Gegen kaputte Systeme – Alternative Nobelpreisträger gekürt

Auszeichnungen
Von Steffen Trumpf, dpa

Stockholm (dpa) – Der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bekannte Right Livelihood Award geht in diesem Jahr erstmals in die Ukraine. Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Olexandra Matwijtschuk und das Center for Civil Liberties (CCL) zählen zu den diesjährigen Preisträgern, wie die Right-Livelihood-Stiftung am Donnerstag in Stockholm bekanntgab.

Außerdem werden die somalischen Menschenrechtsaktivistinnen Fartuun Adan und Ilwad Elman, das venezolanische Kollektiv Cecosesola und das Africa Institute for Energy Governance (Afiego) aus Uganda mit dem Preis ausgezeichnet.

Die Preisträgerinnen und Preisträger 2022 stärkten und förderten basisorientierte Gemeinschaften, sagte Stiftungsdirektor Ole von Uexküll. «Angesichts des Versagens von Regierungen und des Zusammenbruchs bestehender Ordnungen – in Form von Kriegen, Terrorismus, Ausbeutung, massiver Vertreibung und Wirtschaftskrisen – schaffen sie neue, auf den Menschen ausgerichtete Systeme.» Ihre Erfolge zeigten, wie Gesellschaften auf dem Grundsatz von Gerechtigkeit statt auf Ausbeutung aufgebaut werden könnten.

Kampf für Menschenrechte und Frieden

Mit dem seit 1980 verliehenen Right Livelihood Award werden alljährlich kurz vor den eigentlichen Nobelpreis-Bekanntgaben Persönlichkeiten und Organisationen geehrt, die sich mutig und entschlossen den größten Problemen der Welt entgegenstellen. Dazu zählt die Stiftung vor allem den Kampf für Menschenrechte und Frieden sowie gegen die Klimakrise und Umweltprobleme. Die Auszeichnung, die am 30. November in Stockholm überreicht wird, steht dabei in kritischer Distanz zu den eigentlichen Nobelpreisen, deren diesjährige Preisträger ab Montag in Stockholm und Oslo verkündet werden.

Zu den früheren Right-Livelihood-Preisträgern zählen die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, der US-Whistleblower Edward Snowden und die aus Stockholm stammende Klimaaktivistin Greta Thunberg. Meist ehrt die Right-Livelihood-Stiftung aber international eher unbekannte Persönlichkeiten und Organisationen, um ihnen Aufmerksamkeit zu verschaffen – dieser Tradition bleibt sie auch diesmal treu.

Wege für notwendige Transformationsprozesse

Obwohl die Preisträgerinnen und -träger in diesem Jahr aus teils völlig verschiedenen Weltregionen stammen, eint sie, dass sie sich dafür einsetzen, kaputte Gesellschaftssysteme durch funktionierende in Frage zu stellen. Der Stiftung zufolge zeigen sie allesamt Wege für notwendige gesellschaftliche Transformationsprozesse auf. Sie machten deutlich, «dass in Zeiten dysfunktionaler und zerfallender politischer Ordnungen ein Systemwandel möglich und nötig ist». Krisen durch das Versagen autoritärer Regierungen, durch Kriege, Profitgier und Nichtstun gegen den Klimawandel stellten sie neue Modelle gesellschaftlichen Miteinanders entgegen.

Die Somalierin Fartuun Adan und ihre Tochter Ilwad Elman tun dies wie viele ihrer Mitpreisträger bereits seit vielen Jahren. Die Preisjury ehrt sie für ihren Einsatz für Frieden, Entmilitarisierung und Menschenrechte in ihrem ostafrikanischen Heimatland. Das Kollektiv Cecosesola setzt sich in Venezuela für eine gerechtere Alternative zu profitorientierten Wirtschaftsmodellen ein, während das Afiego in Uganda für Klimagerechtigkeit und die Rechte derjenigen einsteht, die bei Energieprojekten in dem afrikanischen Land ausgebeutet werden.

Right Livelihood Award geht erstmals in die Ukraine

Olexandra Matwijtschuk und das Center for Civil Liberties, deren Vorsitzende Matwijtschuk ist, werden für den Aufbau nachhaltiger demokratischer Institutionen in der Ukraine gewürdigt – und auch dafür, Wege zu öffnen, damit Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden können. Erstmals geht der Right Livelihood Award damit in die Ukraine – zuvor haben ihn bereits Persönlichkeiten und Organisationen aus mehr als 70 anderen Ländern erhalten.

Insgesamt berücksichtigte die Preisjury diesmal 175 Nominierte aus 77 Ländern. Ein Blick auf all diese Nominierungen zusammen macht von Uexküll zufolge deutlich, dass es Symptome von Krisen überall auf der Welt gibt – auch in reichen Ländern. All diese Trends schritten mit Tempo voran. Zugleich erkenne man, wie die verschiedenen Krisen miteinander zusammenhingen – der Ukraine-Krieg etwa mit der Energieabhängigkeit anderer Länder.

Das zugrundeliegende Problem sei nicht die menschliche Natur an sich, sondern die Art und Weise, wie Gesellschaften aufgebaut worden seien, sagte von Uexküll. «Wir sind überzeugt davon, dass wir unsere Gesellschaften ganz anders aufbauen können.» Lösungen seien dabei in neuen Denkweisen zu finden, wie sie die diesjährigen Preisträger aufzeigten. «Sie alle liefern krisensichere Lösungen für große gesellschaftliche Herausforderungen», sagte von Uexküll.

 

 

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