Mertin: Integration läuft nicht über den Kopf

Region. „Die Integrationsdebatte wird in Deutschland derzeit viel zu stark mit formaljuristischen Argumenten geführt. Dabei wird neben vielem Richtigen auch so mancher Unfug erzählt. Doch was wirklich über eine erfolgreiche Integration entscheidet, ist bislang kein Thema: Integration läuft nicht über den Kopf, sondern wird nur gelingen, wenn Zuwanderer sich auch mit ihrem Herzen für ihre neue Heimat und die Menschen in Deutschland entscheiden. Wenn die Menschen das Land, in dem sie leben, nicht lieben lernen, wird auch die Integration niemals wirklich gelingen“, sagte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag Herbert Mertin anlässlich eines Forums der FDP-Landtagsfraktion zum Thema „Integrationspolitik in Rheinland-Pfalz“.

Ein wichtiger erster Ansatz sei die Wiedereinführung des Faches Heimatkunde in der Grundschule. „Etwas über die Heimat, in der ma n lebt, zu erfahren, ist immens wichtig, um sich mit den Menschen und dem Land identifizieren zu können“, sagte Mertin. Heimatkunde solle die bisherige Sachkunde ersetzen und ergänzt werden. Dazu gehöre zum Beispiel, für die Kinder nachvollziehbar zu erklären, wie es zu dem 3. Oktober gekommen ist und welche Bedeutung dieser Feiertag hat. 

„Ich persönlich habe in meinem Leben eine doppelte Integrationserfahrung gemacht. Als Sohn deutscher Einwanderer bin ich in Chile geboren und aufgewachsen und habe mich selbstverständlich immer auch als Chilene gefühlt. Die Menschen in Chile haben mich aber auch immer als einen, der zu ihnen gehört, akzeptiert. Als Jugendlicher in Deutschland angekommen, habe ich mich dann sehr gewundert, wie verkrampft der Umgang von uns Deutschen mit unserem Land ist“, sagte Mertin. Natürlich gehöre zur Identifikation mit einem Land auch das Bewusstsein und die Verantwortung für die sehr dunklen Seite der Geschichte. „Doch wie sollen Einwanderer sich in einem Land heimisch fühlen, sich mit ihm identifizieren, sich integrieren, wenn sie erleben, wie schwer sich die Deutschen damit tun, auch auszudrücken, dass sie ihr Land mögen?“, fragte Mertin.

Die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland habe gezeigt, dass es möglich ist, mit Stolz und fröhlich sich zu Deutschland zu bekennen, sich mit seinem Land zu identifizieren und dennoch tolerant und weltoffen zu sein. Doch wie wenig dies in Deutschland Normalität sei, zeige sich etwa beim Umgang der Deutschen mit dem 3. Oktober. Dieser Feiertag stehe für die deutsche Einheit in Freiheit. Er stehe dafür, dass die Deutschen in der früheren DDR mit einer friedlichen Revolution „die mörderische Mauer und Grenze, die unser Land durchzogen haben, zum Einsturz gebracht haben. Die Menschen haben das mörderische Regime ohne Blutvergießen gestürzt.

Getrennte Familien und Freunde haben wieder zueinander gefunden. Niemand muss mehr Angst haben, bespitzelt zu werden. Die Menschen haben nach dem Zweiten Weltkrieg auf Trümmern das Land wieder aufgebaut. Es gab noch nie so viel Freiheit und Wohlstand in Deutschland. Vor diesem Hintergrund kann ich schwer verstehen, warum der Nationalfeiertag 3. Oktober in Deutschland nur staatlich organisiert gefeiert wird. Wenn man in meiner alten Heimat Chile von „dem 18.“ spricht, weiß jeder, dass damit der Nationalfeiertag am 18. September gemeint ist, der an die Unabhängigkeit des Landes erinnert. An diesem Tag wird mit Freude gefeiert, man trifft sich mit Freunden und die chilenische Fahne gehört selbstverständlich dazu.

Ich würde mir wünschen, dass auch in Deutschland unverkrampft der 3. Oktober im Bewusstsein dieses Tages begangen wird. Ein wichtiges Signal für Zuwanderer wäre dann zum Beispiel, dass sie selbstverständlich auch mit eingeladen werden, wenn Nachbarn und Freunde gemeinsam bei einem schönen Essen zusammen feiern. Wir müssen den Men schen, die aus anderen Ländern kommen und in Deutschland leben, auch zu erkennen geben, dass sie willkommen sind und dass sie zu uns gehören“, sagte Mertin.

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