Die Wallfahrt ins Gefängnis gebracht

Trier/Wittlich. „Und führe zusammen, was getrennt ist“ lautet das Leitwort der Heilig-Rock-Wallfahrt. In Wittlich wurde dieses Leitwort am 19. April auf ganz besondere Weise umgesetzt. Eine Pilgergruppe aus Nigeria besuchte gemeinsam mit ihrem Freundeskreis aus der Pfarreiengemeinschaft Daun/Vulkaneifel die Justizvollzuganstalt. Gemeinsam mit rund 40 Inhaftierten der JVA feierten sie in der Gefängniskirche einen Gottesdienst. Initiator der Begegnung und des Gottesdienstes war Anstaltsseelsorger Thomas Reichert.

Etwa zehn Jugendliche und 30 erwachsene Männer, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten und im Wittlicher Gefängnis inhaftiert sind, haben an diesem Nachmittag bei der zentralen Durchsage „Katholischer Gottesdienst“ als Zeichen ihrer Bereitschaft die Ruflampe in ihrer Zelle gedrückt. Überwachungsbeamte bringen sie abteilungsweise in die Kirche und bleiben in ihrer Nähe.

Nun feiern sie in ihren roten Trainingsanzügen die Eucharistie, hören die Bibelstelle vom ungeteilten Gewand Christi und erfahren in der Predigt die Beweggründe für den Heilig-Rock-Pilgergottesdienst in der Gefängniskirche:
„Wegen meiner persönlichen Sorge um Menschen, denen die Freiheit entzogen werden musste, und um Ihnen den Heiligen Rock als eine besondere Begegnungsform mit Gott hier im Gefängnis nahe zu bringen, feiere ich heute diesen Gottesdienst“, erklärt der nigerianische Bischof Dr. John Okoye. 

Die meisten anwesenden Inhaftierten singen die Lieder mit und sprechen die Gebete  – „konzentrierter und andächtiger als in der normalen Sonntagsmesse“, sagt der Anstaltsgeistliche Ferdinand Kohn.

Die übrige Gottesdienstgemeinde bilden eine Pilgergruppe aus dem 6000 Kilometer entfernten Nigeria sowie Frauen und Männer, die dem „Freundeskreis Nigeria“ angehören. Dieser bildete sich, nachdem Vikar Dr. Ohajuobodo Oko vor acht Jahren als Seelsorger in die Pfarreiengemeinschaft Daun gekommen war und recht bald Afrikatage zu Gunsten seines Heimatbistums Awgu feierte und gegenseitige Besuche durchführte. Der aktuelle Besuch aus Nigeria dauert vom 13. April bis zum 13. Mai. Dass der Aufenthalt von Bischof Okoye und der Frauen und Männer, die ihn begleiten, exakt dem Zeitraum der Heilig-Rock-Wallfahrt entspricht, ist kein Zufall. „Es ist eine Pilgerreise, und sie passt zu dem Motto der Wallfahrt“, erklärt Thomas Reichert, der nicht nur Seelsorger in der JVA ist, sondern auch Mitgründer des „Freundeskreises Nigeria“ ist. „Dabei beachten wir sogar die ökumenische Öffnung der Wallfahrt“, sagt er lachend und deutet auf den Organisten, seinen evangelischen Kollegen, Pfarrer Christoph König.

An der Seite von Bischof Okoye stehen sein Sekretär, Pfarrer Lawrence Eze, und Vikar Oko am Altar. Zu der nigerianischen Pilgergruppe gehören außerdem Hyacinth Okoye, Constance Ude, Victoria Ekpete sowie Okos Bruder Hyacinth. Sie sind in ihrem Bistum als Laien für die Bereiche Jugend, Frauen, Männer zuständig. Bevor sie aber gemeinsam mit ihren Freunden aus der Eifel zu der Gefängniskirche in dem vor zwei Jahren neu eröffneten Bauwerk gelangte, hatten alle ihre Personalausweise gegen Besucherkarten eintauschen, sich einer Sicherheitskontrolle unterziehen und durch viele Schleusentüren gehen müssen. Anstaltsleiter Robert Haase hatte die Gäste begrüßt und ihnen einen Einblick in die Geschichte der JVA Wittlich  (Gründung im Jahr 1902), ihre Kapazität (650 Gefangene), ihr Personal (380 Bedienstete) und ihre besonderen Funktionen für die Gefängnisse in ganz Rheinland-Pfalz (Krankenhaus, Bäckerei, Schule) gegeben. „Zwei Stunden im Monat“, antwortete Haase auf die Frage nach der Besuchszeit, „eine Stunde am Tag“ auf die Frage nach dem Aufenthalt auf dem so genannten Spazierhof. Schon war daher, und das zeigte auch die rege Beteiligung, war der Gottesdienst mit Bischof Okoye für die Gefangenen etwas ganz Besonderes, und: „er führte zusammen, was getrennt ist.“ 

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