Causa Dillinger: Bisher wenige Meldungen von Opfern

Trier. Bei der Aufarbeitungskommission im Bistum Trier haben sich bisher nur wenige Missbrauchsopfer des Ende 2022 gestorbenen katholischen Priesters Edmund Dillinger gemeldet. «Drei Personen haben von persönlich erlebten unangemessenen, sexuell motivierten Verhaltensweisen berichtet», heißt es im ersten Zwischenbericht von Justizexperten zur Causa Dillinger, der am Mittwoch in Trier vorgestellt wurde. Die meisten der bisher 25 interviewten Zeitzeugen seien nicht selbst Opfer gewesen.

Der frühere Priester aus Friedrichsthal im Saarland steht in Verdacht, ab den 1970er Jahren über Jahrzehnte vor allem Jugendliche sexuell missbraucht und in teils pornografischen Posen fotografiert zu haben. Der Neffe des Priesters, Steffen Dillinger, hatte nach dem Tod des Mannes zig ungerahmte Dia-Aufnahmen in dessen Haus gefunden – und war damit im April an die Öffentlichkeit gegangen.

«Wir lassen keine Gelegenheit aus, bei Betroffenen für eine Kontaktaufnahme zu werben», teilten der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer und der frühere Vize-Chef der Staatsanwaltschaft Trier, Ingo Hromada, als Autoren des Berichts mit. Ein Ziel des Projekts sei, mögliche Betroffene zu identifizieren, auch damit diese ihnen zustehenden Leistungen zur Anerkennung ihres Leids erhielten. «Eine proaktive Kontaktaufnahme» mit möglichen Opfern verbiete sich aber, «weil damit die Gefahr einer Retraumatisierung» verbunden sein könnte.

Hinweise auf Mittäter hätten sich bislang nicht ergeben, sagte Brauer. «Wir sind aber eigentlich auch erst seit drei Monaten dabei, die Dinge aufzuarbeiten, Akten auszuwerten, Bilder anzuschauen, mit Zeitzeugen zu sprechen. Aber daraus hat sich bisher kein Hinweis auf ein Netzwerk mit anderen Tätern oder Mittäter ergeben.»

Laut des Neffen Steffen Dillinger waren viele Bilder auf Reisen entstanden. Der Geistliche war von 1972 bis 2005 Vorsitzender der von ihm gegründeten CV-Afrika-Hilfe – und laut vorgelegtem Bericht oft in Afrika. Zudem sei er häufig in Deutschland oder auf Reisen in Europa in Begleitung junger afrikanischer Männer gewesen. «Einigen soll er Logis in seinem Haus in Friedrichsthal gewährt haben», steht in dem Papier.

Der Umstand, dass Homosexualität nach wie vor in vielen afrikanischen Staaten unter Strafe stehe, dürfte nach Ansicht der Justizexperten die Suche nach männlichen Opfern mit Aufenthaltsort in Afrika zusätzlich erschweren. «Es dürfte männlichen Personen großen Mut abverlangen, Übergriffe durch Dillinger zu schildern».

Einzelne Zeitzeugen hätten davon berichtet, sexuelle Übergriffe auf andere beobachtet oder von Dritten hiervon erfahren zu haben. Und fast alle haben laut Bericht von stark ausgeprägten und als «sehr unangenehm empfundenen Charakterzügen» wie Geltungssucht und Eitelkeit bei Dillinger erzählt. Die Erlebnisse der Interviewten betreffen die Zeit ab dem Beginn seines Dienstes in der Kirche 1961 als Kaplan in Saarbrücken bis zu einem Vorfall, der sich 2018 in Fulda ereignet habe – zum Nachteil eines Seminaristen, hieß es.

Der erste Zwischenbericht umfasse weder abschließende Ergebnisse noch Bewertungen, sondern er beschreibe die Arbeit des Projekts und gebe einen Überblick über erste Schritte, teilten Brauer und Hromada mit. Finale Ergebnisse werde es im Abschlussbericht geben. Ergebnisse würden personen- oder sachbezogen in Fallakten hinterlegt. Bislang seien rund 40 Fallakten angelegt worden.

Die Juristen hätten bisher bereits Einblick genommen in die Akten der Staatsanwaltschaft Mainz, sagte Brauer. Dazu gehörten 236 Diapositive, 13 Papierfotos und Datenträger. Die Behauptung, das Bildmaterial belege vielfachen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, habe keine Bestätigung gefunden. Die Einsichtnahme in die Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken stehe noch aus.

Große Teile der Asservate aus dem Nachlass des Priesters waren Anfang Juli auf Antrag der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vernichtet worden. Dafür entschuldigte sich Generalstaatsanwalt Manfred Kost später. Er bezeichnete dies als Fehler, der leider nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.

«Der Verlust wiegt sehr schwer. Das konnten wir erst jetzt abschätzen, nachdem wir zwei dieser Kalender bei der Staatsanwaltschaft Mainz einsehen können», sagte Brauer. «Das ist ein Fundus von Informationen in diesen beiden Kalendern und man kann sich vorstellen, dass die anderen Kalender ähnlich geführt worden sind. Da sind Adressen drin, Telefonnummern, Kontaktdaten und so weiter, die jetzt eben für uns alle verloren sind.»

Ein zweiter Zwischenbericht ist für den 22. November angekündigt: Im nächsten Quartal stünden weitere Interviews an, teilten die Juristen mit. Zudem sollten weitere Akten ausgewertet werden. Zum Abschluss der Untersuchung folge ein umfassender Bericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier. Dillinger war im Alter von 87 gestorben.  (dpa)

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