Zeugin: Amokfahrer von Trier fühlte sich «verfolgt und überwacht»

Trier. Der Trierer Amokfahrer hat nach Aussage einer Zeugin monatelang vor der Tat unter einem starken Verfolgungswahn gelitten. «Er fühlte sich verfolgt und überwacht von jedem», sagte die frühere Bekannte des heute 54 Jahre alten Mannes am Mittwoch im neu aufgerollten Prozess um die tödliche Amokfahrt vom 1. Dezember 2020. Er habe geglaubt, er werde über die Heizungslüfter in ihrer Wohnung abgehört. Im Bambusstrauch vermutete er Mikrofone und auf der Straße sah er wiederholt ein Hin und Her fahrendes Auto.

Rund ein dreiviertel Jahr vor der Amokfahrt sei ihr dieses Verhalten «extrem aufgefallen», sagte die 65-Jährige, die den Mann seit 2016/2017 aus der Nachbarschaft kannte. Sie seien befreundet gewesen, er habe auch mal ein halbes Jahr bei ihr gewohnt und hatte bis zuletzt den Schlüssel zu ihrer Wohnung, sagte sie im Trierer Landgericht.

Am Tag der Amokfahrt habe er den Schlüssel in ihrer Wohnung zurückgelassen. Zudem habe er ihr kurz zuvor aufgetragen, sie solle sich um sein Auto kümmern. Einen Tag vor der Amokfahrt habe er nach einem Notarbesuch gesagt: «Es reicht!» Und öfter habe er behauptet, gehe «in den Knast». Sie habe aber nie damit gerechnet, dass es zu solch einer Tat komme, sagte sie.

Der neu aufgerollte Prozess um die Amokfahrt ist am Mittwoch in die Beweisaufnahme gestartet. Er wird in Teilen neu verhandelt, nachdem der Bundesgerichtshof das erste Urteil überwiegend aufgehoben hat. In der Neuauflage steht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Fokus. Dass er der Täter war, ist unbestritten und wird nicht neu verhandelt.

Bei der Amokfahrt war der Deutsche mit einem Geländewagen durch die Fußgängerzone gerast und hatte gezielt Passanten angefahren. Fünf Menschen starben unmittelbar, zudem gab es dutzende Verletzte und Traumatisierte. Am Dienstag starb ein weiterer Mann an den Folgen seiner schweren Verletzungen, die er bei der Tat erlitten hatte.

Der gelernte Elektriker war im August 2022 wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest, ordnete die Unterbringung des Mannes in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus an. Wegen einer diagnostizierten paranoiden Schizophrenie hatte das Gericht den Mann generell für vermindert schuldfähig gehalten.

Der Mann ist überzeugt, dass er Geld für eine «Versuchsreihe» bekommen solle, an der er 1973 als Kind teilgenommen habe. Es sei dabei um die Erprobung eines «radioaktiven Mittels» gegangen, das ihm gespritzt worden sei, hatte er in seiner polizeilichen Vernehmung nach der Festnahme gesagt. Er kämpfe seit Jahrzehnten vergeblich darum, 500.000 Euro zu bekommen, die ihm zustehen würden. Am Tag vor der Tat sei er sicher gewesen, dass er die Summe von einem Notar ausgehändigt bekomme, hatten Ermittler im ersten Prozess berichtet. Er sei aber wieder mal «abgewimmelt» worden.

Der Notar berichtete am Mittwoch im Gericht, er habe sachlich und ruhig mit dem Mann gesprochen. Dieser sei ohne Termin in der Kanzlei erschienen und habe ihm berichtet, dass das Geld aus der angeblichen Versuchsreihe in Immobilien angelegt worden sei und er an die notarielle Urkunde aus dem Verkauf eines Hauses kommen wolle. Der Notar sagte, «die Geschichte klang etwas surreal», aber er habe dem Mann einen Kontakt genannt, wo er die Urkunde bekommen könnte. Als der Mann ging, schien er demnach «froh zu sein, einen neuen Ansatz zu haben, um sein Anliegen weiterzuverfolgen», sagte der Notar.

Der Prozess sieht acht weitere Termine bis 2. Mai vor. Der Opferbeauftragte der Landesregierung Rheinland-Pfalz, Detlef Placzek, sagte am Mittwoch am Rande, der neue Prozess belaste Hinterbliebene «sehr stark». Man wünsche sich, dass es ein Ende gebe. «Es muss schnell gehen. Wir müssen im Sinne der Opfer ein möglichst baldiges Ende haben. Sie werden sich nie damit abfinden, aber sie müssen, was das Verfahren angeht, zur Ruhe kommen.»

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