Vor 70 Jahren erschien der erste James-Bond-Roman

Von Philip Dethlefs, dpa

London (dpa) – Die Angst vor der bevorstehenden Ehe soll Ian Fleming motiviert haben, seinen ersten Spionagethriller zu schreiben. Um sich vom Gedanken an das Ende seines Junggesellendaseins abzulenken, setzte sich der britische Autor und ehemalige Geheimdienstoffizier an die Schreibmaschine.

Auf seinem Anwesen Goldeneye auf Jamaika tippte er Anfang 1952 die ersten Worte. Gut ein Jahr später, am 13. April 1953, wurde der Roman «Casino Royale» in Großbritannien veröffentlicht. Es war die Geburtsstunde von James Bond.

Anfängliche Zweifel

Dass seine Figur einmal so berühmt werden würde, hätte Ian Fleming sicher nicht zu träumen gewagt. Tatsächlich hatte der Autor sogar große Zweifel, als er sein Manuskript für «Casino Royale» – je nach Quellenlage – nach sechs Wochen oder gut zwei Monaten fertiggestellt hatte. Als Fleming seinem Freund, dem Schriftsteller William Plomer, ein Manuskript schickte, soll er vorsichtig angemerkt haben, er schäme sich dafür, wolle es aber trotzdem riskieren. Doch Plomer erkannte das Potenzial von 007 und ermutigte seinen Freund.

Flemings Inspiration für «Casino Royale» waren eigene Erlebnisse als Mitarbeiter des britischen Marinegeheimdienstes während des Zweiten Weltkriegs sowie reale Ereignisse, die er während dieser Zeit mitbekam. Fleming, der am 28. Mai 1908 in London geboren wurde, arbeitete zunächst als Journalist und Börsenmakler, bevor er im Krieg Geheimdienstoffizier wurde. Es war wohl eine Berufung, denn die geheimnisvolle und gefährliche Welt der Spionage faszinierte Fleming.

In «Casino Royale» soll Geheimdienstagent Bond im französischen Royale-les-Eaux an einem Baccarat-Turnier mit hohen Einsätzen teilnehmen. Sein Auftrag ist es, den sowjetischen Agenten Le Chiffre, der das Geld seiner kommunistischen Partei zur Finanzierung eigener krimineller Aktivitäten verwendet, in den Ruin zu treiben. Le Chiffre hat kürzlich eine große Summe verloren und braucht dringend Geld, um seine gefährlichen Gläubiger auszubezahlen. Bond wird bei seinem Auftrag von Vesper Lynd unterstützt, einer Agentin des britischen Finanzministeriums, in der sich verliebt.

Ein neuer Heldentypus

«Casino Royale» markierte eine Abkehr vom bis dato üblichen klassischen Krimi. Flemings dynamische Erzählweise bestach durch eine ungewöhnlich rasante Handlung, packende Action und lebhafte Charaktere. Damit etablierte er einen neuen Standard für Thriller- und Abenteuerromane, der bis heute Bestand hat. In Bond erschuf Fleming zudem einen neuen Heldentypus. Er ist höflich und kultiviert, bei Bedarf aber auch zu extremer Gewalt fähig – ein Gentleman und Auftragsmörder. Das hatte es vorher nicht gegeben.

Ein auffälliges Merkmal an Flemings Schreibstil ist die lebendige, beschreibende Sprache, etwa mit Geräuschen und Gerüchen. «Der Gestank nach Rauch und Schweiß ist in einem Casino um drei Uhr morgens äußerst widerlich», lautet der erste Satz in «Casino Royale». So werden Leserinnen und Leser direkt mitten in eine lebhafte Umgebung versetzt.

Fleming war für seine Liebe zum Detail bekannt. Geradezu akribisch beschrieb er alles, von der Kleidung, die seine Charaktere tragen, ihrem Essen und ihren Getränken, über Gebäude und Straßennamen bis zu den Autos, die sie fahren. Indem die Umgebung zeitgemäß und greifbar wurde, wirkte seine Geschichte realistischer und glaubwürdiger.

Wegweisend war auch seine äußerst bildliche Beschreibung von Gewalt und Sex, die damals nicht unumstritten war. Sie trug allerdings dazu bei, Bonds Image als harter und kompromissloser Held zu festigen. Für Aufsehen sorgte etwa eine detailliert beschriebene Folterszene, in der 007 nackt an einen Stuhl gefesselt ist und Le Chiffre ihm wiederholt mit einem Teppichklopfer zwischen die Beine schlägt.

Ein Vogelkundler als Namensgeber

Flemings eigene Persönlichkeit prägte die von ihm erschaffene Figur stark. Wie Bond war er selbst als Liebhaber schneller Autos, teurer Kleidung und exotischer Reiseziele bekannt. Der Autor hatte auch einen Ruf als Frauenheld – eine Eigenschaft, die sich bekanntlich ebenfalls in Bonds Charakter widerspiegelt. Auf der Suche nach einem möglichst gewöhnlichen Namen für seinen Helden wurde Fleming in seinem Bücherregal fündig. Dort stand das Vogelkundebuch «Birds of the West Indies» des Autors James Bond.

Flemings älterer Bruder Peter war bereits ein etablierter Autor von Reiseliteratur. Er überzeugte seinen Verlag, der anfangs wenig Interesse an «Casino Royale» zeigte, den Roman zu verlegen. Es sollte sich lohnen. In Großbritannien wurde «Casino Royale» sofort ein Erfolg. Weniger als einen Monat nach Verkaufsstart waren die ersten rund 4700 Exemplare des Buchs ausverkauft.

70 Jahre später ist der Geheimagent 007 ein Phänomen der Popkultur. Elf weitere Romane und zwei Kurzgeschichtensammlungen von Fleming folgten, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden. Dazu gibt es viele lizenzierte James-Bond-Geschichten von anderen Autoren. Zuletzt schrieb der Autor Anthony Horowitz eine Trilogie, in die er sogar unverwendetes Originalmaterial von Fleming einbaute und die für ihre Nähe zum Stil des James-Bond-Erfinders gelobt wurde.

Sean Connery ist der erste Bond

Der Start der berühmten 007-Filmreihe, die 1962 mit Sean Connery in der Hauptrolle begann und mit wechselnden Darstellern bis heute andauert, bedeutete einen weiteren gigantischen Popularitätsschub für den Geheimagenten. Die 25 Filme der Produktionsfirma EON sorgten weltweit für klingelnde Kinokassen. Fleming erlebte nur die Anfänge davon mit. Er starb am 12. August 1964, einen Monat, bevor der Film «Goldfinger» einen weltweiten 007-Hype auslöste.

Dass «Casino Royale» erst 2006 von EON verfilmt wurde, lag daran, dass die Rechte zuvor woanders lagen. Ein US-amerikanischer TV-Film von 1954 mit Barry Nelson als Jimmy Bond und die verrückte Komödie «Casino Royale» von 1967 mit David Niven, Peter Sellers und Orson Welles haben wenig mit Flemings Debütroman gemeinsam. Der 21. Film der EON-Reihe mit Daniel Craig orientiert sich hingegen nah am Buch.

Zum 70. Jubiläum von «Casino Royale» werden alle James-Bond-Romane und Kurzgeschichten von Ian Fleming im April neu veröffentlicht. Doch Rechteverwalter Ian Fleming Publications sorgte ausgerechnet damit für große Verärgerung. Denn wie das Unternehmen im Besitz von Flemings Nachfahren bestätigte, wurden Begriffe und Referenzen, die heute als anstößig empfunden werden könnten, in der Neuauflage entfernt oder geändert. Unter anderem Fleming-Biograf Andrew Lycett kritisierte das scharf. Nicht alle Bücher sind davon betroffen. «Casino Royale» soll auch in der Neuauflage unverändert bleiben.

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