem heutigen Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland. Insgesamt kann man feststellen, dass diejenigen, die sich für das Thema des Buches interessieren, von der lesenswerten Lektüre gewiss nicht enttäuscht werden. (Text: Gregor Brand)

 

Hans-Dieter Arntz: Flucht der Juden über die Grüne Grenze (1933-1944).

Schlepper, Fänger und Retter im deutsch-belgischen Grenzgebiet.

Kid Verlag Bonn, 2023.

ISBN 978-3-949979-19-4. Hardcover, 350 S., 32,- €.

 

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