Licht und Schatten – Grußwort zum Jahreswechsel von BWV-Präsident Eberhard Hartelt

Liebe Landwirte und Winzer, liebe Landfrauen, Landsenioren und Landjugendliche,

Eberhard Hartelt

wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, fällt mir eine Bewertung aus berufsständischer Sicht nicht leicht. Einerseits hatten wir alle mit der Witterung zu kämpfen, aber andererseits konnten wir zeigen, dass auf die moderne Landwirtschaft auch in schwierigen Zeiten Verlass ist. Wir haben stark steigende Erzeugerpreise gesehen, der Schweinemarkt aber ist am Boden. In vielen Betrieben gab es höhere Erlöse, die aber durch explodierenden Betriebsmittelkosten mehr als egalisiert wurden. In der Agrarpolitik gab es ungeahnte Erfolge, aber in zu vielen Fällen haben Ideologie und Emotion über Fachlichkeit und Vernunft gesiegt. In der Corona-Pandemie, die unser Leben und Arbeiten weiterhin stark beeinträchtigt hat, gab es weitere Infektionswellen, aber die Impfkampagne ist angelaufen und viele Menschenleben konnten dadurch gerettet werden. Vielleicht kann man das Jahr daher frei nach Goethe zusammenfassen: Wo Schatten ist, da ist auch Licht.

Das Jahr hat jedem Einzelnen von uns viel abverlangt. Ich möchte mich daher zuerst bei allen bedanken, die sich für die Landwirtschaft und den Weinbau im südlichen Rheinland-Pfalz und darüber hinaus eingesetzt haben. Bei allen, die im Verband, aber auch in anderen Organisationen unserer Branche, ehrenamtlich tätig sind. Bei allen, die sich in politischen Ämtern für den Berufsstand engagieren und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verbandes, ohne die eine erfolgreiche Interessenvertretung nicht möglich wäre. Auch wenn nicht alle Kämpfe erfolgreich geführt werden konnten, ist es wichtig, dass wir zusammen unser Möglichstes getan haben, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Prägend für die Verbandsarbeit in diesem Jahr waren sicherlich die kontroversen Debatten rund um das Insektenschutzpaket und dessen Verabschiedung. Mehr als 20 Monate nach Veröffentlichung des Aktionsprogramms Insektenschutz wurde es von Bundesrat und Bundestag Ende Juni beschlossen. Obwohl die darin enthaltenen Maßnahmen im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen deutlich entschärft werden konnten, sind die Folgen für die Betriebe im südlichen Rheinland-Pfalz gravierend. Dem Beschluss vorangegangen waren intensivste Diskussionen, flächendeckende Proteste, zahlreiche Gespräche mit Politikern, sowie ungezählte Briefe, Pressemitteilungen und Stellungnahmen seitens des landwirtschaftlichen Berufsstandes, um das Vorhaben in dieser Form zu verhindern. Dabei ging es nicht darum, sich gegen Insektenschutz zu stellen, sondern einen sinnvollen und wirksamen Weg bei der Förderung der Artenvielfalt einzuschlagen – auf Basis von kooperativen Lösungen. Unser Verband kämpfte dabei an vorderster Front. Auf Landesebene gelang es uns mit dem Schulterschluss Artenvielfalt sogar die Naturschutzverbände mit ins Boot zu holen. Unverständlicherweise fand dieses bemerkenswerte, vor kurzer Zeit noch undenkbare Bündnis, wenig Resonanz.
Dass fachliche Argumente in weiten Teilen unerhört bleiben, erfahren wir gerade auch in der Ausgestaltung der nächsten Förderperiode der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU ab dem Jahr 2023. Die entsprechenden Durchführungsverordnungen für Deutschland sind fehlerhaft und teilweise vollkommen an der Realität in den Betrieben vorbei. Langwierige Anpassungen der Vorgaben werden die Folge sein. Von dem ursprünglichen Ziel einer ergebnisorientierten, weniger bürokratischen EU-Förderung, die es den Betrieben erlaubt mit Natur- und Klimaschutz Geld zu verdienen, ist nichts mehr übriggeblieben.
Parteipolitische Machtspiele in Berlin und Brüssel, die auf dem Rücken der landwirtschaftlichen Betriebe ausgetragen wurden, haben im vergangenen Jahr die Agrarpolitik bestimmt. Durch nicht mehr stattfindende Anhörungen oder immer kürzere Fristen, wurde die Beteiligungsmöglichkeit der Verbände beschnitten. Fachlich fundierte, detailliert ausgearbeitete Stellungnahmen wurden in nicht wenigen Fällen nur noch zur Kenntnis genommen. Das Ergebnis sind Verordnungen und Gesetze, bei denen vielfach das eigentliche Ziel aus den Augen verloren wurde, deren langfristige Auswirkungen nicht mitgedacht wurden und die letztendlich zu einer Schwächung des Agrarstandortes Deutschland beitragen. In der Konsequenz werden Produktionskapazitäten ins Ausland abwandern, in Regionen mit deutlich niedrigeren Standards. Dem Natur-, Umwelt- und Klimaschutz wird damit ein Bärendienst erwiesen.

Keine Frage: den Status-Quo der Landwirtschaft zu erhalten ist nicht unser Ziel. Die Landwirtschaft und der Weinbau haben sich schon immer weiterentwickelt. Und wir wollen unsere Betriebe auch an die Herausforderungen und Anforderungen der Zukunft anpassen. Aber wir wollen auch, dass wir unsere Kinder guten Gewissens in unsere Fußstapfen treten lassen können, dass sie hier eine langfristige, wirtschaftliche Perspektive haben. Wie der Transformationsprozess der Landwirtschaft erfolgreich gestaltet werden kann, zeigt der Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft. Hier haben sich Landwirtschaft, Wirtschaft, Verbraucher, Umwelt, Tierschutz sowie Wissenschaft auf Empfehlungen geeinigt, wie die Landwirtschaft in Deutschland zukunftsfähig weiterentwickelt werden kann – ein historischer Erfolg. Allerdings ist die Arbeit der Zukunftskommission nur absolut unzureichend in den Koalitionsvertrag eingeflossen.

Nach einem eher ernüchternden agrarpolitischen Rückblick, möchte ich hoffnungsvoll auf das neue Jahr schauen. Ich erwarte, dass die wertvolle Arbeit der landwirtschaftlichen Verbände in der Politik geschätzt wird und wieder mehr Gewicht erhält. Dass gemeinsam Lösungen bei Zielkonflikten gefunden werden. Dass nicht über die Betroffenen hinweg entschieden wird ohne sie anzuhören. Dass die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft, die ebenfalls von Verbänden getragen war, Einzug in die Agenda der Bundesregierung erhält. Dabei muss die eigentliche Aufgabe der Landwirtschaft – die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln – aber immer an erster Stelle stehen. Dies darf, auch mit Blick auf die aktuellen Verwerfungen auf den Weltmärkten, nicht aus dem Fokus geraten. Der Erhalt und die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland dient nicht nur dem globalen Klima- und Ressourcenschutz, sondern auch der Ernährungssicherung der hiesigen Bevölkerung. Voraussetzung hierfür ist aber, dass in den Betrieben Geld verdient wird.

In diesem Sinne wünsche ich allen im Namen des gesamten Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. ein betrieblich erfolgreiches Jahr 2022 und Ihnen persönlich ein paar erholsame Feiertage, ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch. Bleiben Sie gesund!

Ihr
Eberhard Hartelt
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.

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