Klimaforscher: Wissenschaft muss mehr Gehör finden

Potsdam/Scharm el Scheich (dpa) – Die Wissenschaft muss nach Ansicht des renommierten Klimaforschers Johan Rockström im Ringen der Weltgemeinschaft gegen die Klimakrise mehr Gehör finden.

«Die Wissenschaft hat eine viel zu schwache Stimme in den Verhandlungen der Klimakonferenzen», sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nach dem Ende des zweiwöchigen Mammuttreffens im ägyptischen Scharm el Scheich der Deutschen Presse-Agentur. So sei vielen Diplomaten nicht klar, wann welche Klimafolgen in welchem Ausmaß zu erwarten seien. «Das ist verständlich, aber auch bedauerlich.»

Die Forschung der letzten Jahre habe gezeigt, dass Klimarisiken eher unterschätzt würden und der Klimawandel schneller voranschreite als befürchtet. «Stürme, Hitzewellen, Fluten und Dürren treten häufiger und intensiver auf als wir vorhergesagt haben», sagte Rockström. Gefährliche Kipppunkte mit unumkehrbaren Folgen seien näher als zuvor angenommen.

Rockström fordert Einbeziehung von Wissenschaftlern

Es sei daher sehr beunruhigend, dass einige Stimmen in den Verhandlungen die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage stellten. «Die Entscheider brauchen vermutlich eher mehr Wissenschaft am Verhandlungstisch, nicht weniger», sagte Rockström. «Ich denke, dass wir den ganzen Prozess der Klimakonferenzen reformieren müssten, um gehaltvollere Ergebnisse in den Verhandlungen zu bekommen.»

Seine Vision: Die Verhandler der Staaten sollten anders als bisher tägliche Briefings zum aktuellen Forschungsstand zu Klimarisiken, Kipppunkten und anderen wichtigen Feldern bekommen und vor diesem Hintergrund die Maßnahmen und Ziele ihrer Staaten verteidigen müssen. Außerdem müsse in den Arbeitsgruppen ein engerer Austausch zwischen Verhandlern und Wissenschaftlern stattfinden.

Ergebnisse des Gipfel seien «einfach nicht gut genug»

Dem Klimagipfel in Ägypten stellt der schwedische Forscher ein ungenügendes Zeugnis aus: «1,5 Grad ist auf dem Papier noch vorhanden», sagt er mit Blick auf das international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung bei dieser Grenze zu stoppen und damit die katastrophalsten Folgen abzuwenden. Auch die Notwendigkeit, dafür den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent zurückzufahren, sei erwähnt – «aber mit keinem konkreten Plan, dies auch zu erreichen». Die Beschlüsse, in denen nicht einmal der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen genannt werde, gingen nicht über die Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow hinaus, was längst nicht ausreichend sei.

«Bei dem, was auf dem Spiel steht, sind die Ergebnisse des Gipfels einfach nicht gut genug», bilanziert der Forscher. Deutschland und die EU müssten nun versuchen mit den USA und China zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen. Mit so vielen Ländern wie möglich um Einigungen zu ringen, wie es auf den Klimakonferenzen geschehe, sei zwar gut, aber eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen möglicherweise noch effizienter.

 

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