Superstreiktag legt Deutschland lahm

Von Matthias Arnold und Basil Wegener, dpa

Berlin (dpa) – Deutschland dürfte an diesem Montag in weiten Teilen ins Verkehrschaos stürzen. Mit einem doppelten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi den Verkehr weitgehend lahmlegen. Ausfälle und Verspätungen betreffen Millionen Reisende und Pendler – Überblick über eine beispiellose Eskalation:

Welche Bereiche werden betroffen sein?

Der öffentliche Verkehr in großem Umfang – und mit bestimmten Autobahnen auch Teile des Autoverkehrs. Die EVG bestreikt die Bahn, so dass der Betrieb im Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr stillsteht. «So gut wie kein Eisenbahnverkehr» werde möglich sein, sagt Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Bestreikt werden in großem Umfang die deutschen Flughäfen – laut Flughafenverband ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Stark eingeschränkt werden soll auch die Binnenschifffahrt.

Was ist im Nahverkehr geplant?

Hier soll in sieben Bundesländern so gut wie nichts mehr gehen – in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in Bayern. Bereits Anfang März hatte Verdi in diesen Ländern Busse, Bahnen, Straßenbahnen zum Stillstand gebracht.

Was kommt auf Autofahrerinnen und Autofahrer zu?

Geschlossene Tunnel – aber zunächst war noch nicht klar, wo genau. «Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen», kündigte Verdi-Vize Christine Behle an. Diese würden geschlossen – die Durchfahrt sei faktisch dann unmöglich. Als Beispiel nannte Behle den Elbtunnel in Hamburg.

Wann beginnt der Großstreik genau?

In der Nacht auf Montag um 00.00 Uhr soll es losgehen – 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisenden ausdrücklich, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden. «Wir werden keinen Fahrgast aus dem Bus werfen», sagte Behle.

Was bedeutet der Streik für die Schifffahrt?

Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche seien dann komplett blockiert, der Hamburger Hafen werde für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein.

Gab es schon derartige Gemeinschaftsstreiks?

Ja, Anfang der 1990er Jahre. Damals wurden während eines sogar mehrwöchigen Streiks der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland gleichzeitig bestreikt. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf – nicht um Warnstreiks.

Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?

«Das ist eine ungewöhnliche Sache», sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: «Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.»

Bleibt ein Streiktag dieses Ausmaßes einmalig?

Das ist offen. Die Gewerkschaften zeigen sich äußerst entschlossen. «Wir können streiken», betonte Verdi-Chef Frank Werneke. Tarifexperte Schulten erwartet aber derzeit eher, dass der gemeinsame Streiktag «erst einmal eine punktuelle Aktion» bleibt, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.

Warum gibt es den Superstreiktag?

Aus Sicht der Gewerkschaften zeigen die Arbeitgeber in mehreren Tarifrunden zu wenig Bewegung. Mit der Großaktion am Montag lassen sie pünktlich zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst die Muskeln spielen. Für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen verlangen Verdi und der Beamtenbund dbb 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die EVG kämpft derweil mit mehreren Unternehmen um mehr Geld – besonders im Blick: die Deutsche Bahn.

Wie reagieren die Arbeitgeber auf die Ankündigungen?

Mit heftiger Kritik. «Nicht ok» ist die massive Ankündigung für die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Welge argumentiert, dass ein Ergebnis schließlich in der dritten Runde in Potsdam gefunden werden könne. Auch Bahn-Personalvorstand Seiler forderte «eine zügige Lösung» statt eines großen Warnstreiks.

Welche Szenarien gibt es?

Für den öffentlichen Dienst erinnert Tarifexperte Schulten an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde – und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten.

Verkehrsstreik mit Auswirkungen auf Busse und Schifffahrt

Mainz (dpa/lrs) – Der für Montag geplante bundesweite Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Verdi wird auch Auswirkungen auf den Verkehr in Rheinland-Pfalz haben. Im Verdi-Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland werden sich nach Gewerkschaftsangaben vom Donnerstag die Mitarbeiter der Betriebe SWK Kaiserslautern, Verkehrsbetriebe Pirmasens, Mainzer Verkehrsgesellschaft, KRN Kommunalverkehr Rhein-Nahe GmbH und RNV Ludwigshafen an dem Streik beteiligen.

Darüber hinaus wurden die Beschäftigten der DB Regio Bus Mitte an den Niederlassungen Ingelheim und Mainz, die Strecken für die Mainzer Verkehrsgesellschaft fahren, zum Solidaritätsstreik aufgerufen. Auch die Mitarbeitenden der Wasser-und Schifffahrtsverwaltungen Mosel-Saar-Lahn an den Standorten Trier und Koblenz sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Oberrhein sollen den Angaben zufolge die Arbeit niederlegen. Das Saarland war von dem Verdi-Streikaufruf im ÖPNV nicht betroffen. Weiterlesen

Frankfurter Flughafen: Kein regulärer Verkehr am Montag

Frankfurt/Main (dpa) – Nach der Warnstreikankündigung von Gewerkschaften gibt es am kommenden Montag keinen regulären Passagierverkehr am Frankfurter Flughafen. «Alle Aufgaben, die einen vollumfänglichen Flugbetrieb ermöglichen», seien aufgrund des Warnstreiks ausgesetzt, teilte die Betreibergesellschaft Fraport mit. «Fraport bittet Passagiere daher dringend, von einer Anreise zum Flughafen abzusehen.» Auch Umsteigeverkehre könnten am größten deutschen Flughafen nicht stattfinden. Fraport zufolge waren an diesem Tag ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit insgesamt rund 160.000 Passagieren geplant. Weiterlesen

Anwohner: Kritik an Wissings Absage an Bahn-Tempolimit

Mainz (dpa/lrs) – Bahnlärmgeplagte Anwohner kritisieren die Absage von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) an Forderungen nach maximal Tempo 50 auf der Mittelrhein-Bahntrasse. Mit Güterzügen nachts mit Tempo 100 durch das Mittelrheintal zu rasen, das sei zudem höchst gefährlich, wie das Zugunglück in Griechenland mit 57 Toten kürzlich gezeigt habe, teilte der Verein Bürgernetzwerk Pro Rheintal am Donnerstag mit. Er fordert schon länger Tempo 50 für die Bahn in Ortschaften am Mittelrhein – das Tal gehört zum Unesco-Welterbe. Weiterlesen

Verkehrs-Warnstreik: Macht Verdi auch den Elbtunnel dicht?

Berlin (dpa) – Die Gewerkschaft Verdi will an dem groß angelegten Verkehrs-Warnstreik an diesem Montag auch Straßentunnel bestreiken. «Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen», sagte Verdi-Vize Christine Behle am Donnerstag in Berlin. Verdi könne zunächst noch nicht konkret sagen, welche Tunnel betroffen seien. Es würden aber bestimmte Tunnel geschlossen, «durch die man dann faktisch nicht fahren kann, beispielsweise der Elbtunnel» in Hamburg. Die Gewerkschaften Verdi und EVG wollen an diesem Montag in einem großangelegten Verkehrsstreik weite Teile des Bahn-, Luft- und Nahverkehrs lahmlegen.

Zwei Verletzte bei Unfall nach gefährlichem Überholmanöver

Mayen (dpa/lrs) – Bei einem riskanten Überholmanöver ist es im Landkreis Mayen-Koblenz zu einem schweren Unfall gekommen. Dabei seien am Mittwoch zwischen Kehrig und Mayen-Alzheim zwei Menschen verletzt worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Zuvor hatte der 19-jährige Fahrer den Angaben zufolge in gefährlicher Weise zwei Autos überholt. Danach sei er auf der Gegenfahrbahn geblieben, um noch einen Lastwagen zu überholen. Er habe keine Sicht auf den Gegenverkehr gehabt, so die Polizei. Sein Wagen sei dann mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen sei. Die Fahrerin wurde dabei schwer und der 19-Jährige leicht verletzt. Sein Führerschein wurde beschlagnahmt und ein Strafverfahren eingeleitet.

Die irrsten Rikschas der Welt

Von Carola Frentzen und Genevieve Tan Shu Thung, dpa

Malakka (dpa) – Auf dem Roten Platz vor dem historischen Stadthuys von Malakka herrscht kunterbuntes Treiben. Minions drängen sich neben Minnie Maus, Little Ponys konkurrieren mit Pokemons, und Hello Kitty versucht, Spider-Man die Klienten abzuwerben.

Seit die Küstenstadt im Südwesten Malaysias 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde, hat sich neben den bunten Häuschen, den hübschen Galerien und der Flaniermeile Jonker Walk noch eine weitere Attraktion etabliert: Mit viel Plüsch beladene Fahrrad-Rikschas kutschieren Gäste durch die Kolonialgeschichte – und erfüllen dabei musikalische Kundenwünsche.

Eine Familie aus Indien steht unschlüssig vor den Wagen, die hier Trishaw oder Beca genannt werden. Die Wahl fällt auf ein Exemplar mit Figuren aus der koreanischen Serie «Squid Game» – der kleine Sohn hat entschieden. Die unheimlichen Wächter aus dem Netflix-Hit prangen auf einem Herz aus roten und weißen Plastikrosen. Umrahmt wird das Ensemble von silbernem Glitter. Das kleine Dach zum Schutz vor Regen und Sonne sieht aus wie ein Schmetterling. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache «Kitsch as Kitsch can».

Udo Jürgens in Malaysia

«Das gibt es nur hier, in Malakka», lacht Rikschafahrer Francis und reicht den Kunden sein Smartphone. Auf Youtube können sie die Begleitmusik für ihre Rundfahrt wählen. Ohrenbetäubend laut schallt kurz darauf indische Popmusik aus den Lautsprechern, und Francis tritt in die Pedale. Auf der anderen Seite fährt eine Rikscha voller niedlicher Stofftier-Ponys vor, eingehüllt in einen himmelblauen Rausch aus Kunststoffblumen, dazu die Klänge von «Aber bitte mit Sahne». Udo Jürgens in Malaysia? Zwei deutsche Touristinnen und das Smartphone ihres Fahrers Muhammad machen es möglich.

Der Beruf des Rikscha-Fahrers ist in Malakka «family business». Fast alle erzählen, dass bereits ihre Großväter und Väter in der Branche tätig waren. Früher wurden die Trishaws auch von den Einwohnern selbst benutzt. Kinder fuhren damit zur Schule, die Mütter zum Markt. «Mein Opa und mein Vater haben auch schon Rikschas gefahren, aber ich bin der erste, der seine herausputzt», erzählt Muhammad stolz.

Erst der Teddy, dann der Hype

Aber woher kommt der Trend? «Einer hat vor etwa 15 Jahren mal einen Teddybären vor seine Rikscha geschnallt. Damit hatte er so einen Erfolg, dass andere das nachgemacht haben», sagt der 25-Jährige. Dann gab es kein Halten mehr, und aus dem einzelnen Teddy wurde ein regelrechter Deko-Hype. Ursprünglich hätten die Fahrer damit Kinder locken wollen, «aber die Erwachsenen lieben es mittlerweile mindestens genauso», lacht Muhammad.

Die Lizenzen werden von der Tourismusbehörde vergeben. Beca-Fahrer, das ist ein ganz offizieller Job für 300 stolze Fahrer. Bis vor ein paar Jahren waren es noch mehr als 400, aber das Getümmel und der Geräuschpegel nahmen dermaßen überhand, dass die Behörde sich genötigt sah, die Zahl der Zulassungen zu beschränken.

«Viele Leute, die in Malakka leben, finden die Dinger einfach zu laut», sagt Boson Goh, der in der berühmten Jonker Street einen Antiquitäten-Laden führt. «Aber für die Fahrer ist es ihre Lebensgrundlage, und sie verdienen ja auch wirklich gut», fügt der 44-Jährige hinzu.

Die lange Tour von 30 bis 40 Minuten kostet – inklusive Fotostopps – 50 Malaysische Ringgit (10 Euro), die kurze von etwa 10 Minuten die Hälfte. Manche Fahrer verdienen sich noch etwas dazu, indem sie hinten an der Rikscha Werbeschilder platzieren. Im Schnitt liegt das Einkommen – so sagen die meisten übereinstimmend – zwischen 6000 und 8000 Malaysische Ringgit im Monat (1250 bis 1750 Euro). Das ist mehr, als in dem Königreich Lehrer oder Polizisten bezahlt bekommen.

Hello Kitty ist sehr populär

Herausstaffiert werden die Trishaws in speziellen Dekorations-Shops – darum müssen sich die Fahrer nicht selbst kümmern. Das Design ihrer Vehikel ändern sie etwa einmal im Jahr. Das Thema können sie selbst wählen. «Hello Kitty ist gerade sehr populär», sagt Muhammad und schaut etwas nachdenklich auf die blauen und rosa Pferdchen an seinem eigenen Wagen. Vielleicht hatte er dieses Mal kein so glückliches Händchen: «My Little Pony ist gerade selbst bei kleinen Mädchen nicht so beliebt», räumt er ein.

Die meisten Touren werden von Besuchern und Besucherinnen aus China und Südkorea gebucht, wie die Fahrer erzählen. Manche reservierten für ganze Reisegruppen bereits im Voraus. Aber auch Gäste aus anderen Teilen der Welt ließen sich für die irren Rikschas begeistern, sagt Francis, nachdem die indische Familie ausgestiegen ist. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Rikscha-Fahrer, das ist bei den tropischen Temperaturen ein Knochenjob. Gangschaltung? Gibt es nicht. Deshalb dürfen maximal zwei Erwachsene und ein Kind mitfahren.

Wenn es Nacht wird in Malakka, laufen die Becas erst richtig zur Hochform auf: Dann gesellen sich zum Farbenmeer aus Plüsch und Plastik noch elektrische Lichterspiele. Die Augen von Hello Kitty leuchten auf, die Pokemons strahlen und Spider-Mans Kopf ist von einem blinkenden Reif umgeben. Dazu dröhnen südkoreanischer Pop, feuriger Salsa-Beat und ein chinesisches Liebeslied. Die schrillen Dreiräder mögen vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein – aber kaum einer kann umhin, bei ihrem Anblick zu lächeln.

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Verkehrsminister stellen Beratungsergebnisse vor

Aachen (dpa) – Die Verkehrsminister der Bundesländer beenden am Donnerstag ihre zweitägigen Beratungen in Aachen. Am Mittag (13.00 Uhr) stellt der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK), Nordrhein-Westfalens Ressortchef Oliver Krischer (Grüne), gemeinsam mit mehreren Amtskollegen die Ergebnisse vor.

Auf der Agenda der Minister standen vor allem offene Regelungsdetails zum 49-Euro-Ticket, für das der Bundestag vergangene Woche grünes Licht gegeben hatte. Es soll ab dem 1. Mai deutschlandweit im Nahverkehr gelten. Vorgesehen ist ein digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement. In einigen Regionen haben die Verkehrsverbünde bereits spezielle Zusatzfahrscheine für Extra-Leistungen in Aussicht gestellt – etwa um weitere Personen, Tiere oder Fahrräder günstig mitnehmen zu können. Hier soll sich die Verkehrsministerkonferenz um Harmonisierungen bemühen. Weiterlesen

«Eine ungewöhnliche Sache» – Kommt jetzt der Superstreiktag?

Von Basil Wegener und Matthias Arnold, dpa

Berlin (dpa) – Pünktlich zum Start der nächsten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst könnten die Warnstreiks im Verkehr in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreichen. Seit Tagen gibt es Mutmaßungen über einen großangelegten Warnstreik, der den öffentlichen Verkehr am kommenden Montag (27. März) weitgehend lahmlegen könnte. Wie ist der Stand – was könnte auf die Fahrgäste zukommen?

EVG: «Streikgefahr ist real»

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG sieht die Verantwortung für mögliche Warnstreiks im Bahnsektor bei der Deutschen Bahn. «Die Streikgefahr im Schienenverkehr ist real, und dafür trägt die Deutsche Bahn maßgeblich Verantwortung», teilte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch am Donnerstag mit.

«Jedem war klar, dass wir aufgrund der Termindichte sehr diszipliniert verhandeln müssen», ergänzte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay. Diese Disziplin lasse die Bahn vermissen. Der Arbeitgeber nehme «billigend in Kauf, dass die Eisenbahnen bestreikt werden und glaubt, uns dafür die Schuld in die Schuhe schieben zu können, indem er meint, uns nun an den Verhandlungstisch zurückrufen zu können».

Welche Bereiche könnten betroffen sein?

Der öffentliche Verkehr in großem Umfang. So ist im Bereich der EVG der Fernverkehr auf der Schiene betroffen. Und Verdi kann den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Ländern bestreiken – aber nicht nur. Bereits Anfang März hatte die Gewerkschaft den öffentlichen Nahverkehr in sechs Bundesländern und einigen Städten weitgehend lahmgelegt – damals im Schulterschluss mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future. Doch weil auch Kommunalbeschäftigte an Flughäfen im Ausstand waren, waren an mehreren Tagen auch jeweils Zehntausende Flugpassagiere betroffen. Und am Mittwoch war zudem der Hamburger Hafen streikbedingt für große Schiffe gesperrt worden.

Sind Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?

«Das ist eine ungewöhnliche Sache», sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: «Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.» Allerdings könnte ein möglicher gemeinsamer Streiktag «erst einmal eine punktuelle Aktion» sein, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.

Wo stehen die Verhandlungen bei der Bahn?

Die EVG hatte Ende Februar die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen begonnen. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen von zusammen 2500 Euro in Aussicht gestellt.

Wie ist der Verhandlungsstand im öffentlichen Dienst?

Die Blicke richten sich nach Potsdam. In angespannter Lage beginnt hier am Montag die auf drei Tage angesetzte dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber bieten bisher aber nur 5 Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro – für die Gewerkschaften «eine Zumutung», wie sie sagen.

Wie eskalationsbereit zeigen sich die Gewerkschaften?

Verdi-Chef Frank Werneke scheint seine Gewerkschaft durch die vielen Aktionen der vergangenen Wochen geradezu beflügelt zu sehen – auch Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche waren betroffen. «Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen», sagte er etwa in Köln auf einer von vielen Kundgebungen. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein mögliches Scheitern angestellt. dbb-Chef Ulrich Silberbach sagte am Mittwoch bei einer Kundgebung in Berlin: «Vor allem die Komplettverweigerung der Kommunen, einen Mindestbetrag auch nur in Erwägung zu ziehen, steht dabei jeder Annäherung im Weg.» Wie der Tarifexperte Schulten erläutert, hat die Friedenspflicht bereits mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags geendet. Rechtlich stehe Warnstreiks auch während der Verhandlungen nichts im Weg. Auch die EVG betonte zuletzt immer wieder ihre Bereitschaft zum Warnstreik als «letztes Mittel».

Welche Szenarien gibt es?

Im öffentlichen Dienst kommen die hohe Inflation, die schwierige Personalgewinnung, aber auch die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen zusammen – Tarifexperte Schulten sagt: «Es ist ein sehr zugespitzter Verteilungskonflikt». Er erinnert an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde – und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten.

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Saisonauftakt: Nürburgring erwartet bis zu 20.000 Motorräder

Nürburg (dpa/lrs) – Erstmals seit 2019 lädt der Nürburgring wieder motorisierte Zweirad-Fans zum traditionellen Saisonauftakt «Anlassen» ein: «Bei gutem Wetter erwarten wir bis zu 20.000 Motorradfahrer», sagt Ringsprecher Alexander Gerhard. Treffpunkt für Biker aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Ausland soll am übernächsten Sonntag (2. April) das Fahrerlager der Rennstrecke in der Eifel sein. Weiterlesen

Bahn-Vorstand ruft «umgehend» zurück an den Verhandlungstisch

Berlin (dpa) – Vor möglichen Warnstreiks im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn hat Konzernpersonalvorstand Martin Seiler die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zur «umgehenden» Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen. «Die EVG muss sich ihrer Verantwortung stellen und endlich ernsthaft verhandeln», sagte Seiler am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mit. «Der nächste Verhandlungstermin Ende April ist viel zu spät.»

Die EVG hatte in der vergangenen Woche ein erstes Angebot der Bahn abgelehnt. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi will sie an diesem Donnerstag über die nächsten Schritte in der Tarifauseinandersetzung bei der Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen informieren. Früheren Medienberichten zufolge ist geplant, für den kommenden Montag zu gemeinsamen Warnstreiks aufzurufen. Bestätigt haben das beide Gewerkschaften bislang nicht. Allerdings betonten sie zuletzt immer wieder die Möglichkeit gemeinsamer Aktionen. Weiterlesen

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