«Vertrauensbruch»: Verbrenner-Blockade frustriert EU-Partner

Von Michel Winde und Marek Majewsky, dpa

Brüssel (dpa) – Die anhaltende deutsche Blockade des geplanten Aus für neue Verbrenner ab 2035 stößt bei europäischen Partnern auf Unverständnis und Entsetzen. EU-Diplomaten in Brüssel sprechen von einem Vertrauensbruch und kritisieren die Uneinigkeit der Regierung in Berlin. Auch die Führungsstärke von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird infrage gestellt und Vergleiche mit der ungarischen Regierung von Viktor Orban kommen auf.

«Wir finden, es ist ein Vertrauensbruch», sagt eine Diplomatin der Deutschen Presse-Agentur über das deutsche Vorgehen. Die Verhandlungen hätten in gewohnter Manier stattgefunden, Einwände hätten früher eingebracht werden können – und die deutschen Bedenken seien berücksichtigt worden.«Man würde sich wünschen, dass die koalitionsinternen Streitigkeiten vorher ausgetragen werden.»

In Zukunft werde man sich immer fragen, «was ein Abkommen mit Deutschland überhaupt noch wert ist». Womöglich würden auch andere Länder auf die Idee kommen, sich ebenso zu verhalten. Ihr Fazit: «Das ist alles höchst bedenklich.»

Normalerweise eine Formalie

Denn eigentlich sollte schon seit Dienstag beschlossen sein, wovon Politiker, Autobauer und andere Beobachter ohnehin seit Monaten ausgegangen waren: dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Darauf hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober geeinigt. Im November bestätigten die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis mit deutscher Zustimmung und das Europaparlament segnete es Mitte Februar ab.

Für den vergangenen Dienstag war nun der allerletzte Schritt in dem langen Gesetzgebungsverfahren geplant: die endgültige Zustimmung der EU-Staaten – eine Formalie, die normalerweise ohne Debatte auskommt.

Denn es gab ja bereits ausreichend Möglichkeiten, eigene Wünsche einzubringen, wie mehrere Diplomaten betonen. Im Sommer etwa, als die EU-Staaten ihre Verhandlungsposition abstimmten. Oder später, als die Gespräche mit dem Parlament liefen. Aber jetzt Bedenken anzumelden – «das ist ziemlich ungewöhnlich», sagt ein EU-Diplomat. Die anderen Länder seien sehr überrascht gewesen, sagt eine andere Diplomatin. Wieder andere Vertreter von Mitgliedstaaten in Brüssel äußern sich weitaus weniger diplomatisch über das Vorgehen, das vor allem der FDP zur Last gelegt wird.

Streitpunkt E-Fuels

Denn erst Ende Februar, rund eine Woche vor der geplanten Abstimmung, äußerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing via «Bild» plötzlich Bedenken – und drohte in der Zeitung damit, dem Ergebnis nach monatelanger Verhandlung nicht zuzustimmen. Seitdem betonen Wissing und FDP-Chef Christian Lindner immer wieder, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie nach 2035 noch private Neuwagen zugelassen werden können, die klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels tanken.

Die FDP argumentiert vor allem, dass für eine klimaneutrale Mobilität alle technologischen Optionen offengehalten werden müssen. Mit E-Fuels können Verbrenner theoretisch klimafreundlich betrieben werden, ihre Herstellung ist aber verhältnismäßig energieintensiv.

Auf Druck der FDP hatte die Bundesregierung bereits im Sommer 2022 einen Zusatz in das geplante Gesetz hineinverhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag zu CO2-neutralen Kraftstoffen vorlegen soll. In der Brüsseler Behörde ist man allerdings der Ansicht, dass dieser nicht auf Privatwagen, sondern nur auf Sonderfahrzeuge wie Feuerwehrautos abzielen kann. Und so blockiert die Bundesregierung derzeit das fertig verhandelte Gesetz – zusammen mit Polen, Italien und Bulgarien. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ist Deutschland ein verlässlicher Partner?

Dabei ist sich die Ampel-Koalition selbst nicht einig. Die FDP und auch SPD-Kanzler Scholz sehen die Kommission am Zug. Das grün geführte Umweltministerium kritisiert dagegen die Blockade des Verkehrsministeriums. Ministerin Steffi Lemke warnt: «Deutschland sollte im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben.»

Doch der Schaden ist längst angerichtet. Die Vize-Regierungschefin Spaniens, Teresa Ribera, warnte kürzlich vor Szenarien, in denen andere Regierungen bei anderen Themen ähnlich vorgehen könnten. Ein weiterer EU-Diplomat sagt, solch ein Verhalten erwarte man von der ungarischen Regierung unter Viktor Orban, Deutschland habe in der EU jedoch eine besondere Verantwortung.

Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel habe verstanden, dass eine gut funktionierende EU im besten Interesse Deutschlands als größtem Mitglied und der größten Volkswirtschaft sei. «Scholz hat dies noch nicht verstanden und scheint mehr als nationaler Minister denn als Bundeskanzler zu agieren», betont der Diplomat. Einen «engstirnigen nationalen Ansatz in der EU zu verfolgen», könne Deutschland sich angesichts der Weltlage allerdings nicht leisten.

Ampel wirkt auf Brüssel zerstritten

Der Diplomat verweist zudem darauf, dass es nicht das erste Mal sei, dass die Ampel-Regierung in Brüssel als zerstritten wahrgenommen wird. Er nennt etwa die Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter, bei denen die EU-Staaten zuletzt keine Position festlegen konnten, weil die Ampel keine Linie fand.

Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte bereits Anfang des Jahres, dass Deutschland das einzige Land sei, das es sich erlauben könne, gleichzeitig drei Positionen zu ein und demselben Thema zu vertreten – je nachdem, mit welcher Partei man spreche.

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Wirtschaftsministerium unterstützt FDP in Verbrenner-Debatte

Brüssel (dpa) – Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bekommt in seinem Widerstand gegen ein pauschales Zulassungsverbot neuer Verbrenner ab 2035 in der EU Unterstützung vom grün geführten Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) sagte am Donnerstag am Rande eines EU-Treffens in Brüssel: «Wir haben immer gesagt als Deutschland: Wir unterstützen das Aus für alte, konventionelle Verbrennungsmotoren, wir wollen aber außerhalb der Flottengrenzgrenzwerte, also außerhalb dieses Gesetzes, eine Lösung für solche Verbrennungsmotoren, die nur mit nachhaltigen E-Fuels betrieben werden.» Die EU-Kommission müsse jetzt alle Koalitionspartner davon überzeugen, dass derlei Maßnahmen betrieben würden, forderte Giegold. Weiterlesen

Erstes Bundesland: Aus für Verbrenner-Taxis in Hamburg

Hamburg (dpa) – Als erstes Bundesland wird Hamburg ab 2025 keine Verbrenner-Taxis mehr zulassen. Gerade im Verkehrssektor müsse man beim Klimaschutz schnell vorankommen, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). «Das Verbrenner-Aus für Hamburgs Taxen ist hierfür ein gutes Beispiel.»

Schon jetzt würden durch die Umstellung auf elektrisch und wasserstoffbetriebene Taxis jährlich 2000 Tonnen CO2 eingespart. «Elektrifizieren wir die gesamte Flotte in Hamburg, sind es 25.000 Tonnen im Jahr», sagte der Senator. «Wir hoffen, dass von dieser Entscheidung in Hamburg eine Signalwirkung ausgeht – für Deutschland und ganz Europa.» Weiterlesen

Ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in Kalifornien

Sacramento (dpa) – Kalifornien macht beim Kampf gegen Autoabgase ernst und lässt ab dem Jahr 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zu. Die kalifornische Umweltbehörde Carb erließ die neue Regelung am Donnerstag (Ortszeit) in Sacramento. Behördenchefin Liane Randolph sprach von «ambitionierten, aber erreichbaren Zielen», mit denen Kalifornien eine landes- und weltweite Vorreiterrolle einnehme.

Gouverneur Gavin Newsom hatte die Reform zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes 2020 auf den Weg gebracht. Die Spitzenvertreter der Umweltbehörde sprachen sich nun einstimmig dafür aus. Benziner und Dieselautos sollen nach und nach von den Straßen verschwinden. Kalifornien leidet durch die Smog-Belastung in Metropolen wie Los Angeles und Waldbrände stark unter schlechter Luftqualität. Weiterlesen

EU-Parlament für Verbot von Verbrenner-Neuwagen ab 2035

Straßburg (dpa) – Im Kampf für mehr Klimaschutz will das EU-Parlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten.

Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss sich das Parlament darüber noch mit den EU-Staaten einig werden.

Ende des Monats wollen die Mitgliedstaaten ihre Position zu einem Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos festlegen. Danach müssten beide EU-Institutionen einen Kompromiss finden, damit die Vorgabe in Kraft treten kann.

Nach der Abstimmung sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Michael Bloss am Mittwoch: «Damit haben wir uns für die Zukunft des Automobilstandort Europa entschieden.» Künftig würden die besten Elektroautos und neuesten Batterien aus Europa kommen. Ganz anders sieht das sein CDU-Amtskollege Jens Gieseke. «Grüne, Liberale und Sozialdemokraten setzen leider lieber alles auf die Karte Elektromobilität.» Er fürchtet nach eigenen Worten um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und zahlreiche Arbeitsplätze. Er räumte aber ein: «Das Verbrennerverbot 2035 wird wohl nicht mehr zu verhindern sein.»

Automobilverbände üben Kritik

ADAC und der Verband der Automobilindustrie (VDA) sehen die Entscheidung ebenfalls kritisch. Es wäre besser gewesen, auch eine Perspektive für klimaneutral betankte Verbrennungsmotoren zu öffnen. Die Entscheidung wolle nicht wahrhaben, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller, dass es in weiten Teilen Europas keine ausreichende Ladeinfrastruktur für E-Autos gebe.

Die Abgeordneten sprachen sich am Mittwoch auch dafür aus, dass keine klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffe angerechnet werden können. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden. Kritiker befürchten jedoch, dass es von dem «grünen» Kraftstoff schon zu wenig für Luft- und Schifffahrt gibt, die weniger leicht als Autos oder Transporter elektrisch betrieben werden können.

Umweltorganisationen begrüßten das Ergebnis zumeist. «Heute wurde vom Europäischen Parlament ein klares Signal Richtung Antriebswechsel gesetzt», so Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Vom Nabu heißt es: «Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich.» Die Bundesregierung müsse nun dringend Maßnahmen ergreifen, damit das Ziel erreicht werde. Der Deutschen Umwelthilfe geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030.

Emissions-Paket scheiterte zunächst

Am Mittwoch fanden auch weitere Abstimmung zum Gesetzespaket «Fit for 55» statt, mit dem die EU bis 2030 klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent senken und bis 2050 klimaneutral zu werden will. Eine Reform des EU-Emissionshandels, das Herzstück der europäischen Klimapolitik, scheiterte zunächst. Eine Mehrheit der Abgeordneten lehnte eine geplante Ausweitung des Systems auf Gebäude und Verkehr ab – weil sie die Vorgaben zu lax finden. Das Gesetz wurde zurück an den Umweltausschuss verwiesen, um einen neuen Kompromiss zu finden. Wichtige Abstimmungen über einen CO2-Zoll an den EU-Außengrenzen und den Klimasozialfonds für einkommensschwache Haushalte wurden verschoben.

Der CDU-Abgeordnete Peter Liese (CDU), der für die Verhandlung des Dossiers im EU-Parlament zuständig ist, sagte: «Die Sozialdemokraten und die Grünen sind ihrer Verantwortung für Klimaschutz nicht gerecht geworden.» Nach seiner Ansicht hätte der Vorschlag an vielen Stellen den Kommissionsvorschlag verschärft und mehr Klimaschutz bedeutet.

Aus Sicht der Grünen und Sozialdemokraten dagegen war der Text schlussendlich nicht ehrgeizig genug. «Das Europäische Parlament lehnt den von der fossilen Lobby und Allianz aufgeweichten Emissionshandel ab», sagte Grünen-Politiker Michael Bloss.

Änderungsvorschlag von konservativer und rechter Seite

Der Umweltausschuss hatte zuvor dafür gestimmt, den vom Emissionshandel abgedeckten Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 67 Prozent zu senken. Eine Mehrheit im Parlament stimmte letztendlich jedoch für einen Änderungsvorschlag der konservativen EVP für eine Reduktion von 63 Prozent. «Die christdemokratische EVP hat mit der rechten Seite des Hauses versucht, den Kommissionsvorschlag zu verwässern, wo es nur möglich war», sagte Wölken von der SPD.

Der Emissionshandel ist eines der wichtigsten Instrumente zur Senkung von klimaschädlichen Emissionen und im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei müssen etwa Teile der Industrie oder Stromproduzenten für den Ausstoß von Gasen wie Kohlendioxid (CO2) bezahlen. Vorgesehen war unter anderem die Ausweitung auf kommerzielle Gebäude und den Verkehr sowie eine schnellere Drosselung der Emissionen.

Auch der geplante EU-Grenzausgleichsmechanismus – eine Art Importzoll auf CO2-Emissionen von Waren – und der Klimasozialfonds für einkommensschwache Haushalte liegen erstmal auf Eis, da sie eng mit dem Emissionshandel zusammenhängen. Wie lange es dauern könnte, bevor das Parlament über einen neuen Kompromiss abstimmen kann, ist offen.

Von Laura Dubois und Marek Majewsky, dpa

 

BMW-Chef warnt vor verfrühtem Verbot von Verbrennungsmotoren

Berlin (dpa) – Der BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse hat vor einem zu frühen und unüberlegten Verbot von Verbrennungsmotoren gewarnt.

Die Elektromobilität sei zwar heute das am stärksten wachsende Marktsegment, sagte er bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag. «Das größte Marktsegment absolut ist aber mit großem Abstand in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit, der Verbrenner. Bevor man so etwas innerhalb von acht oder zehn Jahren einfach abschaltet, muss man gut wissen, was man da tut» Weiterlesen

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