Den Herbst erleben – die Fülle der Farben erfahren

Gedanken zu einer Jahreszeit

Wenn die Tage kürzer, die Bäume kahler werden, dann wissen wir: Es ist Herbst. Wenn es draußen kälter wird, springt im Keller die Heizung an. Niemand wird auf solchen Fortschritt verzichten wollen. Aber wir wissen auch: Den Herbst erleben wir draußen im Freien ganz anders als drinnen beim Fernsehen, und eine Sonnenblume aus Plastik ist nur vorgetäuschte, keine echte Natur. Wie erleben wir den Herbst? Klagen wir, dass die Schatten länger werden, dass Kälte und Dunkelheit zunehmen? Befällt uns der Schmerz der Vergänglichkeit, dass das Schönste des Lebens vorbei sei und Schmerzen sich einstellen wie ungebetene Gäste? Oder können wir uns freuen über die letzten leuchtenden Blumen, die bunten Sträucher, die köstlichen Früchte, die Ernste des Jahres, über alles, was in unserem Leben nicht nur verging, sondern auch reifte in Fülle?

Für Kinder ist es ein Hochgenus, in Bergen von goldenem Laub herumzutollen. Vielleicht spüren sie dabei unbewusst die verschwenderische Fülle der Natur. Der Schöpfer ist kein Geizkragen. Die Wunder der Evolution sind unerschöpflich. Der Mensch kommt mit dem Zählen, Messen und Erforschen und will möglichst vieles oder alles beherrschen, kommt damit aber an kein Ende. Daseinsfülle, aber auch Daseinsschmerz: Der Herbst bringt uns beides besonders nahe. „In dieses Waldes leisem Rauschen ist mir, als hör’ ich Kunde wehen, dass alles Sterben und Vergehen nur heimlichstill vergnügtes Tauschen“, sagt es der romantische Dichter Nikolaus Lenau. Und ein anderer, der Poet Manfred Hausmann, fasst es moderner und radikaler, in die Verse: „Wo kein Sinn mehr misst, waltet erst der Sinn. Wo kein Weg mehr ist, ist des Wegs Beginn“.

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Die bunte Farbenpracht der herbstlichen Eifellandschaft… Foto: © Hans-Peter Meyer

Zum Abschluss noch eine poetische Herbstbetrachtung:

Der Wind rauscht sanft, die Blätter fallen
sie sind in tausend Farben – bunt.
Nicht wiedergeben kann ein Maler
die Vielfalt und den Zauber.
Wie feine Vögel, ganz beschwingt
gleiten sie zur Erde nieder.
Wie Feen oder Engelhaar bewegt sie nur der Wind
und strahlend lacht die Sonne hernieder,
vom blauen Himmel voll von Wärme.
Der Herbst ist da und tausend Farben
bringen Lachen und auch Glück.
Denn neues Leben wird es bald geben
wenn altes auch jetzt untergeht.

Wenn es uns gelingt, auch den Herbst mit seinen bunten Farben als kostbare Zeit zu betrachten und als Teil unseres Lebens anzunehmen, werden wir uns Freude und Zuversicht bewahren.

So hat es der Schöpfer aller Dinge sicher gewollt.

Verfasser: Hans-Peter Meyer

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