Springer bestätigt: Strafanzeige gegen Reichelt gestellt

Berlin (dpa) – Der Medienkonzern Axel Springer hat seinen früheren «Bild»-Chefredakteur Julian Reichelt angezeigt. Ein Springer-Sprecher bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass der Konzern gegen Reichelt eine Strafanzeige wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht habe. Darüber hinaus wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Von der Staatsanwaltschaft Berlin hieß es am frühen Nachmittag, dass noch kein Anzeigeeingang verzeichnet sei.

Reichelts Anwalt teilte auf Nachfrage zur Strafanzeige wie auch zu einer am selben Tag bekanntgewordenen Klage des Konzerns gegen Reichelt vor dem Arbeitsgericht mit, eine Klage liege weder seinem Mandanten noch ihm selbst vor. Weiterlesen

Gefälschte Hitler-Tagebücher werden veröffentlicht

Gütersloh (dpa) – 40 Jahre nach Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im «Stern» werden diese im Laufe des Jahres an das Bundesarchiv übergeben und dort zugänglich gemacht. Das teilten der Bertelsmann-Konzern und die Behörde am Montag gemeinsam mit.

1983 hatte die Zeitschrift des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr vermeintliche Tagebücher von Adolf Hitler veröffentlicht, die sich nur wenige Tage später als Fälschung herausstellten. Es war einer der größten Medienskandale der Bundesrepublik.

Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann sagte, die gefälschten Tagebücher zeigten einen «dreisten Versuch, den brutalen Verbrechen des Nationalsozialismus einen menschlichen Anstrich zu geben, der in den 1980er-Jahren in der Gesellschaft auf Resonanz traf». Die Dokumente werden demnach am Standort Koblenz auf Dauer aufbewahrt und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zugänglich gemacht. Weiterlesen

«Noch wach?» – Neuer Roman von Stuckrad-Barre

Berlin (dpa) – Bestseller-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre hat am Mittwoch seinen mit Spannung erwarteten Roman «Noch wach?» veröffentlicht.

Das Buch mit insgesamt 18 Kapiteln mit Überschriften wie «Jetzt wird’s schmutzig» und «Grauzone» sei zwar «in Teilen inspiriert von verschiedenen realen Ereignissen», heißt es dem fiktiven Werk vorangestellt. Er sei «jedoch eine hiervon losgelöste und unabhängige fiktionale Geschichte». Der Autor habe «ein völlig eigenständiges neues Werk geschaffen». Weiterlesen

Exit Games als Standbein der Spielebranche

Von Valeria Nickel, dpa

Stuttgart (dpa) – Eine Pappschachtel, Karten, ein bebildertes Textheftchen und etwas Fantasie: Mehr braucht es nicht, um Spielefans vom Wohnzimmertisch in verlassene Hütten oder mysteriöse Museen zu befördern. Entkommen können sie den Orten im Spiel nur, wenn sie Rätsel unterschiedlicher Art lösen und dadurch Codes knacken. Diese sogenannten Escapespiele oder Exit Games sind in den vergangenen Jahren zum Brettspiel-Trend geworden.

Seit 2020 bringen Escapespiele mehr Geld ein als der Klassiker Monopoly, sagt Joachim Stempfle vom Marktforschungsinstitut Circana. Die Deutschen geben seinen Angaben zufolge 380 Millionen Euro im Jahr für Spiele aus, 20 Prozent mehr als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. Zwar ebbte das Interesse im vergangenen Jahr ab, sowohl auf dem gesamten Spielemarkt als auch sehr deutlich im Bereich der Exit Games. Dennoch sei das Wachstum bei den Rätselspielen über mehrere Jahre gesehen extrem stark.

Die Exit-Produkte des Stuttgarter Kosmos-Verlages verzeichneten Circanas Daten zufolge seit 2019 ein Plus von 40 Prozent. «Das wird ein fester Bestandteil im Bereich Spielwaren bleiben», schätzt Stempfle. Der Kosmos-Verlag veröffentlichte die ersten Escapespiele 2016. Seitdem haben sie sich zu einem wichtigen Standbein für das Unternehmen entwickelt. Mit 18 Millionen verkauften Exemplaren weltweit sind die Exit Games laut eigenen Angaben mittlerweile eine Kernmarke von Kosmos. Sie bringen neben dem Spieleklassiker Catan die meisten Einnahmen, wie eine Sprecherin des Unternehmens mitteilt.

Populärer Name setzt sich durch

Das Spielfeld bei Escape Games gehört jedoch nicht nur Kosmos. «Eigentlich hat jeder in diesem Exit-Bereich Produkte auf den Markt gebracht», beobachtet Marktexperte Stempfle. 2018 präsentierte beispielsweise der Spielehersteller Ravensburger das erste Exit-Puzzle. Obwohl international die Bezeichnung Escape geläufig ist, wählte Ravensburger einer Sprecherin zufolge in Deutschland den gleichen Namen wie Kosmos, weil dieser hierzulande so populär sei.

Zu Spitzenzeiten während der Pandemie haben Escapespiele über zehn Prozent des Brettspielmarkts eingenommen, schätzt Hermann Hutter, Vorsitzender des Branchenverbands Spieleverlage. Trotz der rückläufigen Verkaufszahlen im vergangenen Jahr sei das Interesse «immer noch auf einem hohen Niveau». Kooperative Spiele haben laut Hutter seit einigen Jahren einen besonderen Stellenwert. Rätsel- und Krimispiele seien unabhängig von den Exit Games auf dem Vormarsch.

Der Trend sei weiterhin da, sagt auch eine Sprecherin von Ravensburger. Das Unternehmen habe nach dem ersten Exit-Puzzle über 30 weitere Produkte zu dem Thema auf den Markt gebracht. Im laufenden Jahr sei unter anderem ein Adventskalender geplant. Mit einem solchen ist Kosmos bereits auf dem Markt, genauso wie mit Büchern und mittlerweile eigenen Puzzles. Im Herbst soll dem Verlag zufolge das 30. klassische Exit-Spiel erscheinen, das sich um einen Gefängnisausbruch dreht.

Beim Mittagessen fing es an

Angefangen hat bei Kosmos nach eigenen Angaben alles mit einer Idee beim Mittagessen im Kollegiumskreis, im September 2014. Der Spieleredakteur Ralph Querfurth gab damals den Anstoß für das Projekt, wie er erzählt. Inspiriert wurde er von einem neu eröffneten sogenannten Escaperoom in Stuttgart – einem besonders eingerichteten Raum, in dem Spielende vor Ort gemeinsam Rätsel und Codes finden und entschlüsseln müssen. Direkt tauchte der Gedanke auf, nach diesem Vorbild ein Brettspiel für zuhause zu entwickeln, erzählt Querfurth.

Der Verlagsleiter Spielware, Heiko Windfelder, war bei dem Mittagessen dabei und begleitete die Entwicklung des Spielkonzepts. Zwei Jahre lang feilte der Verlag an den Details von Markenanmeldung über die Schachtelgröße bis hin zu wiederkehrenden Illustrationselementen. «Bei Exit ging es von Anfang an darum: Wie kann man dieses Thema, diese Spielewelt als Marke aufbauen?», erklärt Windfelder. Nun dauere es vom Prototyp bis zum fertigen Spiel nur noch sechs Monate, berichtet Redakteur Querfurth: «Das ist nicht normal bei Spielen, aber bei den Exits hat sich diese Routine und dieser Rhythmus ganz gut eingefunden – aber entspannt ist er keinesfalls.»

Den Erfolg der Spiele sieht Konzeptentwickler Querfurth darin, dass die Rätsel einen unterschiedlichen Fokus haben. Mal sind mathematische Fähigkeiten gefordert, mal sprachliche, einige Rätsel setzen wiederum auf Optik oder Geschicklichkeit. «Das ist sicher ein ganz großer Erfolgsfaktor, dass das Spielprinzip ganz viele Talente anspricht», vermutet Querfurth.

Dass aus dem Mittagessen vor neun Jahren ein so großes Projekt wird, hätte niemand gedacht, erzählt Querfurth. Von einem «Glücksfall» spricht Spieleverlagsleiter Windfelder. So etwas komme einmal in 10 bis 20 Jahren vor.

Wirbel um angebliche SMS von Springer-Chef Döpfner

Berlin (dpa) – Ein Medienbericht über angebliche konzerninterne Nachrichten von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner hat erneut für Wirbel rund um die Affäre um den früheren «Bild»-Chefredakteur Julian Reichelt gesorgt. Aus Springer-Kreisen verlautete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag als Reaktion, der Artikel bestehe aus «manipulativen SMS-Fetzen».

Die Wochenzeitung «Die Zeit» veröffentlichte am frühen Morgen einen langen Bericht über den Springer-Chef und berief sich nach eigenen Angaben auf Dokumente, die aus den vergangenen Jahren stammen sollen. Es handele sich um E-Mails und Chatnachrichten aus dem engsten Führungskreis des Medienkonzerns, viele seien vom Springer-Chef selbst. Die Zeitung listete Zitate auf. Auffällig ist, dass mehrere direkt von Döpfner an den damaligen «Bild»-Chefredakteur Reichelt gerichtet worden sein sollen. Die journalistische Marke «Bild» zählt zum Springer-Portfolio.

In den Zitaten, die «Die Zeit» samt den darin enthaltenen Rechtschreibfehlern aufführt, geht es zum Beispiel um abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland. 2019 soll der Konzern-Chef laut dem Zeitungsbericht geschrieben haben: «Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen.» Weiterlesen

Sky-Doku über die Relotius-Affäre «Erfundene Wahrheit»

Von Britta Schultejans, dpa

Hamburg (dpa) – Für das Ansehen des Journalismus in Deutschland war es ein Schlag, für Deutschlands traditionsreichstes Nachrichtenmagazin war es der GAU: Der Skandal um den Fälscher Claas Relotius beim «Spiegel» erschütterte 2018 die Medienbranche. Sky zeigt von diesem Freitag (24. März) an eine bemerkenswerte Dokumentation über den Fall. Der Titel: «Erfundene Wahrheit».

Der Film beginnt mit einem jungen Mann, der aus dem Off zu sprechen beginnt. Über seine Probezeit beim «Spiegel». Darüber, wie aufgeregt er war. Der Zuschauer könnte denken, es ist Relotius, der da über seine Anfänge beim Hamburger Magazin spricht.

Relotius gilt als Wunderkind

Doch es ist nicht der Mann, der schweigt, seit bekannt wurde, dass er fast alles, was er für den «Spiegel» schrieb, frei erfunden hat. Es ist der Lokaljournalist Dennis Betzholz, der da spricht. Betzholz war damals beim Probearbeiten für den «Spiegel» gegen Relotius angetreten – und hatte den Kürzeren gezogen gegen das vermeintliche Wunderkind. Die falsche Entscheidung, wie man heute weiß.

«Ein Riesen-Systemversagen» sei das, was vor seiner Zeit als Chefredakteur da mit Relotius und dessen gefälschten Reportagen beim «Spiegel» passiert sei, sagt der heutige Chefredakteur Steffen Klusmann in der Dokumentation. Er spricht von einem «Nackenschlag». Er sagt: «Das erschüttert die Grundfesten.»

Über Relotius’ Reportagen sagt Klusmann rückblickend: «Solche Geschichten gibt es wirklich nur im Märchen – oder in Hollywood.» Sehr geschickt schneidet die Dokumentation die Reportagen von Relotius – aus dem Off von einen Sprecher vorgelesen – mit Bildmaterial der Orte, die er angeblich beschreibt, gegeneinander, um zu zeigen: Hier stimmen die einfachsten Dinge nicht.

Es gab früh Hinweise auf Fälschungen

Neben Klusmann kommt auch Juan Moreno zu Wort, Relotius’ früherer Kollege, der den Betrug bezeichnenderweise durch hervorragende journalistische Recherche aufdeckte und sich lange an den «Spiegel»-Verantwortlichen, die das alles nicht wahr haben wollten, die Zähne auszubeißen drohte.

«Das Bild war einfach zu schön. Und das bricht jetzt alles zusammen, weil dieser Scheiß-Spanier uns hier in die Suppe kackt», ist für den Fotografen Mirco Taliercio, der den Skandal mit Moreno aufdeckte, die Erklärung dafür, warum bei Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin, das «Sagen, was ist» zu seinem Wahlspruch erhoben hat, in Bezug auf Relotius lange niemand sehen wollte, was ist.

Eine Szene zeigt eine der vielen Preisverleihungen, bei denen Relotius in seiner kometenhaften Karriere geehrt wurde. Die Jury habe festgestellt, «dass es ja eigentlich Literatur ist». «Schreiben Sie das einfach so hin?» wird Relotius gefragt. Hiding in plain sight nennt man so etwas im Englischen (etwa: sich vor aller Augen verstecken).

Es habe von außen nie Hinweise gegeben, sagt Chefredakteur Klusmann. Eine Aussage, die mit denen des kurdischen Kameramannes Syara Kareb kollidiert. Denn der gibt an, «Spiegel TV» schon 2017 darüber informiert zu haben, dass Relotius einen Jungen in einem Gefängnis im Nordirak nie getroffen hatte. Relotius hatte über ihn die Reportage «Löwenkinder» geschrieben, nachdem der Junge gemeinsam mit seinem Bruder ein Selbstmordattentat geplant – und es dann, anders als sein Bruder, nicht verübt hatte.

Als Kareb diesen Jungen später für «Spiegel TV» interviewte, habe der angegeben, nie mit Relotius gesprochen zu haben. Sein entsprechender Hinweis an Hamburg sei aber offensichtlich nicht gehört worden, sagt Kareb – denn Relotius fälschte dort noch anderthalb Jahre weiter.

Der «Spiegel», um Ansehen und Image bemüht, hat den Skandal nach eigenen Angaben aufgearbeitet, eine Kommission dazu eingesetzt – auch mit internen Mitarbeitern und einen Abschlussbericht dazu veröffentlicht. In der Dokumentation kommt der Compliance-Experte Paul Milata zu Wort. Der meint, wie der «Spiegel» mit der Sache umgegangen sei, sei «weit entfernt von einem normalen Vorgehen». Das Magazin hätte demnach «deutlich mehr machen müssen».

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Axel Springer kündigt Stellenabbau bei «Bild» und «Welt» an

Berlin (dpa) – Der Medienkonzern Axel Springer streicht bei seinen Marken «Bild» und «Welt» Stellen. «In den Bereichen Produktion, Layout, Korrektur und Administration wird es deutliche Reduzierungen von Arbeitsplätzen geben», teilte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in einem Schreiben an die Mitarbeiter mit, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag.

Der Springer-Chef erläuterte: «Wir werden gleichzeitig Arbeitsplätze aufbauen und abbauen. Dafür wird es ein Freiwilligenprogramm geben.» Der 60-Jährige schrieb auch: «Betriebsbedingte Kündigungen versuchen wir zu vermeiden.» Konkrete Zahlen wurden nicht genannt. Weiterlesen

RTL plant Wegfall von 700 Stellen bei Gruner + Jahr

Hamburg/Köln (dpa) – RTL Deutschland plant in seinem Zeitschriftensegment um den früheren Verlag Gruner + Jahr den Wegfall von rund 700 der 1900 Stellen. Dazu werden Magazintitel eingestellt und Verkäufe geprüft, während in die verbleibenden Kernmarken wie zum Beispiel «Stern» vor allem im Digitalen investiert wird, wie der Medienkonzern am Dienstag mitteilte. Hintergrund ist das drohende Abrutschen der rückläufigen Publishing-Geschäfte in die Verlustzone.

Konkret sehen die Pläne so aus: Die 13 Marken «Stern», «Geo», «Capital», «Stern Crime», «Brigitte», «Gala», «Schöner Wohnen», «Häuser», «Couch», «Geolino», «Geolino mini» sowie die digitalen Bereiche von «Eltern» und «Chefkoch» bleiben im Portfolio. Sie machen nach Unternehmensangaben etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Bis 2025 sind Investitionen von rund 80 Millionen Euro geplant. Weiterlesen

Axel Springer will Amerikas größter Verlag werden

Berlin (dpa) – Der Medienkonzern Axel Springer will in den USA seine Reichweite deutlich ausbauen. Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner sagte im Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Heute sind wir nach Reichweite der viertgrößte Verlag in den USA. Wir haben dort in den letzten 15 Monaten 400 Journalistinnen und Journalisten eingestellt.» Gefragt, wo Springer in fünf Jahren stehen werde, sagte der 60-Jährige: «In den USA wollen wir weiter wachsen. Von Platz 4 kann man auf 3, von 3 auf 2, vielleicht sogar eines Tages von 2 auf 1. Unmöglich ist das nicht.»

Döpfner erläuterte: «Politico wird in den USA und auch in Europa expandieren und kann eine echte internationale Marke werden.» Mit Insider sei man heute schon in 19 verschiedenen Ländern. «Vielleicht werden wir auch noch neue publizistische Angebote dazu kaufen. Und selbst gründen.»

Springer schloss im Oktober 2021 den Kauf der digitalen US-Mediengruppe Politico ab – das war die größte Unternehmensübernahme der Firmengeschichte. Zu Axel Springer gehören auch die journalistischen Digital-Marken Insider und Morning Brew. Der Konzern, der in Deutschland vor allem durch die Marken Bild und Welt bekannt ist, beschäftigt nach eigenen Angaben weltweit mittlerweile 3400 Journalisten, davon einen immer größeren Teil in den USA. Döpfner sagte: «Das sind doppelt so viele Journalisten wie die “New York Times” oder das “Wall Street Journal” und mehr als BBC und News Corp.» Weiterlesen

Harrys Memoiren stürmt auch deutsche Buch-Charts

Baden-Baden (dpa) – Die Memoiren von Prinz Harry stürmen die deutschen Buch-Charts. Wenige Tage nach dem Erscheinen steuert der Titel «Spare» (dt. Titel «Reserve») auf die Zahl von 100.000 verkauften Exemplaren zu, wie Media Control am Freitag mitteilte. Allein am ersten Verkaufstag am Dienstag (10.1.) wurden demnach 40.000 Exemplare in Deutschland verkauft. Weiterlesen

Inflation und Online-Konkurrenz: Notenmarkt ist unter Druck

Von Jens Albes, dpa

Mainz/Kassel (dpa) – Der deutsche Musiknotenmarkt hat eine jahrhundertealte Tradition und weltweites Renommee. Doch die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre sind nicht spurlos an der Branche vorbei gegangen.

Der Vizepräsident des fast 200 Jahre alten Deutschen Musikverleger-Verbands (DMV), Clemens Scheuch, geht beim Notenmarkt für Klassische Musik von einem Umsatzminus von 30 bis 60 Prozent seit 2019 aus. «Es ist zu befürchten, dass nächstes Jahr einige Verlage schließen müssen«, sagt er.

Scheuch beziffert den Umsatz mit Noten auf gut 93 Millionen Euro im Jahr 2019. Jüngere Branchenzahlen liegen ihm noch nicht vor. Der Buchmarkt erlöste im selben Jahr rund 9,3 Milliarden Euro.

Rund 350 Musikverlage gebe es in Deutschland – wenige große, viele kleine. «Nur ein bis zwei Handvoll reißen überhaupt die Zehn-Millionen-Euro-Grenze beim Jahresumsatz», sagt der DMV-Vizepräsident, der auch den Bärenreiter-Verlag in Kassel leitet. Dieser feiert 2023 sein 100-jähriges Bestehen.

Im Land von Bach, Beethoven und Brahms hat die traditionsreiche Branche weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Bärenreiter-Sprecher Johannes Mundry sagt: «Das Musikverlagswesen ist eine deutsche Erfindung.» Außer in England, Frankreich und den USA gebe es nirgendwo mehr viele Musikverlage. Das Auslandsgeschäft sei auch einfach für Deutschlands Branche: «Für die «Zauberflöte» können Sie in Sydney die gleichen Noten verwenden wie hier.»

Pandemie traf die Musikbranche schwer

Bereits 252 Jahre alt ist der deutsche Marktführer Schott Music in Mainz. Prokuristin Christiane Albiez betont: «Die Pandemie hat das Musikleben bis ins Mark erschüttert.» Konzertverbote «ließen unsere Einnahmen von einem Tag auf den anderen einbrechen». Viele Monate Kurzarbeit bei Schott hätten die Herausgabe neuer Titel gedämpft.

«Bisher unvorstellbare Preiserhöhungen» infolge des Ukraine-Krieges etwa für Energie, Papier und Verpackungen kommen laut Albiez hinzu. Die hohe Inflation sorge auch für Kaufzurückhaltung bei Musiknoten. Zudem kehre das Publikum für Konzerte und Opern nur langsam zurück: «Man hat sich so gemütlich eingekuschelt auf dem Sofa.»

Albiez ergänzt aber mit Blick auf die Entspannung bei Corona: «Irgendwann reicht’s, dann wollen die Menschen wieder inspiriert, unterhalten, von live gespielter Musik begeistert werden.» Schott habe auch die Pandemie genutzt, um den Online-Shop komplett zu überarbeiten und noch mehr Titel zum Download anzubieten. Rund 30 000 Notenausgaben gebe es hier inzwischen.

Die Zahl der traditionellen Handelspartner, der inhabergeführten Musikalienhandlungen, ist dagegen gewaltig gesunken. Bärenreiter-Sprecher Mundry sagt: «In Frankfurt am Main und Kassel kenne ich gar keine mehr und in Wiesbaden nur noch eine. Viele andere deutschen Großstädte haben auch keine mehr.»

Schwieriger Kampf gegen illegale Verbreitung im Internet

Insgesamt haben die Musikverlage nur langsam auf das Internet reagiert. Dort gibt es auch illegale Notenangebote. Schott-Prokuristin Albiez betont: «Wir suchen diese Rechtsverstöße und gehen dagegen vor.» An die Anbieter digitaler Noten weit weg im Ausland ist indes nicht immer leicht heranzukommen.

Etliche Noten gibt es aber auch kostenlos und legal im Netz. Für die Urheberrechte gilt zwar eine 70-jährige Frist. Viele Komponisten sind aber schon länger tot. Das Internetportal imslp.org etwa bietet Hunderttausende Stücke, oft Scans alter Notenausgaben, entweder gratis – oder mit einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft zur Unterstützung des Projekts. Scheuch sagt: «Für Hobbymusiker sind diese Gratisangebote wunderbar. Aber Profis wollen Ausgaben mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand haben, die kaufen eher Noten.»

Entweder als Papierausgabe oder als Download, beides oft mit Einführungstexten. Laut Albiez bevorzugen kleinere Ensembles und Solisten häufig Noten auf einem Tablet, im Jazz und Pop ohnehin. Profi-Orchester dagegen wünschten «nach wie vor meist physische Noten – das ändert sich viel langsamer, als wir erwartet haben.»

Der Pianist und Musikpädagoge Christian Vogt in Eltville bei Wiesbaden verkörpert Tradition und Digitales in einer Person. Bei wichtigen Klavierwerken schwöre er auf seine Papiernoten mit eigenen Anmerkungen: «Bleistift, Radiergummi und gebundene Noten gehören da einfach zusammen.» In seiner Indie-Rock-Formation Gribaldies dagegen halte er gerne alles mit einem Tablet fest: «Das geht schneller.»

Manche Orchestermusiker blättern bei Tablet-Noten mit Bluetooth-Fußpedalen – eine deutliche Vereinfachung, ihre Hände können nahtlos weiter spielen. Bärenreiter-Chef Scheuch sagt aber auch: «Andere Profis halten Papiernoten für sicherer – sie haben Angst vor einem technischen Absturz ihres Tablets in einem Konzert.»

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