Bundesbank warnt: Deutsche Wirtschaft schrumpft weiter

Frankfurt/Main (dpa) – Die deutsche Wirtschaft ist nach Einschätzung der Bundesbank schwach ins neue Jahr gestartet. «Die Wirtschaftsleistung dürfte im ersten Quartal 2023 abermals geringer als im Vorquartal ausfallen», schreibt die Notenbank in ihrem Monatsbericht, der am Montag veröffentlicht wurde. Damit wäre Deutschland in die Winterrezession gerutscht: Sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession.

Zwar habe die Anspannung auf den Energiemärkten und die damit verbundene Unsicherheit deutlich nachgelassen, konstatieren die Volkswirte der Bundesbank. So mildern zum Beispiel die staatlichen Strom- und Gaspreisbremsen den Anstieg der Energiekosten für private Haushalte und Unternehmen ab. Investitionen und Industrieproduktion dürften davon profitieren. Weiterlesen

Rezessionsangst und Rekordgewinne – wie geht das zusammen?

Von Jörn Bender, dpa

Frankfurt/Main (dpa) – Ukraine-Krieg, Energiekrise, Rekordinflation, drohende Rezession – das Umfeld ist alles andere als günstig. Doch noch wächst die deutsche Wirtschaft und nicht wenige Konzerne fahren Milliardengewinne ein. Klingt paradox, doch es gibt Erklärungen.

Wie die «Wirtschaftsweisen» die Lage bewerten, wird das Beratungsgremium der Bundesregierung an diesem Mittwoch (9.11.) bei der Vorlage des Jahresgutachtens 2022/2023 erörtern.

Wirtschaftswachstum in der Krise – wie geht das?

Im dritten Quartal überraschte die deutsche Wirtschaft positiv: Statt des von vielen Ökonomen erwarteten Rückgangs der Wirtschaftsleistung legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent zum Vorquartal zu. Getragen wurde das Wachstum einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes zufolge vor allem vom privaten Konsum. Der Wegfall von Corona-Einschränkungen kurbelte das Geschäft von Hotels und Gaststätten an, die Veranstaltungsbranche kam wieder in Schwung.

Wie ist die Stimmung in den Unternehmen?

«Es wird regelmäßig der Untergang des Industriestandorts Deutschland verkündet», schrieb der Bonner Wirtschaftsprofessor Moritz Kuhn, jüngst auf Twitter. «Nur geben es die Daten nicht her.» Er halte die Trivialisierung zum Beispiel auf Twitter und in Talkshows «für äußerst gefährlich», sagt Kuhn auf Nachfrage: «Da werden oft Zahlenreihen ohne Kontext und Referenzpunkt nebeneinander gelegt.»

Eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zum Beispiel ergab, dass sich Unternehmen in Summe derzeit deutlich weniger Sorgen um ihre Existenz machen als während der Corona-Krise. Den Ende Oktober veröffentlichten Daten zufolge sehen 7,5 Prozent der Betriebe ihre Existenz bedroht. Im Juni 2020 waren es 21,8 Prozent. «Angesichts der kräftigen konjunkturellen Abkühlung zeigen sich die Unternehmen sehr robust», bilanzierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Für Deutschlands Maschinenbauer werden rasant gestiegene Preise etwa für Erdgas und die Schwierigkeiten bei der Energieversorgung zwar zunehmend zur Belastung. Einer im September veröffentlichten Umfrage des Branchenverbandes VDMA zufolge gibt es jedoch bis dato bei rund 90 Prozent der Unternehmen keine Einschränkungen in der Produktion.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erwartet angesichts voller Auftragsbücher ein Produktionsplus von einem Prozent im laufenden Jahr. Der VDMA-Umfrage zufolge rechnen drei von vier Unternehmen 2022 mit einem nominalen Umsatzwachstum.

Wieso verdienen manche Konzerne mitten in der Krise Milliarden?

«BP im Ölrausch», «Krise? Nicht bei der Deutschen Bank», «Lufthansa rechnet mit Milliardengewinn» – für viele Unternehmen läuft es gerade richtig gut. Der britische Energieriese BP partizipiert an hohen Ölpreisen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Deutsche Bank hat mit einem Konzernumbau schon vor Jahren die Weichen auf Wachstum gestellt und profitiert aktuell zusätzlich von steigenden Zinsen. Bei der zwischenzeitlich mit staatlichen Milliarden gestützten Lufthansa wächst dank kräftiger Ticketnachfrage und einem überaus profitablen Frachtgeschäft die Zuversicht.

Dass viele Unternehmen auf Rekordkurs sind, erstaunt EY-Partner Mathieu Meyer nicht: Die Auftragsbücher seien voll, die Kaufkraft der Verbraucher nach den Corona-Beschränkungen sei groß. «Und damit gelingt es Unternehmen erstmal, Preissteigerungen durchzusetzen. Die Nachfrageseite ist noch recht robust», sagt der Unternehmensberater.

Zwar dürften 2023 sinkende Kaufkraft und steigende Kreditzinsen für Eintrübung sorgen. «Aber aus Gesprächen mit Unternehmen nehme ich mit, dass keine komplette Krise zu erwarten ist», sagt Meyer.

Welche Rolle spielt der Staat?

Deutschland nimmt – wie schon in der Corona-Pandemie – Milliarden in die Hand, um Belastungen für Unternehmen und Verbraucher zu mindern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) brachte es bei der Vorstellung des neuen sogenannten Abwehrschirms gegen hohe Energiepreise Ende September salopp auf den Punkt: «Man kann sagen, das ist hier ein Doppelwumms.» Zwar kann auch ein wohlhabender Staat wie Deutschland nicht alles abfedern, dennoch ist dies ein stabilisierender Faktor.

Wie ist die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt?

«Insgesamt ist der Arbeitsmarkt weiter robust, insbesondere die Beschäftigung wächst weiter», sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, jüngst. Von September auf Oktober sank die Zahl der Arbeitslosen um 43.000 auf 2,442 Millionen. Die Arbeitslosenquote verbesserte sich um 0,1 Punkte auf 5,3 Prozent.

Die Bundesbank schreibt in ihrem Monatsbericht Oktober, in vielen Bereichen sei die Arbeitsnachfrage weiterhin hoch: «Über die Breite der Wirtschaft ist im Laufe des Winterhalbjahres also nicht von einer signifikanten Verschlechterung am Arbeitsmarkt auszugehen.» Mit Kurzarbeitergeld könnte der Staat die Lage zusätzlich stabilisieren.

Ist die aktuelle Lage nur so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm?

So zumindest schätzt es Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ein: Die rekordhohe Inflation lasse «die Kaufkraft der Konsumenten kollabieren». Für ein Schrumpfen des BIP im vierten Quartal spreche zudem, dass Unternehmen sich wegen steigender Unsicherheit mit Investitionen zurückhalten dürften.

Im Bundesbank-Monatsbericht Oktober heißt es: «Im gerade begonnenen Winterhalbjahr werden die Abwärtskräfte voraussichtlich deutlich zunehmen.» Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) brachte eine Umfrage unter über 24.000 Betrieben auf den Nenner: «Das Schlimmste kommt noch».

Uwe Siegmund, Chefvolkswirt des Versicherers R+V, stimmt auf schwierige Monate ein: «Alle Warnzeichen stehen auf Rot. Alle Frühindikatoren zeigen an, dass da was kommt. Wir gehen von einer größeren Rezession aus.» Allerdings erwarte er derzeit nicht, dass der Abschwung bis ins Jahr 2024 dauern werde.

«Das erste Halbjahr 2023 wird wehtun. Vielleicht haben wir unterstützende Faktoren, dass es nicht so kommt, zum Beispiel ein milder Winter und moderate Lohnabschlüsse», sagt Siegmund. «Einer meiner größten Hoffnungswerte ist der Euro. Wenn der Euro gegenüber dem Dollar wieder etwas mehr steigen würde, würde das zwar Exporte verteuern, aber es würde die Inflation deutlich beruhigen.»

Birgt die Krise auch Chancen?

Krisen seien letztlich Transformationsbeschleuniger, meint der Bonner Ökonom Kuhn: «Natürlich erhöht das die Kosten, wenn wir als Volkswirtschaft jetzt zügiger von fossilen Brennstoffen wegwollen. Aber das ist in etwa so, wie wenn ich mit dem Auto schneller auf 100 Stundenkilometer beschleunige: Das ist teurer, weil ich mehr Benzin verbrauche, aber es rollt dann auch schneller.»

EY-Partner Meyer sieht es ähnlich: «Wenn man zurückblickt, hat jede Krise die deutsche Wirtschaft eher gestärkt. Wenn man drin ist, ist es unangenehm. Aber wenn man die Krise sinnvoll nutzt, kann man durchaus gestärkt daraus hervorgehen.»

Auch der Chef der Förderbank KfW, Stefan Wintels, sieht Potenzial für Europas größte Volkswirtschaft in dem nun notwendigen Umbau etwa der Energieversorgung: Viele hiesige Unternehmen hätten Technologien, um andere Länder bei der grünen Transformation zu unterstützen. Wintels’ Fazit: «Das ist eine Riesenchance für viele deutsche Unternehmen.»

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Aussichten für Wirtschaft in der EU hellen sich auf

Brüssel (dpa) – Die Wirtschaft in der EU wird sich in diesem Jahr nach einer Prognose der EU-Kommission stabiler entwickeln als zunächst erwartet. Die Brüsseler Behörde geht für die EU nun von einem Wachstum von 0,8 Prozent und für die Euro-Staaten von 0,9 Prozent aus, wie EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte. Damit hebt die Kommission ihre Erwartungen im Vergleich zum Herbst um 0,5 beziehungsweise 0,6 Prozentpunkte an. Sowohl in der EU als auch in der Eurozone wird demnach eine Rezession ausbleiben. Auch für Deutschland sieht es besser aus.

Zwar hat die Bundesrepublik im EU-weiten Vergleich eine der geringsten Wachstumsraten. Lediglich für fünf EU-Länder wird für das laufende Jahr ein noch geringeres Wachstum als die für Deutschland erwarteten 0,2 Prozent vorhergesagt. Wie Gentiloni aber betonte, war zuvor noch erwartet worden, dass die Wirtschaft in Deutschland um 0,6 Prozent schrumpft. Weiterlesen

Land des Stillstands: Streikwelle lähmt Großbritannien

Von Benedikt von Imhoff, dpa

London (dpa) – Der wichtigste Blick vor Weihnachten gilt in Großbritannien nicht dem Adventskalender – rund um die Festtage gibt vielmehr der Streik-Kalender den Takt vor. Im Dezember gibt es kaum einen Tag, an dem nicht in irgendeiner Branche aus Protest gegen niedrige Löhne und schlechte Bedingungen die Arbeit ruht. Das öffentliche Leben steht still, die Streiks bremsen das Land aus.

Man kann den Streik-Kalender willkürlich öffnen, irgendwas findet sich bestimmt: Am Dienstag ist es erneut das Klinikpersonal, an diesem Mittwoch streiken die Rettungswagenfahrer. Auch Touristen sind betroffen. Von Freitag an gehen die Grenzbeamten in den Ausstand – bis Silvester dürfte es lange Warteschlangen bei der Einreise geben, teilweise werden wohl Flüge gestrichen. Von Heiligabend an fahren dann tagelang mal wieder kaum Züge, auch beim Eurostar zwischen London und der EU könnte es zu Problemen kommen. Ohne Auto die Verwandten zum Festschmaus zu besuchen, dürfte so gut wie unmöglich werden.

Bergeweise Post in Depots – Notaufnahmen total überlastet

Beispiel Weihnachtspost: Bei der Royal Mail gibt es seit Monaten immer wieder Streiks. Ganze Straßenzüge erhalten derzeit höchstens einmal die Woche Post. Bergeweise liegen Briefe und Päckchen in den Depots. Kürzlich machte die Nachricht die Runde, Royal-Mail-Manager sollten Verwandte und Freunde rekrutieren, um beim Sortieren zu helfen und den Rückstau vor Weihnachten wenigstes etwas abzubauen.

Beispiel Gesundheitswesen: Wer bei zuletzt eisigen Temperaturen dennoch nach dem Postboten Ausschau hielt, musste umso mehr aufpassen, nicht bei Glatteis auszurutschen – die ohnehin völlig überlasteten Notaufnahmen waren noch ausgedünnter als sonst. Staatssekretär Will Quince riet von Kontaktsport und anderen «riskanten Aktivitäten» ab. Denn erstmals in ihrer Geschichte gibt es großflächige Streiks beim Gesundheitsdienst NHS. Damit wollen Pflegekräfte und Ambulanzfahrer auch Bewusstsein schaffen für die katastrophale Situation, die viele Menschen trifft. Mehr als sieben Millionen warten auf Routineeingriffe, Notärzte brauchen viel länger als geplant, und vor den Notaufnahmen stauen sich die Krankenwagen.

Premier Sunak: «Bin wirklich enttäuscht»

Aussicht auf Besserung: Fehlanzeige. Die Fronten sind verhärtet. Miteinander geredet wird kaum, das liegt auch an den tiefen ideologischen Gräben. «Die Gewerkschaften stehlen uns Weihnachten», klagt die konservative Presse. Premierminister Rishi Sunak betont: «Ich bin wirklich enttäuscht, dass die Gewerkschaften zu diesen Streiks aufrufen, vor allem an Weihnachten, vor allem wenn es solche Folgen für den Alltag der Menschen hat.» Die Regierung betont regelmäßig, es sei einfach kein Geld mehr da nach den Corona-Hilfen.

Die Regierung wird von Tory-Hardlinern vor sich hergetrieben, die möglichst wenig staatliche Eingriffe wollen und die Vorzüge des Kapitalismus predigen. Die Gewerkschaften wiederum stehen klar auf Seite der oppositionellen Labour-Partei, die erstmals seit vielen Jahren wieder die Chance auf einen Machtwechsel wittert. «Die Einkommen von Familien wurden durch steigende Rechnungen und mehr als ein Jahrzehnt niedriger Löhne geschreddert», erklärt Frances O’Grady, Chefin des Gewerkschaftsbundes TUC, ihre Unterstützung für die Streiks. Verantwortlich dafür sei die verfehlte Tory-Politik. Die Streikwelle könnte noch weit bis ins nächste Jahr dauern.

Dramatische Wirtschaftskrise

Dass der Konflikt nicht einfach zu lösen ist, liegt am Hintergrund: Großbritannien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation ist mit rund 11 Prozent so hoch wie seit 40 Jahren nicht, die hohen Preise für Lebensmittel und Energie stürzen Millionen Menschen in Armut, die Tafeln kommen der rekordverdächtigen Nachfrage nicht mehr hinterher. Laut einer TUC-Studie werden 2022 die Reallöhne um 3 Prozent sinken – so viel wie seit 1977 nicht mehr. Von einer «Schande» spricht TUC-Chefin O’Grady. Die Aussichten geben wenig Anlass zur Hoffnung: Ökonomen rechnen mit einem langen Abschwung, mindestens bis Ende 2023.

Großbritannien steht mit diesen Problemen nicht alleine da, auch in Deutschland rechnen Volkswirte mit einer Rezession. Weltweit hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine schwere Folgen ausgelöst. Doch scheint Großbritannien noch stärker getroffen zu werden. Das liegt auch am Brexit, wie Experten betonen. Der Warenaustausch mit dem wichtigsten Handelspartner, der EU, ist eingebrochen. Der Fachkräftemangel hat sich ohne Arbeiter aus der EU noch verstärkt.

Die Realität widerspricht allen Szenarien, die die Brexit-Befürworter einst in Aussicht gestellt hatten. Lebensmittel und Energie sollten günstiger werden, gut bezahlte Jobs einfacher für Briten zu ergattern sein. Millionen sollten in den Gesundheitsdienst anstatt nach Brüssel fließen, die «Brexit-Freiheiten» das Königreich wieder zur Handelsnation machen. Bisher ist nichts eingetreten, auch deshalb hält mittlerweile mehr als die Hälfte der Bevölkerung den EU-Austritt für einen Fehler. Die Regierung um Premier Sunak, einen Brexiteer, will davon nichts wissen. Ihr Mantra: Die Probleme seien alle durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstanden.

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Ifo-Prognose: Rezession 2023 geringer als befürchtet

Berlin/München (dpa) – Die deutsche Wirtschaft wird nach einer Prognose des Ifo-Institutes im kommenden Jahr wohl nur um 0,1 Prozent schrumpfen. Die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sei bisher noch hoch gewesen. Die Rezession im Winterhalbjahr werde daher etwas milder ausfallen als erwartet, und «danach geht es wieder aufwärts», sagte der Leiter der Ifo-Konjunkturforschung, Timo Wollmershäuser, am Mittwoch in Berlin. Die Inflationsrate dürfte wegen der Strom- und Gaspreisbremse auf 6,4 Prozent zurückgehen.

Die Wirtschaft sei mit einem leichten Zuwachs im dritten Quartal «viel besser als gedacht» gelaufen, sagte Wollmershäuser. Die Verbraucher griffen in hohem Maße auf ihre Ersparnisse zurück, um die Preiserhöhungen abzufedern, und der private Konsum werde auch durch staatliche Hilfen, Renten-, Mindestlohn- und Lohnerhöhungen gestützt. Deshalb erwarten die Münchner Forscher für 2022 nun ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent statt bisher 1,6 Prozent. Weiterlesen

EZB warnt vor Risiken für Finanzstabilität im Euroraum

Frankfurt/Main (dpa) – Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht wachsende Risiken für die Finanzstabilität im Euroraum. «Die Menschen und die Unternehmen spüren bereits die Auswirkungen der steigenden Inflation und der Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit», erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos anlässlich der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts der Notenbank in Frankfurt.

«Unserer Einschätzung nach haben die Risiken für die Finanzstabilität zugenommen, und eine technische Rezession im Euroraum ist wahrscheinlicher geworden», sagte der EZB-Vizepräsident. Schrumpft die Wirtschaft zwei Vierteljahre in Folge zum Vorquartal, sprechen Ökonomen von einer «technischen Rezession». Weiterlesen

Wirtschaftsweise wollen Spitzenverdiener stärker belasten

Berlin (dpa) – Sollen Spitzenverdiener stärker zur Kasse gebeten werden – um die Lasten der Energiekrise gerechter zu verteilen? Darum geht es im Kern bei einem Vorschlag der «Wirtschaftsweisen», der viel Wirbel ausgelöst hat.

Der Sachverständigenrat spricht sich in seinem Jahresgutachten für einen befristeten Energie-Solidaritätszuschlag oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes aus, auch um die Staatsfinanzen zu schonen. Es gehe darum, die Energiekrise solidarisch zu bewältigen, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, am Mittwoch in Berlin. Finanzminister Christian Lindner (FDP) schloss Steuererhöhungen aus.

Die Wirtschaftsweisen rechnen zugleich damit, dass Deutschland wegen der Energiekrise im kommenden Jahr in eine Rezession schlittert. Sie sind aber etwas optimistischer als die Bundesregierung. Die Inflation bleibt laut Prognose hoch. Weiterlesen

Geldvermögen dürfte um gut zwei Prozent schrumpfen

Frankfurt/Main (dpa) – Die Folgen des Ukraine-Kriegs mit hoher Inflation sowie die Verschärfung der Geldpolitik dürften erstmals seit langem das Vermögen der Menschen weltweit schmälern. Nach deutlichen Zuwächsen von jeweils über zehn Prozent in den vergangenen drei Jahren sei für das laufende Jahr mit einem Rückgang des globalen Geldvermögens um mehr als zwei Prozent zu rechnen, teilte der Versicherer Allianz am Mittwoch mit. Das wäre der erste nennenswerte Vermögensverlust seit der Finanzkrise 2008. Preisbereinigt könnten die Haushalte ein Zehntel ihres Vermögens einbüßen. «Die Inflation ist eine Plage für die Mittelschicht», sagte Allianz-Chefvolkswirt Ludovic Subran, die Krise stelle auch «den sozialen Kontrakt auf die Probe».

Das Jahr 2022 markiere einen Wendepunkt. «Rückblick hui, Ausblick pfui», fasste Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets, zusammen. Der Ukraine-Krieg habe die Welt auf den Kopf gestellt und den Aufschwung nach der Corona-Pandemie abgewürgt. Auch die Aussichten schätzen die Allianz-Experten eher trübe ein. Während auf die Finanzkrise eine relativ schnelle Erholung gefolgt sei, erwartet er für die kommenden drei Jahre bis 2025 lediglich ein jährliches nominales Wachstum des Geldvermögens um 4,6 Prozent. Hier müsse die Inflation noch berücksichtigt werden. «Wir kommen dann auf sehr geringe reale Vermögenszuwächse in den nächsten Jahren, die sich mit den Wachstumsraten der letzten Jahre nicht vergleichen lassen.» Weiterlesen

Deutschland vor einer Rezession: Ende eines Erfolgsmodells?

Wirtschaftliche Entwicklung
Von Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

Frankfurt/Main (dpa) – Energiekrise und Rekordinflation treffen die deutsche Wirtschaft hart. Volkswirte rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung vom laufenden dritten Quartal an bis ins nächste Frühjahr hinein schrumpfen wird. Europas größte Volkswirtschaft steuert in eine Rezession mit längerfristigen Wohlstandsverlusten, sagen auch führende Wirtschaftsforscher in ihrer Herbstprognose voraus.

Der Konjunktureinbruch dürfte nach Einschätzung von Ökonomen in Deutschland heftiger ausfallen als in vielen anderen Ländern Europas, aber bei weitem nicht so schlimm wie im ersten Jahr der Corona-Krise 2020, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als vier Prozent geschrumpft war. Und es gibt Hoffnung, dass es bereits im Sommer 2023 wieder aufwärtsgeht.

Was sind die Ursachen des erwarteten Konjunktureinbruchs?

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hat die Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung der deutschen Wirtschaft nach zwei Corona-Jahren jäh zunichtegemacht. Der Krieg und seine Folgen potenzieren die Probleme, die Europas größte Volkswirtschaft schon vorher belasteten: allen voran steigende Energiepreise sowie Engpässe bei wichtigen Rohstoffen und Vorprodukten.

«Der Krieg in der Ukraine hat wohl das Ende des sehr erfolgreichen deutschen Wirtschaftsmodells markiert: Billige (russische) Energie und Vorleistungsgüter importieren, hochwertige Produkte in die Welt exportieren und von der Globalisierung profitieren», sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Was stützt die deutsche Wirtschaft?

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie sind nach wie vor kräftig gefüllt, auch wenn zuletzt weniger neue Bestellungen eingingen. «Insgesamt ist die Auftragslage aber weiterhin gut, so dass die Industrie in den kommenden Monaten zu einer wichtigen Stütze der Konjunktur werden kann, wenn die Lieferengpässe nachlassen», sagte Nils Jannsen vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) im August.

Zudem versucht die Bundesregierung mit milliardenschweren Entlastungspaketen die Folgen der drastisch gestiegenen Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen abzumildern. Damit könne der Staat die Lasten allerdings nur umverteilen, «aus der Welt schaffen kann er sie nicht», gibt IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths zu bedenken.

Was belastet die deutsche Wirtschaft?

Die Explosion der Energiepreise erfasst inzwischen weite Teile des Wirtschaftslebens und heizt die Inflation an. Der Einkauf im Supermarkt, Tanken oder der Restaurantbesuch – vieles ist teurer geworden. Das dämpft den Konsum als wichtige Konjunkturstütze.

«Eine hohe Inflation drückt die Kauflaune der Kunden, das sorgt für weniger Geld bei den Unternehmen, um zu investieren», erklärt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. «Das könnte eine Abwärtsspirale mit einer für ein oder zwei Jahre anhaltenden schwachen Wirtschaftsleistung in Gang setzen.»

Die steigenden Energiepreise belasten zugleich die Unternehmen. Viele Firmen haben die Produktion mancher Güter heruntergefahren, weil diese nicht mehr rentabel ist. Hinzu kommen die seit der Corona-Krise gestörten globalen Lieferketten. Durch Chinas Null-Covid-Politik, die in diesem Jahr regelmäßig zu Lockdowns in Teilen des Landes führte, geraten Lieferketten immer wieder unter Druck. Materialien und Vorprodukte sind teilweise knapp und teuer.

Wie ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt?

Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges haben bislang kaum Einfluss auf den Arbeitsmarkt. «Trotz der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten ist der Arbeitsmarkt robust», sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, im August. Volkswirte rechnen auch in den kommenden Monaten nicht mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, weil ohnehin Fachkräftemangel herrscht und der Staat mit Kurzarbeitergeld hilft.

Besteht die Gefahr einer Pleitewelle?

Der Fall des Düsseldorfer Klopapierherstellers Hakle ließ aufhorchen: Das Unternehmen ist wegen der stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten zum Sanierungsfall geworden und teilte Anfang September mit, ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt zu haben.

Eine Pleitewelle lässt sich anhand bisher vorliegender Zahlen nicht ausmachen: Im ersten Halbjahr zählte das Statistische Bundesamt mit 7113 Unternehmensinsolvenzen vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Es sei nicht auszuschließen, dass die Zahl der Firmenpleiten innerhalb der nächsten zwölf Monate um bis zu 40 Prozent steige, teilte der Verband der Insolvenzverwalter mit: «Dies wäre allerdings auf der historisch niedrigen Basis keine Insolvenzwelle, sondern eine Normalisierung der Zahlen.»

Commerzbank-Chef Manfred Knof befürchtet ebenfalls keine Pleitewelle: Aus Gesprächen mit Kunden nehme er wahr, «dass sie natürlich besorgt sind und dass schwierige Zeiten auf uns zukommen. Aber es ist überhaupt kein Grund für Panikmache», sagte Knof Anfang September.

Wie sind die längerfristigen Perspektiven?

Berenberg-Chefökonom Holger Schmieding ist trotz der bevorstehenden schwierigen Quartale zuversichtlich: «Keine Rezession dauert ewig. Dies ist vor allem ein Problem für den Winter.» Es gebe die Chance, dass sich die Konjunktur in Deutschland bereits im Frühjahr 2023 wieder stabilisiere. «Danach erwarten wir wieder Wachstum», sagte Schmieding jüngst bei der Vorstellung der Konjunkturprognose der Chefvolkswirte der privaten Banken.

«Strukturell ist die deutsche Wirtschaft weiterhin ganz gut aufgestellt», meint Schmieding: «Der Vorteil der deutschen Wirtschaft ist oftmals der Erfindungsreichtum des Mittelstandes, der kleineren und mittleren Unternehmen.»

Volkswirte rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr 2023 im Jahr darauf wieder wachsen wird. Bis dahin sollte sich auch die Inflation spürbar abgeschwächt haben. Strukturelle Probleme wie Fachkräftemangel, Abhängigkeit von Rohstoffen aus dem Ausland und Überalterung der Gesellschaft sind damit allerdings nicht vom Tisch.

Welche Rolle spielt die Geldpolitik in der Krise?

Mit zwei Zinserhöhungen im Juli und September hat die Europäische Zentralbank (EZB) der rekordhohen Teuerungsrate den Kampf angesagt. Weitere Zinserhöhungen werden erwartet. Allerdings: Höhere Zinsen sind auch eine Bürde für die Wirtschaft, etwa weil sich Kredite verteuern.

Die Inflationsbekämpfung bringe Belastungen mit sich, sie dürfte vorübergehend das Wachstum dämpfen, führte kürzlich Bundesbank-Präsident Joachim Nagel aus. «Nichts zu tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen, ist aber keine Alternative. Inflation zehrt Wohlstand auf. Sie entzieht wirtschaftliche Teilhabe, denn sie trifft die Schwächsten am härtesten», betonte der Bundesbank-Präsident.

 

Wirtschaftsexperten prognostizieren für 2023 Rezession

Berlin (dpa) – Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen angesichts der Energiekrise mit deutlichen Kaufkraftverlusten bei privaten Haushalten.

Die Lage werde sich im kommenden Jahr noch verschlechtern, da die höchsten Verbraucherpreise für Energie erst Mitte 2023 erwartet würden, sagte Wirtschaftsforscher Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag in Berlin.Erst 2024 werde sich der private Konsum wieder erholen. Weiterlesen

Deutschland am Rande der Rezession

Fragen und Antworten
Von Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

Frankfurt/Main (dpa) – Energiekrise und Rekordinflation treffen die deutsche Wirtschaft hart. Volkswirte rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung vom laufenden dritten Quartal an bis ins nächste Frühjahr hinein schrumpfen wird. Europas größter Volkswirtschaft droht eine Rezession.

Der Konjunktureinbruch dürfte nach Einschätzung von Ökonomen in Deutschland heftiger ausfallen als in vielen anderen Ländern Europas, aber bei weitem nicht so schlimm wie im ersten Jahr der Corona-Krise 2020, als das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als vier Prozent geschrumpft war. Und es gibt Hoffnung, dass es bereits im Sommer 2023 wieder aufwärtsgeht. Weiterlesen

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