Wincent Weiss schließt mit Album eine Reise ab

Von Oliwia Nowakowska, dpa

Berlin (dpa) – Wer bin ich? Der Weg zur Antwort auf diese Frage kann lang, mühsam und verwirrend sein. Der deutsche Pop-Musiker Wincent Weiss hat dafür sechs Jahre und eine ganze Albumreihe gebraucht.

Nach «Irgendwas gegen die Stille», «Irgendwie anders» und «Vielleicht Irgendwann» erscheint heute die Platte «Irgendwo ankommen». Es ist die konsequente Fortführung einer musikalischen und menschlichen Reise auf der Suche nach einer Antwort.

Der Albumtitel «Irgendwo ankommen» bedeute für ihn das Ankommen bei sich selbst. «Ich finde, das ist viel wichtigeres «Ankommen» als jetzt ein Ort, an dem man ankommt. Ich will bei mir ankommen, ich will wissen, wer meine Freunde sind, wer meine Familie ist, wer richtig hinter mir steht», sagt der 30-jährige Musiker.

Prozess musikalisch verarbeitet

Aber hat das auch in der Praxis funktioniert? Mit dem gleichnamigen Intro zur Platte spannt Weiss seine Fans nicht lange auf die Folter, sondern antwortet direkt: «Ich bin angekommen bei mir.» Dabei fundiert das Intro als ein klassischer Teaser. Denn wie das konkret dazu kam, erfahren die Hörerinnen und Hörer langsam Song für Song.

Auf «Hass mich, wenn Du willst» zum Beispiel wird deutlich, dass Weiss im Laufe seiner Reise gelernt hat, loszulassen und die Dinge einfach mal zu akzeptieren. «Bisschen schuld sind wir doch beide» und «Hass mich, wenn du willst / wenn es dir am Ende hilft», singt er und reflektiert damit eine – wie es scheint: toxische – Liebesbeziehung.

«Ich habe auf den letzten drei Alben verschiedenste Abschnitte durchlebt und verarbeitet. Vom ersten großen Liebeskummer über tiefe, einsame und dunkle Momente, um jetzt Frieden zu schließen und zu wissen, wofür jede Phase gut war», erklärt Weiss.

Im Laufe des Albums wird immer wieder deutlich: Auch schlechte Lebensphasen sind auf der Suche nach sich selbst von Bedeutung. «Ich finde, wenn man bei sich ankommen möchte, dann muss man ja wissen, was negative Seiten sind. Was so schlechte Verhaltensmuster sind, die man hat, an denen man arbeiten möchte und die man sich auch eingestehen muss», sagt Weiss.

Unterschiedliche Sounds

Was – oder besser gesagt wer – auf den verschiedenen Lebensabschnitten des Musikers gleich geblieben ist, ist ein bestimmter Mensch. Darum geht es zumindest im Song «Bleiben Wir». «Freunde kommen und Freunde gehen / Aber nicht bei uns, denn egal, was auch passiert / Ich weiß Wir bleiben Wir», heißt es dort. Musikalisch ist es ein typisches Wincent-Weiss-Lied: poppig, radiotauglich und fröhlich.

Insgesamt ist der Sound des Albums aber gar nicht so sehr in typischer Weiss-Manier produziert. Musikalisch hat man nicht den Eindruck, dass der 30-Jährige irgendwo angekommen ist – im Gegenteil. Während er auf seinen vergangenen Alben dem Pop-Sound meist treu blieb, könnten die zwölf Lieder auf «Irgendwo ankommen» unterschiedlicher nicht sein.

Mal sind sie wie «JA NEIN» laut, rockig und voller Energie, dann wieder leise und nachdenklich («Alleine Bin»). Andere verlieren sich im Moment wie «Spring». «Auf den Grund» hingegen ist ein tiefgründiger Gefühlssong. Er handelt von dem Moment zwischen zwei Menschen, in dem man sich dem Gegenüber vollkommen öffnet und ihm einen Blick in das eigene Innenleben gewährt.

Wie geht es weiter?

Die Fans von Wincent Weiss konnten ihm während seiner Karriere beim Erwachsenwerden und Reifen zuschauen. Mit seinen Alben nahm er sie auf die private Reise mit. «Seit dem letzten Album habe ich mich sehr viel mit mir beschäftigt und hab’ gelernt, in mich hineinzuhören und alte Wunden aufzuarbeiten und zu heilen», sagt Weiss.

Jetzt ist er aber angekommen. Bedeutet das ein Ende der bisherigen Wincent-Weiss-Ära? Dazu sagt der 30-Jährige: «Ankommen ist weniger die Reise an einen bestimmten Ort als vielmehr die Reise zu mir selbst. Mit dem Gelernten und gestärkten Wurzeln kann es jetzt in die nächste Lebensphase gehen.»

Künftig will er sich auch an andere Genres wagen. «Ich freue mich dieses Jahr noch aufs Touren und die Festivals, aber nächstes Jahr ziehe ich wahrscheinlich einen kleinen Cut. Ich will mich dann darauf konzentrieren, wie meine Musik eigentlich aussehen soll. Ich wollte schon immer Metal- und Rock-Musik machen und würde auch mal gerne Hip-Hop ausprobieren», sagte der 30-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

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«Die netten Jungs von nebenan»? 30 Jahre Backstreet Boys

Von Britta Schultejans, dpa

Berlin (dpa) – Es war eine der Schlüsselszenen ihrer Show: Kevin Richardson (51) und AJ McLean (45) versteckten sich bei den Konzerten ihrer Deutschland-Tournee 2022 hinter einer Art Umkleidekabine – und warfen signierte Unterhosen von der Bühne ins Publikum. «Wir revanchieren uns.»

Denn jahrzehntelang war es umgekehrt: Nach den unschuldigen Teddybären und Plüschtieren aus der Anfangszeit waren es dann weniger unschuldige Dessous, die den Backstreet Boys bei ihren Konzerten um die Ohren flogen – begleitet von ohrenbetäubendem Kreischen, das ihre Musik teilweise übertönte.

Drei Jahrzehnte geht das nun schon so. Die Gruppe, die mit Pop-Krachern wie «Quit Playing Games (with My Heart)», «Everybody» oder «I Want It That Way» Boyband-Geschichte geschrieben hat, feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum. Als Gründungsdatum gilt der 20. April 1993.

Damals waren McLean, Richardson, dessen Cousin Brian Littrell (heute 48), Howie Dowough (49) und natürlich Nick Carter (43) gerade vom umstrittenen und inzwischen im Gefängnis gestorbenen Produzenten Lou Pearlman in Florida zusammengecastet worden.

Tränen in den Augen

Alex Gernandt war ganz nah dran, als es dann in Deutschland losging mit der Weltkarriere: «Ich war dabei, als sie im November 1995 in einem italienischen Restaurant in München mit ihrer ersten Goldenen Schallplatte überrascht wurden», sagt der frühere Chefredakteur der «Bravo», der Bibel eines jeden «BSB»-Fans der 1990er Jahre. «Die Jungs hatten Tränen in den Augen, alle haben geheult vor Glück. Und dann brachen sie plötzlich weltweit Rekorde.»

Ein kalkulierter und orchestrierter Erfolg: «Vorher hatten die Jungs in Florida zwei Jahre lang hart trainiert, bis zur Perfektion. Darum sind sie auch so gut, weil sie quasi ein Bootcamp durchlaufen mussten, bevor es richtig losging», sagt Gernandt. Höflich, gut erzogen und unkompliziert seien sie gewesen. «Das waren die netten Jungs von nebenan.»

Jedes Mädchen durfte damals träumen

Es war aber nicht nur das harte Training und die damit verbundene musikalische und tänzerische Qualität, die dafür sorgte, dass die Backstreet Boys Konkurrenten wie Caught in the Act auf dem Weg in den Pop-Olymp in Windeseile überflügelten. Dazu trug auch die sorgfältige Zusammensetzung der Gruppe bei: Brian für die netten Mädchen, AJ für die rebellischen, Howie für die ruhigen, Kevin für die etwas älteren – und Nick für alle. Jede durfte träumen damals in den 1990ern.

Damals reichte bei Konzerten der schiere Anblick der damaligen Jungs, um die Mädchen in kreischende Ekstase zu versetzen. Heute ist das Kreischen auf den Konzerten heiserer geworden, die Ekstase Mojito-getränkt. Eine Stimmung wie bei einem Junggesellinnenabschied um 00.45 Uhr. Die Frauen, die heute im Publikum grölen und im Arm der besten Freundin zu «Show Me The Meaning Of Being Lonely» schaukeln, haben das größtenteils auch 1995 oder spätestens 1997 schon getan.

«Was bei den Backstreet Boys zählt, ist der Nostalgie-Faktor. Man holt sich mit ihnen einen Teil seiner Jugend zurück. Gerade in schwierigen Zeiten ist das ja ein probates Mittel – sich zurück zu träumen in die eigene noch unbeschwerte Jugend», sagt Musik-Experte Gernandt. «Und vermeintlich problematische politische Aussagen oder Skandale können den Backstreet Boys nichts anhaben, so scheint es.»

Skandale einfach abperlen lassen

Denn eine der hervorstechendsten Qualitäten der Band ist es, Skandale abperlen zu lassen. Drogen- und Alkohol-Abstürze von AJ und Nick, dessen stürmische und von Gewaltvorwürfen überschattete Beziehung zu Paris Hilton Klatsch-Schlagzeilen machte, konnten den Backstreet Boys, die später sogar ihre eigene Show in Las Vegas hatten, nichts anhaben.

Toxisches Verhalten von Carter und seinem inzwischen gestorbenen kleinen Bruder Aaron in der Reality-Show «House of Carters» blieb von der Fan-Base weitgehend ignoriert. Und dass Littrell sich offen als Donald-Trump-Unterstützer mit zumindest fragwürdigen politischen Ansichten präsentierte, scheint die Fans auch nicht sonderlich zu interessieren.

«Ob vermeintliche Skandale Auswirkungen auf den Erfolg haben und ob Fans sich abwenden, hängt auch davon ab, wie politisch eine Band vorher wahrgenommen wurde», sagt Gernandt. «Bei einer reinen Pop-Band wie den Backstreet Boys wird ein unbedachtes politisches Statement nicht so sehr auf die Goldwaage gelegt, denn Politik ist nicht unbedingt ihre Kernkompetenz und auch nicht Inhalt der Musik oder das, was die Fans an dieser Band interessiert.»

Geplante Spezial-Sendung gestrichen

Inzwischen jedoch überschatten Vorwürfe, die nicht politisch, aber schwerwiegend sind, die drei Dekaden andauernde Erfolgsgeschichte. Denn Nick Carter werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Zwei Frauen sagen, er habe sie Anfang der 2000er Jahre vergewaltigt. Carter, der inzwischen verheiratet ist und sein Familienleben mit drei kleinen Kindern offensiv auf Instagram zeigt und vermarktet, streitet die Vorwürfe entschieden ab, spricht von Verleumdung und hat eine Gegenklage angestrengt.

Der US-Sender ABC strich eine geplante Spezial-Sendung zum Weihnachtsalbum der Band, Carter selbst soll Werbedeals verloren haben, beklagten Fans in Online-Foren. Dort glaubt die überwiegende Mehrheit der Anhänger an die Unschuld ihres Teenie-Idols – und die Welttournee der Backstreet Boys läuft vor kreischendem Publikum weiter. Von Ende April an stehen Konzerte in Island, Ägypten, Saudi-Arabien, Indien und Südafrika auf dem Programm. Frei nach dem Motto: «As Long As You Love Me.»

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Everything But The Girl melden sich mit «Fuse» zurück

Von Larissa Schwedes, dpa

London (dpa) – Tracey Thorn und Ben Watt haben nicht viel zu verlieren, wie schon der Titel der ersten ausgekoppelten Single ihres neuen Albums verrät. Doch der Song «Nothing Left To Lose», den das britische Indie-Pop-Duo  Everything But The Girl schon im Januar veröffentlichte, eroberte schnell die Herzen von Kritikern sowie alten und neuen Fans.

Es könnte also viel zu gewinnen geben – mit ihrer ersten Platte seit 24 Jahren. Oder wie Thorn im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt: «Ich nehme an, wir werden damit davonkommen.»

Wenn das Album «Fuse» am 21. April erscheint, ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, seitdem das Paar zuletzt gemeinsam eine Platte veröffentlicht hat. Eine lange Zeit. Und die beiden Köpfe hinter Everything But The Girl hatten wohl selbst nicht mehr damit gerechnet, noch einmal gemeinsam Musik zu machen.

Beruflich getrennte Wege

Als die beiden rund um die Jahrtausendwende auf dem damaligen Höhepunkt ihrer Karriere beschlossen, das Projekt Everything But The Girl aufzugeben, war es keine dramatische Trennung, wie sie manch andere Band durchlebt hat. Vielmehr kam Tracey Thorn und Ben Watt das Leben dazwischen: Die beiden gründeten eine Familie, zogen ihre Kinder groß. Sie blieben ein Paar, gingen beruflich jedoch getrennte Wege.

«Wir haben versucht, unsere Leben ein bisschen zu trennen. Wir hatten das Leben zuhause und waren ein Paar, waren Eltern, aber hatten separate Arbeitsprojekte. Wir haben entschieden, dass es wohl nicht besonders gesund wäre, alles zusammen zu machen», erzählen sie im Interview.

Heute sieht das wieder anders aus: Die Kinder sind aus dem Haus, beide haben Bücher geschrieben und Solo-Projekte verfolgt: Watt war aktiv als DJ in der Club-Szene, Thorn schrieb eine regelmäßige Kolumne für das Magazin «New Statesman».

Corona hat vieles verändert

Letztlich war es die Pandemie, die den entscheidenden Funken für das überraschende Revival entzündete. «Durch Covid kam alles zum Stillstand», sagt Watt. Er selbst musste eine Tour abbrechen und verbarrikadierte sich wegen einer Autoimmunkrankheit so weit wie möglich zuhause. «Es war ziemlich hart», sind sich beide einig. «Aber als wir am anderen Ende ankamen, haben wir uns angeschaut und gefragt: Was nun? Wie machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben? Oder haben wir uns verändert? Wollen wir etwas anderes machen?»

Es war schließlich Thorn, die vorschlug, einen neuen Anlauf als Duo zu nehmen. «Ich habe gemerkt: Sie hat Recht. Wenn wir es jetzt nicht tun, werden wir es vermutlich nie mehr tun», erinnert sich Watt (60), der anfänglich zweifelte und das Projekt zunächst nur unter dem Namen TREN («Tracey and Ben») beginnen wollte, um Druck zu vermeiden.

Und so entstand «Fuse» – ein Album mit zehn Songs, von dem das Paar betont, dass es trotz seiner Geschichte kein Lockdown-Album sei, da die Aufnahmen erst ab dem Frühjahr 2022 stattgefunden hätten.

Wer Everything But The Girl noch aus den 80er und 90er Jahren kennt, als sich beide als feste Größe der britischen Indie-Szene etablierten und mit «Missing» durch den Remix des New Yorker Produzenten und DJs Todd Terry einen Welthit landeten, wird sie wiedererkennen – besonders an der ausdrucksstarken Stimme von Thorn. Diese schwebt bei Songs wie «Caution To The Wind», aber auch «Nothing Left To Lose» über einem atmosphärischen, elektronischen Klangteppich. Temporeichere Stücke wechseln sich ab mit melancholischen Songs wie «Run A Red Light» mit Piano-Klängen.

Immer wieder geht es um Neuanfänge, um den Wunsch, den Moment auszunutzen, sich mit Menschen zu verbinden und ihnen näher zu kommen. Im Rückblick kann Thorn erkennen, dass darin auch viele Lockdown-Gefühle stecken. «Wir haben davon geträumt auszugehen. Wir haben davon geträumt, Menschen zu treffen und ihnen näher zu kommen.»

Wie ein neuer Anfang

Die Zusammenarbeit mit ihrem Partner habe sich zwar vertraut, aber auch wie ein neuer Anfang angefühlt, erzählt die heute 60 Jahre alte Musikerin. «Es fühlt sich nicht wie ein Rückschritt an, sondern wie etwas Neues. Wir sind jetzt andere Leute – viel älter, mit viel mehr Lebenserfahrung.» Die lange Pause sei wohl auch ihr Geheimnis, als Paar erfolgreich zusammenzuarbeiten, meint Thorn.

Ob von der Band nach dem Comeback-Album noch mehr zu hören sein wird, ist noch offen. «Wir wollen den Moment genießen und wertschätzen. Das ist unser Baby im Moment, das all unsere Aufmerksamkeit bekommt.» Sie lebten zurzeit von Woche zu Woche – und wollen auch nichts ausschließen. «Wenn wir über 80 sind, machen wir eine Dance-Platte, die es in sich hat», witzelt Thorn und lacht schallend.

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Element of Crime: «Lange Nächte um die Ohren»

Von Gerd Roth, dpa

Berlin (dpa) – Es riecht nach abgestandenem Bier. Irgendwo ist sicher auch eine Rotweinflasche umgefallen. Und knapp neben dem Aschenbecher glimmt eine Kippe. Fehlt nur noch etwas Musik. Nicht zu wild, bloß nicht laut. Leicht melancholisch könnte gut passen. Element of Crime zum Beispiel. Mit «Morgens um vier» liefert die Band einen wunderbaren Soundtrack für die Stunden irgendwo zwischen Absacker und Katerstimmung. Das Album kommt an diesem Freitag (7.4.) raus.

Die Bilder hat die Band mit den Videos für die beiden Singles «Unscharf mit Katze» sowie «Dann kommst du wieder» gleich mitgeliefert. Es wird gefeiert, geredet, an Bars gesessen, getrunken, geraucht. «Das passt auf eine Weise, weil die Band diese Art von Geschichte auch hat», sagt Sänger Sven Regener der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Wir kommen aus diesem alten Westberliner Mauerstadt-Ding, aus einer Welt, wo man sich traditionell und immer schon lange Nächte um die Ohren haut.»

Fast vier Jahrzehnte ist die vom gebürtigen Bremer Regener gegründete Band inzwischen musikalisch in dieser Welt unterwegs. Neben dem Sänger, der auch als Schriftsteller etwa mit der Fortsetzungsgeschichte um «Herr Lehmann» erfolgreich ist, gehören noch Gitarrist Jakob Friderichs, Schlagzeuger Richard Pappik und seit vergangenem Jahr Markus Runzheimer am Bass dazu, der den gestorbenen Bassisten und Produzenten David Young ersetzte.

Runzheimer war schon länger Ersatzmann für Young. «Deshalb war das ein relativ fließender Übergang», sagt Regener. Die zweite Position hält er für nicht mehr so wichtig. «Ein Musikproduzent spielt nach über 35 Jahren bei einer Band wie uns auch nicht mehr so eine übergroße Rolle», sagt er. Anleitung für das Aufnehmen eines Albums sei nicht mehr notwendig. «Wir brauchen nur jemanden als zusätzliche Instanz, der uns eine Menge abnimmt und die Sache mit etwas mehr Distanz betrachtet.» Mit Patrick Meyer sei jemand gefunden, der gut passe und «die Band sehr gut kennt, versteht und schätzt – das ist das Wichtigste dabei».

«Die Band lebt»

Die lange gemeinsame Zeit zeigt für Schlagzeuger Pappik, «dass die Band lebt und Lust hat weiterzumachen. Immer wieder, auch wenn es mal zwischendurch eine Pause gab.» Für Regener alles keine Absicht. «Auch das ist etwas, was man sich nicht vornimmt und sagt: Hey, wir wollen diese Band jetzt so lange wie möglich durch dieses Leben und die Welt prügeln. Nein, im Gegenteil, es ist eher komisch, dass das schon so lange läuft. Wir halten das gar nicht für einen Verdienst.»

Das 15. Studioalbum, darunter 2005 der wohl größte Erfolg «Mittelpunkt der Welt» mit dem Hit «Delmenhorst», ist musikalisch dann auch keine Überraschung. Was bei Element of Crime nicht schlimm sein muss. Die Band liefert seit Jahren verlässlich gute Songs. Es geht ruhig zu, nicht zu laut, nicht zu schnell.

Der Stil erinnert häufig an Calexico. Gerade auch dann, wenn die wunderbar melancholischen Trompetensoli von Regener zu hören sind. Vor allem gibt es viel Gitarre, gern auch mal geslided. Dann klingt es manchmal nach Country, was es nicht ist. Dazu sind die Rock- und Popelemente zu beherrschend. Zehn Songs, rund 40 Minuten voll von gut hörbarer Musik.

Hinzu kommen Regeners Texte mit diesen mitunter unendlich wirkenden Sätzen, gern über mehrere musikalische Phrasen gestreckt. Etwa: «Liebe ist – wie schon Johannes Mario Simmel, sagst du, völlig richtig eines seiner besten Bücher nannte – nur ein Wort und das fehlt dir, sagst du, im Alltag nicht so sehr» in «Liebe ist nur ein Wort». Es geht viel um Verlust («Ohne Liebe geht es auch»), Zweisamkeit («Nur der Anfang»), Rückkehr («Dann kommst du wieder»), schräge Beobachtungen («Morgens um vier») oder den manchmal auch tieferen Sinn im Alltäglichen («Wieder Sonntag»).

«Eine völlig ungeregelte Zone des Bewusstseins»

Für den 62-Jährigen unterscheidet sich das Schreiben der Songs klar vom großen Konzept eines Buches. Erste Ideen kämen immer spontan, wenn er sich lange genug mit einer Melodie beschäftigt habe. «Es ist eine völlig ungeregelte Zone des Bewusstseins. Daher ist es die reine Wildnis. Da herrscht das Gesetz des Dschungels, da überleben nur die stärksten Ideen.»

Texte und Musik müssen für die Band auch stärker sein als Krisen, wie etwa die Corona-Zeit. «Es gab immer irgendwelche Krisen, wenn wir Platten aufgenommen haben. Die Welt ist so», sagt Regener. «Dennoch ist es wichtig, dass man Musik macht, dass man trotzdem Lieder entstehen lässt. Damit die Welt sich weiterdreht!»

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Sven Regener: Bei Songtexten herrscht Gesetz des Dschungels

Berlin (dpa) – Der Schriftsteller und Songschreiber Sven Regener sieht beim Texten Unterschiede zwischen Literatur und Musik. «Für die Bücher braucht man eine grundsätzliche Idee, mit der man anfängt, und dann ergeben sich die kleinen Sachen eigentlich von selber», sagte Regener («Herr Lehmann») der dpa in Berlin.

«Bei Songs ist es nochmal anders, da ist immer zuerst die Musik und dann muss ich ja den Text finden, wenn die Musik so weit fertig ist. Das hat was sehr Spontanes.» Mit seiner Band Element of Crime hat der Sänger zehn Songs für das Album «Morgens um vier» aufgenommen, das am Freitag (7.4.) erscheint. Weiterlesen

Musik als Perspektive – Grönemeyer-Album «Das ist los» Gegen die Angst

Von Gerd Roth, dpa

Berlin (dpa) – Da sucht einer. Nach von Isolation und Krisen, selbst Krieg geprägten Jahren braucht es sicher keine einfachen Antworten – aber Perspektiven, Wege, Aufbruch. Herbert Grönemeyer sucht mit seiner Musik. Das Resultat geht gut ins Ohr, ist teils mächtig tanzbar. 13 Songs, ein für seine Verhältnisse langes Album, markieren den vielschichtigen Blick des Musikers auf zwischenmenschliche Gefühle und gesamtgesellschaftliche Nöte. Der Titel wirkt wie ein Hinweis: «Das ist los» ist da.

Fragen über Fragen aus den vergangenen Jahren

«So eine Zeit wie in den letzten drei Jahren habe ich mit 66 auch noch nie erlebt. Wir alle nicht», sagt der Sänger. Die daraus resultierenden Fragen liefert er gleich mit: «Was schreibt man dann? Was ist da? Wie denkst du, wie fühlst du dich? Was hast du zu erzählen? Hast du überhaupt was zu erzählen? Wie geht es mit deinen Ängsten? Wie skeptisch bist du? Wie optimistisch bist du?»

Kunst wie etwa Musik sei «schon auch dafür da, Ängste ernst zu nehmen und gleichzeitig aber auch eine Perspektive zu formulieren». Dafür hat sich Grönemeyer zusammen mit Produzent Alex Silva in ein Haus nach Umbrien zurückgezogen. Er vergleicht es mit der Situation eines Malers: «Man sitzt zunächst wie vor einer weißen Leinwand.» Aber dann. «Diese italienische Lebensart, so eine luftige Heiterkeit, das hat uns dann schnell dabei geholfen, den Einstieg zu finden.»

Die Songs markieren nun eine hügelige Landschaft zwischen menschlichen Gefühlen und harten Realitäten, vieles noch im Nebel, aber manche Perspektive ist schon zu erkennen. Die Klavierballade «Tau» beschreibt Glück und Zweisamkeit: «Wir teilen die Kräfte auf». Im Opener «Deine Hand» singt Grönemeyer von Hoffnung, die «gerade so schwer zu finden» sei. Aber da ist eben auch jemand, der ihn gibt, «den Halt, den ich so dringend brauch’, um nicht zu brechen».

Ein Album voller Lebensfreude

Musikalisch lässt sich Grönemeyer durch seine Landschaften treiben. So wird das Album auch zu einer Zeitreise mit Anklängen früher Kraftwerk-Rhythmen («Herzhaft»), 80er Rock («Genie») oder 90er Pop («Das ist los»). Treibende Beats («Oh Oh Oh») wechseln sich ab mit Elektro- («Angstfrei») oder Hiphop-Sounds («Turmhoch»). Da steckt auch ganz viel Lebensfreude drin.

Ein Ausdruck für diese Lebensfreude kann Tanzen sein, von Grönemeyer in mehreren Songs aufgegriffen. «Nicht umsonst tanzen alle Kulturen, tanzen Kinder, weil sie sofort merken, sie sind versetzt in eine völlig andere Stimmung», sagt der Künstler. Tanzen sei elementar, um sorglos zu werden, «ein wunderbares Vehikel, um einfach mal für eine Zeit den ganzen Müll aus dem Kopf zu kriegen».

Als Musiker beschreibt er «dieses irre Privileg» für sich: «Ich gehe auf die Bühne, spiele ein Konzert und die Leute freuen sich daran. Ich kann das anschieben, dass die Leute sich in Bewegung versetzen.» Die erste Tour nach langen Pandemie-Jahren startet am 16. Mai.

Dabei kann Grönemeyer mit «Der Schlüssel» auch auf einen Song zu Migration und Flucht zurückgreifen. «Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl, Herkunft», sagt er. «Aber natürlich ganz klar: Wo fühle ich mich geborgen und in welcher Gemeinschaft fühle ich mich geborgen? Das ist ein Heimatbegriff, der – wenn man den wirklich sehr behutsam benutzt – uns alle interessiert.» Grönemeyer sieht viel von notwendiger Solidarität. «Leute versuchen hier, Flüchtlingen mit ihren Möglichkeiten eine neue Art von Heimat zu bieten. Wir sind eine starke Gemeinschaft, deswegen sind wir auch in der Lage, so vielen Menschen Schutz zu bieten.»

Starke Frauen

Starke Frauen bestimmen immer wieder Teile des Albums. «Das Aufbegehren der Frauen im Iran, Afghanistan und überhaupt weltweit seit einigen Jahren schüttelt uns andere richtig durch und ist wichtig: Wir erkennen enorme Kraft, eine bedingungslose Radikalität für weibliche und humanistische Themen und den Kampf für echte Freiheit und es wird Zeit, dass die überall gesehen wird und Dinge sich nachhaltig ändern», sagt der Sänger.

«Ohne Druck keine Diamanten» singt Grönemeyer in «Turmhoch». Wie hat er den Weg zu seinen Songs empfunden? «Der Druck für mich bei diesem Album war enorm hoch. Ich glaube, das ist auch das Drama des Alters, dass der gefühlte Druck immer höher wird. Also auch der Anspruch an einen selber.» Erwartungen kommen allerdings auch von außen. Mit «Das ist los» hat Grönemeyer sein 17. Studioalbum eingespielt. Bisher elf davon landeten auf Platz eins.

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Pink Floyd: 50 Jahre «The Dark Side Of The Moon»

Von Philip Dethlefs, dpa

London (dpa) – Es war eine Sternstunde der Rockmusik, einer jener magischen Momente, an dem alles zu passen schien. Sieben LPs hatte die britische Band Pink Floyd bereits veröffentlicht, als sie mit der Arbeit an einem Album begann, das alles verändern sollte. «The Dark Side Of The Moon» erschien im März 1973 und machte Pink Floyd zu Weltstars.

Es war ein künstlerischer und kommerzieller Erfolg, der bis heute nachwirkt. Zum 50. Jubiläum wird das epische Meisterwerk mit dem wahrscheinlich berühmtesten Albumcover der Musikgeschichte in einem gewaltigen Boxset mit reichlich Zusatzmaterial neu aufgelegt.

Endlich also wieder gute Nachrichten für Pink-Floyd-Fans. Zuletzt sorgte der Ex-Frontmann Roger Waters für Negativschlagzeilen. Immer wieder gerät der 79-Jährige mit umstrittenen Aussagen zu Israel und zum Krieg in der Ukraine in die Kritik. Weil ihm Antisemitismus vorgeworfen wird, wollen mehrere deutsche Städte seine geplanten Konzerte absagen. Waters wies die Vorwürfe zurück.

Obendrein stritten der Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour (76) und Waters, der die Band 1985 verlassen hatte, vor kurzem wieder einmal öffentlich miteinander. Die beiden ehemaligen Kollegen gelten seit langem als Intimfeinde. Der dritte noch lebende Pink-Floyd-Musiker, Schlagzeuger Nick Mason (79), hält sich raus.

Harmonie zu Beginn der Siebziger

Anfang der 1970er Jahre ging es noch sehr harmonisch bei Pink Floyd zu, zu denen damals noch der 2008 gestorbene Keyboarder Richard Wright gehörte. «Man fühlte, dass die gesamte Band an einem Strang zog», erinnerte sich Wright in dem Dokumentarfilm «The Making of The Dark Side Of The Moon» zum 30. Jubiläum. Und Waters nannte den Grund dafür. «Ich glaube, das lag daran, dass wir noch ein gemeinsames Ziel hatten: reich und berühmt zu werden.»

Psychedelic Rock

Bis dato waren Pink Floyd vor allem für psychedelischen Rock mit ausufernden Instrumentalpassagen bekannt. 1968 hatte sich die Band vom Gründer und Songwriter Syd Barrett getrennt, dessen exzessiver Drogenkonsum und damit verbundene mentale Probleme die Zusammenarbeit unmöglich machten. So übernahmen die verbleibenden Mitglieder das Songwriting. Ihr Sound entwickelte sich mehr und mehr zum Progressive Rock – komplexer, aber gleichzeitig melodischer und zugänglicher.

Die Arbeiten zu «The Dark Side Of The Moon» begannen laut Gilmour im Londoner Stadtteil Bermondsey in einem Proberaum, der in einem alten Lagerhaus gelegen war, das den Rolling Stones gehörte. «Ich weiß nicht, wie viel da wirklich geschrieben wurde», so Waters. Was er meint: Pink Floyd jammten ausgiebig und entwickelten dabei Songideen.

Zeit, Stress, Kommerz, Gier

Alle vier sind als Songwriter gelistet – Waters allerdings am meisten. Die Texte schrieb der Sänger und Bassist allein. Sie handelten von Themen und Herausforderungen des täglichen Lebens, von Zeit, Stress, psychischen Problemen, Gier, Kommerz und Tod. So düster die Lyrik auf «The Dark Side Of The Moon», so erhebend ist die Musik. Allen voran das meditative «Breathe». Fast schon verträumt klingt «Us And Them», obwohl es von Krieg, Rassismus und mangelnder Hilfsbereitschaft handelt. Beim textfreien «The Great Gig In The Sky» ließen Pink Floyd die Sängerin Clare Torry improvisieren – ein akustisches Spektakel.

Einige Lieder hatten lange vor Vollendung des Albums den Weg in Pink Floyds Konzerte gefunden. Als Fans noch nicht mit Smartphones filmten und Clips im Internet veröffentlichten, konnten die Briten ihre Songs live fortlaufend weiterentwickeln. Im Studio waren die Musiker dann bereits eingegroovt und brauchten nicht mehr viele Anläufe.

Produktion ohne Computer

Der Produktionsaufwand war dennoch gigantisch. Computer standen noch nicht zur Verfügung. Alles musste manuell gemacht werden. Für das rhythmische Klingen der Kassen wurden mühselig klimpernde Münzen, eine Registrierkasse und andere Geräusche aufgezeichnet und dann analog zusammengeschnitten. Die Uhren, die im Intro von «Time» zu hören sind, hatte der Toningenieur Alan Parsons (der später selbst Popstar wurde) vorher für ein Klangexperiment aufgezeichnet. Die Tonspuren mussten perfekt getimt per Tastendruck gestartet werden.

Bevor Sampling und Automation existierten, experimentierten Pink Floyd mit Oszillatoren und Synthesizern, um futuristische Sounds zu erzeugen. Besonders markant zu hören ist das auf «On The Run». «Wir wollten immer mehr Dinge einbringen, als wir Tonspuren hatten», erinnerte sich Gilmour. Die Abmischung sei deshalb so aufwendig wie eine Live-Performance gewesen. «Wir standen alle um das Mischpult herum und hatten unsere Hände an den Reglern», so Wright.

Konzeptalbum mit komplexen Songs

Das Ergebnis rechtfertigte den Aufwand. «The Dark Side Of The Moon» begeisterte Kritiker und Musikfans und verkaufte sich bis heute nach Angaben der Band mehr als 50 Millionen Mal. Pink Floyd etablierten sich damit als eine der wichtigsten und einflussreichsten Gruppen der Musikgeschichte. Zudem gilt das Werk mit seinen ineinandergreifenden komplexen Songs als Meilenstein in der Geschichte der Konzeptalben. Mit «Money» hatte die bis dato in Amerika wenig beachtete Gruppe zudem ihre erste Hitsingle jenseits des Atlantischen Ozeans.

So legendär wie die Musik ist auch das ikonische Albumcover mit dem Prismenspektrum, das von Designer Storm Thorgerson von der Firma Hipgnosis entworfen und von George Hardie gezeichnet wurde. Bis heute ziert der Lichtstrahl rund um die Welt unzählige T-Shirts, auch von Menschen, die mit der Musik von Pink Floyd nichts am Hut haben.

Am 24. März 1973 kam «The Dark Side Of The Moon» in die deutschen Plattenläden. Auf den Tag genau 50 Jahre später erscheint das «50th Anniversary Deluxe Box Set». Es enthält eine neu abgemischte Fassung des Albums auf Schallplatte, CD, DVD und Blu-Ray samt originalem 5.1-Mix, damit man es im Surround-Sound genießen kann, vorausgesetzt man hat die entsprechende technische Ausstattung zuhause.

Auf CD und erstmals auch auf Vinyl ist ein Pink-Floyd-Konzert von 1974 aus der früher als Empire Pool bekannten Wembley-Arena in London enthalten, das auch separat erhältlich ist. Diese Ausgabe beschränkt sich auf die Performance von «The Dark Side Of The Moon» und lässt andere Songs des Gigs (darunter «Shine On You Crazy Diamond») weg.

Box mit Poster und Buch

Zudem enthält die elegante Box Vinyl-Singles von «Money» und «Us And Them», ein Notenbuch, Poster und andere Memorabilien. Ein Highlight ist das 160 Seiten starke Buch mit Fotos der Tour 1973-74, das viele interessante Aufnahmen enthält, darunter die Bandmitglieder beim Squash-Spielen.

Die letzten Fotos im Buch zeigen Pink Floyd bestens gelaunt auf einer Parkbank in London. Roger Waters und David Gilmour sitzen lachend nebeneinander. Das wird vermutlich nie wieder passieren. Zumal Waters das aktuelle Jubiläum zum Anlass für ein heikles Projekt nahm. Im Interview des «Telegraph» verriet er, dass er «The Dark Side Of The Moon» im Alleingang komplett neu eingespielt hat. Bleibt abzuwarten, wie sich David Gilmour – oder seine Anwälte – dazu äußern.

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Herbert Grönemeyer über Altern, Druck und Endlichkeit

Berlin (dpa) – Der Musiker Herbert Grönemeyer hat bei der Produktion seines jüngsten Albums auch die Last zunehmender Jahre verspürt. «Der Druck für mich bei diesem Album war enorm hoch. Ich glaube, das ist auch das Drama des Alters, dass der gefühlte Druck immer höher wird», sagte der 66-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Weiterlesen

Der letzte Torero: Neues von Helge Schneider

Von Helge Toben, dpa

Mülheim/Ruhr (dpa) – Helge Schneider bleibt sich treu: Der Jazzmusiker und Multiinstrumentalist greift auch auf seinem neuen Album «Torero» Alltagsepisoden auf – musikalisch ausgefeilt und natürlich nicht ohne schräge Schneidersche Brüche mitten im Stück.

Trotz des unverwechselbaren Sounds gibt es Überraschungen: Etwa «The Wizard», eine Art Hörspiel. Eingebettet in einen süßlichen Klangteppich schildert Schneider darin akustisch-hyperrealistisch die Begegnung eines müssenden Mannes mit dem Toilettenpersonal einer Autobahn-Raststätte. «Junger Mann, sie können hier nicht durchgehen, ich wische hier, sie sehen es doch», heißt es darin.

Warum nicht Chopin auf Autobahn-Toiletten?

«The Wizard» sei eine kritische Auseinandersetzung mit der «Muzak» genannten Hintergrundmusik, erklärt Schneider im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Diese Musik hörst du als Berieselung auf Autobahn-Toiletten, mit Regenwaldgeräuschen und Kakadus und so etwas.» Er habe einfach mal darauf hinweisen wollen, wozu Musik auch missbraucht werde. «Ich weiß nicht so genau, was ich als Musiker selber davon halten soll, ehrlich gesagt. Weil man ja auch Beethoven oder Chopin auflegen könnte.»

Der Name der neuen Schallplatte – Schneider sagt immer «Schallplatte» zu seinen Alben – greift den Titel des ersten Songs auf: «The Last Torero». Das Cover zeigt Schneider in einem Stierkampf-Kostüm. «Den Toreroanzug habe ich in Berlin in einem Secondhandshop gekauft. Der Verkäufer hat noch gesagt: Der letzte Torero. Und da habe ich gedacht, da muss ich einen Song draus machen.» Es sei ein echtes Kostüm. «Die Ärmel kann man ganz abziehen. Bei einer Verletzung kann man sofort dran. Man muss nicht die Jacke ausziehen.»

Das Album enthält acht Stücke, darunter auch ein Instrumental. Es geht etwa um Menschen, die gerne essen (The Eater), oder um einen ganzen Berufsstand, der immer an allem Schuld ist (The Guilty Doctor). Auch (unerfüllte) männliche Sehnsüchte sind gerne Thema:In «American Bypass» etwa singt Schneider, wie sich ein Mann am Strand «ad hoin eine schöne Frau verliebt: «Ich wollte zeigen, was ich kann, ich zog mich aus, dann sprang ich in das wilde Meer, es war sehr kalt. Du – schautest weg.»

Als nächstes plant er eine Jazzplatte

Auch in einem Stück mit dem verheißungsvollen Titel «L.O.T.C.» für «Love on the couch» gibt es kein klassisches Happy-End: «Wir haben es uns gemütlich gemacht auffe Couch. Du nimmst zärtlich meine Hand und führst sie – in die Tüte mit Erdnussflips.» Später kommt dann noch eine selbstgestickte Decke von Tante Erna von 1959 ins Spiel. Bloß keine Romantik.

Mitgemacht hat erneut der Musiker Sandro Giampietro, mit dem der Mülheimer schon viele Jahre zusammenarbeitet. «Ich wollte gar nicht unbedingt eine Platte machen, aber dann haben wir erstmal so zwei Stücke gemacht, die wir schon kannten. Er spielt also Gitarre, die Akkorde, den Rhythmus. Und ich spiele dazu Klavier und singe. Die restlichen Instrumente habe ich nachher drauf gespielt.» Im Background von zwei Stücken ist auch der frühere Wallenstein-Sänger Kim Merz («Charline») zu hören.

Die neuen Songs gibt es auch live. Seit Mitte Februar tourt Schneider mit einer Band durch Deutschland. <<Der letzte Torero.Big L.A. Show>> ist der Titel der Tournee. Rund 80 Auftritte sind geplant. Auch außerhalb der Tour will Schneider spielen: Am 7. Juli plant der Jazz-Musiker mit dem Folkwang Jazz Orchestra einen Open-Air-Auftritt an der Villa Hügel in Essen, dem einstigen Wohnsitz der Industriellenfamilie Krupp. Das nächste Album ist auch schon in Arbeit: Eine «Jazzplatte» soll es werden, sagt er.

Schneider ist jetzt 67 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht: «Eigentlich bin ich ja Rentner, aber ich liebe meinen Beruf. Ich kann mir nicht vorstellen, damit jemals aufzuhören.» Für sein Publikum spielt sein Alter auch keine Rolle: «Die Leute, die zu meinen Konzerten kommen, denken, ich wäre genauso alt wie sie, egal wie alt sie sind.»

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«Vergessen wie»: Peter Fox führt zurück auf den Dancefloor

Berlin (dpa) – Nach seinem Erfolg mit «Zukunft Pink» hat Seeed-Sänger Peter Fox mit «Vergessen wie» eine neue Solo-Single veröffentlicht. Ein neues Album kündigte der 51-Jährige allerdings auch am Freitag zunächst noch nicht an.

Auch von einem Comeback will er nichts wissen. Der Musiker hatte mit seinem ersten Solo-Album «Stadtaffe» 2008 einen riesigen Erfolg gelandet. Im vergangenen Jahr war der Dancefloor-Spezialist mit einer gefeierten Seeed-Tour unterwegs.

Für den Text des neuen Songs sicherte sich Fox prominente Unterstützung. An den Zeilen wirkte mit Kraftklub-Sänger Felix Kummer einer der umtriebigsten Liedtexter der vergangenen Jahre mit. Weiterlesen

Musik der Hip-Hop-Pioniere De La Soul erstmals im Streaming

London (dpa) – Die Musik der einflussreichen Hip-Hop-Band De La Soul ist nach jahrelangem Streit um die Freigabe erstmals komplett auf Streamingplattformen verfügbar. Am Freitag, dem 34. Jahrestag des Debütalbums «3 Feet High and Rising», wurde der gesamte Backkatalog des US-Trios digital veröffentlicht. Im Laufe des Jahres sollen die ersten sechs Alben der Hip-Hop-Pioniere, darunter Genre-Klassiker wie «De La Soul Is Dead» (1991) oder «Buhloone Mindstate» (1993), auch auf CD, Vinyl und sogar Kassette neu aufgelegt werden. Weiterlesen

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