Londons Pläne für Flüchtlinge sorgen für Entsetzen

London (dpa) – Radikale Pläne der britischen Regierung zur Abweisung von Schutzsuchenden haben bei Opposition und Flüchtlingsorganisationen für Entsetzen gesorgt. «Die Mehrheit der Männer, Frauen und Kinder, die den Ärmelkanal überqueren, tun dies, weil sie aus Verzweiflung vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen», sagte Enver Solomon vom britischen Flüchtlingsrat der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge.

Großbritannien verrate seine Verpflichtung im Rahmen der UN-Flüchtlingskonvention, Menschen unabhängig von ihrem Ankunftsweg eine faire Anhörung zu gewähren. Weiterlesen

67 Tote nach Bootsunglück – Debatte um Rettungseinsatz

Rom (dpa) – Nach dem Bootsunglück in Süditalien ist die Zahl der Todesopfer weiter gestiegen – auf inzwischen 67. Am Mittwochmorgen wurde der Körper eines Mädchens gefunden, wie ein Kommandant der Carabinieri auf Anfrage mitteilte. Am Sonntag war ein überfülltes Holzboot mit mehr als 140 Flüchtlingen und Migranten bei hohem Seegang im Mittelmeer gesunken. Unter den Opfern sind auch etliche Kinder. In einer Turnhalle der Stadt Crotone wurden die Särge aufgestellt. Auf einen weißen Kindersarg legten die Helfer ein blaues Spielzeugauto. Die Einsatzkräfte suchen immer noch nach Opfern. Etwa 80 Menschen überlebten den Untergang.

Unterdessen debattiert Italien darüber, ob und wie den Menschen hätte geholfen werden können, bevor das Boot kurz vor Erreichen des Festlandes unterging. «Niemand wollte sie retten», titelte die Römer Tageszeitung «La Repubblica» am Mittwoch. «Sie haben sie sterben lassen.» Weiterlesen

Schiffbruch vor Italien: Zahl der toten Migranten steigt

Steccato di Cutro (dpa) – Einen Tag nach dem Schiffsunglück vor der süditalienischen Küste ist die Zahl der toten Migranten auf 62 gestiegen. Am Montagmorgen wurden drei weitere Leichen entdeckt, wie Feuerwehr-Kommandant Roberto Fasano im TV-Sender RaiNews24 sagte. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa wurden die leblosen Körper zum Teil einige Kilometer vom Unglücksort Steccato di Cutro entfernt im Wasser und am Strand gefunden.

Am Sonntag hatten die Behörden zunächst 59 Tote bestätigt; darunter waren nach Angaben der Zeitung «La Repubblica» gut ein Dutzend Kinder und mehr als 30 Frauen. Weiterlesen

Schiffbruch: Dutzende Migranten in Italien ertrunken

Von Klaus Blume, dpa

Rom (dpa) – Schiffstrümmer in der Brandung, Retter, die am Strand eine Leiche wegtragen, Überlebende, die am Ufer in Decken gehüllt ausharren: Fotos zeigen das Ausmaß des Bootsunglücks im Süden Italiens. Laut italienischer Küstenwache sind gestern mindestens 43 Leichen gefunden worden, nachdem ihr Boot in Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien nur wenige Meter von der Küste entfernt bei stürmischer See an den Klippen zerschellte.

Nach einer Meldung der italienischen Nachrichtenagentur Ansa stieg die Zahl der Todesopfer bis gestern Nachmittag auf 59. Laut Küstenwache wurden 80 Menschen lebend geborgen. Einige von ihnen hätten das Ufer nach dem Schiffbruch aus eigener Kraft erreicht, hieß es.

Die Opferzahl könnte Berichten zufolge weiter steigen, weil womöglich noch mehr Menschen an Bord waren. Die Ansa berichtete, dass einige der Überlebenden die Gesamtzahl der Menschen an Bord mit mindestens 250 angaben, andere mit 180. Dagegen schrieb die Küstenwache, es seien «ungefähr 120 Migranten» an Bord gewesen. Laut Ansa waren viele Frauen und Kinder unter den Opfern, darunter ein wenige Monate alter Säugling und wenige Jahre alte Zwillinge. Papst Franziskus sagte nach dem Angelusgebet auf dem Petersplatz in Rom, er bete für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden.

Tote am Badestrand

Laut der Zeitung «La Repubblica» kamen die Migranten vor allem aus dem Iran, Pakistan und Afghanistan. Ansa meldete die Festnahme eines Schleppers, bei dem es sich um einen Türken handeln soll. Wo die Menschen in See gestochen waren, war zunächst noch nicht bekannt. Laut Ansa handelte es sich bei dem Unglücksboot um einen Fischkutter, dagegen sprach die italienische Finanzpolizei von einem Holzboot vom Typ Gulet. Darunter versteht man einen meist zweimastigen Motor-Segler. Der Unglücksort Steccato di Cutro ist ein Seebad in der Gemeinde Cutro am Zeh des italienischen Stiefels.

Hilfsorganisationen zeigten sich entsetzt. «Es ist menschlich inakzeptabel und unverständlich, warum wir immer wieder solche vermeidbare Tragödien erleben müssen. Es ist ein Faustschlag in den Magen», schrieb Sergio Di Dato, Projektleiter bei Ärzte ohne Grenzen auf Twitter. Während Helfer legale Wege der Einreise und auch mehr staatliche Seenotrettung fordern, versucht die rechte italienische Regierung, die Zahl der Migranten möglichst zu verringern.

Meloni appelliert an die Ausgangs- und Herkunftsländer

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich entsetzt über das Unglück. «Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken», schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere dabei ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer.

Ähnlich äußerte sich ihr Innenminister Matteo Piantedosi. «Dies ungeheure Tragödie zeigt, wie es absolut notwendig ist, mit Härte gegen die Netze der irregulären Einwanderung vorzugehen, in denen skrupellose Schlepper operieren», schrieb er.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich auf Twitter zutiefst betrübt über das Bootsunglück und sprach von einer Tragödie, bei der unschuldige Migranten gestorben seien. Sie forderte alle Beteiligten dazu auf, sich noch mehr um Fortschritte in der EU-Migrationspolitik zu bemühen.

Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten über das Mittelmeer nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Sie brechen vor allem aus Libyen oder Tunesien auf, aber auch aus Griechenland oder der Türkei. Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

Erinnerungen an schweres Bootsunglück von 2015

Bei einer der schwersten Flüchtlingskatastrophen kamen im April 2015 vor der libyschen Küste zwischen 800 und 900 Menschen um. Das vollkommen überfüllte Schiff war gesunken, weil die Menschen an Bord in Panik geraten waren, als ein anderes Schiff zur Rettung nahte. Das Wrack wurde vom Meeresgrund geborgen, ein Schlepper Ende 2016 in Catania (Sizilien) zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5273).

Ein Dekret der Regierung Meloni, das mit der Verabschiedung durch den Senat vergangene Woche Gesetz wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter erheblich. So müssen sie nun schon nach der ersten Rettungsaktion einen italienischen Hafen ansteuern, anstatt womöglich mehrere Rettungen durchzuführen. Zudem werden ihnen oft Häfen zugewiesen, die weit vom Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer entfernt liegen, womit sie tagelang unterwegs sind. Allerdings kommt nur ein kleiner Teil der Migranten mit Rettungsschiffen wie der «Ocean Viking» oder der «Geo Barents» nach Italien. Der Großteil erreicht das italienische Festland und die Inseln ohne fremde Hilfe.

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Ein Jahr Krieg: Solidarität mit Ukraine in Deutschland groß

Berlin (dpa) – Auch ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist die Mehrheit der Menschen in Deutschland noch bereit, ukrainischen Flüchtlingen zu helfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim). Die Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und sich auf eine Serie repräsentativer Umfragen stützt, zeigt auch, dass es für die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland in der Bevölkerung großen Rückhalt gibt.

Die Forscher hatten die Teilnehmer der Untersuchung im vergangenen Monat gefragt, ob sie eine neuerliche Verschärfung dieser Sanktionen unterstützen würden – und zwar auch dann, wenn dies für sie mit Mehrkosten verbunden wäre. 62 Prozent der Befragten bejahten dies. Wie bei einer zurückliegenden Befragung im vergangenen Juli, so sprachen sich auch diesmal die Anhänger aller Parteien mehrheitlich für härtere Sanktionen aus – mit Ausnahme der Anhänger der AfD. Weiterlesen

Italien erschwert Arbeit von Seenotrettern

Rom (dpa) – Der italienische Senat hat ein international umstrittenes Dekret zum Umgang mit Seenotrettern verabschiedet. Für den Text, der nach Einschätzung von Kritikern die Arbeit der Hilfsorganisationen erschwert, stimmten 84 Senatorinnen und Senatoren, bei 61 Gegenstimmen, wie der Senat mitteilte. Nachdem schon das Abgeordnetenhaus vorige Woche zugestimmt hatte, erlangt das Dekret der Regierung Giorgia Melonis damit Gesetzeskraft.

Zivile Seenotretter sind nach dem Dekret verpflichtet, nach einer Rettungsaktion unverzüglich einen zugewiesenen Hafen anzusteuern, ohne ihren Einsatz fortzusetzen und weitere Migranten und Flüchtlinge an Bord zu holen. Bis zum Erreichen des Hafens sind sie damit für weitere Rettungen sozusagen aus dem Verkehr gezogen. In den vergangenen Wochen hatten Hilfsorganisationen auch kritisiert, dass ihnen die italienischen Behörden Häfen zuwiesen, die weit vom Einsatzgebiet imm zentralen Mittelmeer entfernt lägen, etwa Ravenna an der nördlichen Adria. Die nächsten Häfen sind in Sizilien. Weiterlesen

US-Regierung will Asylrecht einschränken

Washington (dpa) – Die Regierung von US-Präsident Joe Biden will die Regeln für Asylsuchende angesichts des Andrangs an der Südgrenze des Landes deutlich verschärfen.

Migranten, die auf ihrem Weg in die USA nicht zunächst Asyl in einem Transitland beantragen, sollen künftig abgewiesen werden, teilten das Heimatschutz- und das Justizministerium mit. Zwar gebe es bestimmte Ausnahmen, etwa für alleinreisende Minderjährige. Aber Personen, die diese nicht erfüllten, würden umgehend abgeschoben. Zudem gelte dann ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot.

Die Regelung solle zwei Jahre gelten. Sie sei eine Notmaßnahme angesichts des für Mai erwarteten Ansturms an der Grenze mit Mexiko. Dann sollen die als «Title 42» bekannten Corona-Einreisebeschränkungen wegfallen. Die neue, rund 150 Seiten starke Richtlinie soll nun im Amtsblatt veröffentlicht werden, dann läuft bis zum Inkrafttreten eine 30-tägige Frist für Stellungnahmen. Weiterlesen

Mieterkündigungen für Flüchtlingsheim: Versammlung abgesagt

Lörrach (dpa) – Wegen der öffentlichen Debatte über die geplante Umwandlung von alten Mietwohnungen in ein Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Lörrach wird eine angekündigte Bewohnerversammlung zunächst nicht stattfinden.

Das teilte Oberbürgermeister Jörg Lutz (parteilos) in Lörrach mit. «Die Stimmung ist zu aufgeheizt», ergänzte der Geschäftsführer der Wohnbau Lörrach, Thomas Nostadt. Die Informationsveranstaltung für die betroffenen Mieter war ursprünglich für diesen Montag geplant. Weiterlesen

Neue Wege nach Deutschland: Pläne in Afrika verkündet

Von Basil Wegener, dpa

Accra/Berlin (dpa) – Hubertus Heil schwitzt. Fast 6000 Kilometer sind der Bundesarbeitsminister und seine Kabinettskollegin Svenja Schulze von Berlin nach Ghana geflogen. In der schwülen Februarluft des westafrikanischen Landes verkünden der Arbeits- und die Entwicklungsministerin nichts Geringeres als einen «Paradigmenwechsel in der deutschen Migrationspolitik». So nennt die Bundesregierung ihren Versuch, Zuwanderung so zu steuern, dass alle Beteiligten etwas davon haben.

Heil und Schulze wollen bei dem sensiblen Thema erfolgreicher sein, als es die damalige große Koalition in der Vergangenheit war. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa war 2019 nach Mexiko geflogen, um Pflegekräften den Weg nach Deutschland zu erleichtern. Inzwischen hat die deutsche Fachkräftelücke in immer mehr Branchen bedrohliche Ausmaße angenommen. Die Ampel-Regierung will den Mangel unbedingt verkleinern – ohne dass Herkunftsländer einen schmerzlichen Aderlass erleiden.

Schulze hofft auf Win-Win-Win-Situation

In Ghanas Hauptstadt Accra sprechen die beiden SPD-Politiker am Montagabend darüber länger mit der ghanaischen Sozialministerin und dem Ressortchef für Industrie. Feuchte Luft um die 30 Grad Celsius macht den Besuchern aus Deutschland zu schaffen, die in Westafrika ansonsten vor allem gegen Menschenrechtsverletzungen bei globalen Lieferketten eintreten wollen.

Doch Heil und Schulze lassen sich von den heißen Temperaturen nicht abhalten. Sie wollen hier auch hoffnungsvolle Botschaften zur Migration setzen. «Es geht darum, dass beide Staaten in ihrer Volkswirtschaft davon profitieren können», sagt Heil. «Deswegen ist es gut, miteinander zu arbeiten und eine Win-Win-Win-Situation zu schaffen», meint Schulze.

Der «Paradigmenwechsel», von dem die Regierung spricht, ist bereits seit Längerem geplant. Bereits im November bot die Ampel gleich vier Kabinettsmitglieder auf, um für das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz zu werben. Damals wurden Eckpunkte beschlossen. Seit Montag nun sammelt die Regierung Stellungnahmen der Bundesländer und der Wirtschaft- und Sozialverbände zu dem geplanten Gesetz ein. Doch worin soll der grundlegende Wechsel bestehen? Sollen nun Fachkräfte um jeden Preis angelockt werden?

Heil will faire Migration

Heil und Schulze geben in Accra den Startschuss für eine Neuausrichtung eines bereits bestehenden ghanaisch-deutschen Migrationsberatungszentrums. Die Einrichtung, direkt neben Ghanas Arbeitsministerium gelegen, soll Interessierte informieren: Welche Wege führen nach Deutschland – aber auch in andere EU-Länder? Was müssen auswanderungswillige Ghanaer machen, die es erstmal in anderen afrikanischen Ländern versuchen wollen?

Zudem soll das Zentrum – wie bisher schon – aus Deutschland zurückkehrenden Ghanaern helfen, daheim wieder Fuß zu fassen. So verspricht Deutschland unter anderem Unterstützung bei einer Existenzgründung.

«Wenn hier der Eindruck entsteht, als würden wir diesem Land kluge Fachkräfte abziehen, dann wäre das ein falscher», sagt Heil. Denn in Ghana mit seinen knapp 34 Millionen Einwohnern gibt es laut dem deutschen Minister einen Überschuss an gut ausgebildeten Menschen, die daheim keine Arbeit finden. Laut Prognosen wächst Ghanas Bevölkerung in den nächsten zehn Jahren um weitere knapp 7 Millionen Einwohner. «Deshalb ist es wichtig, dass wir in mehrerlei Richtungen dafür sorgen, dass das faire Migration ist.»

Schulze sagt: «Das ist hier ein sehr junges Land mit einer sehr jungen Bevölkerung.» Tatsächlich sind rund 56 Prozent der Menschen unter 25 Jahre. «Wir sind eine immer ältere werdende Gesellschaft», setzt Schulze dagegen, «wir brauchen Fachkräfte.»

«Mörderische Wege durch Sahara vermeiden»

Viele junge Ghanaer wollen wohl lieber heute als morgen nach Europa. Das Land ist stabil und auch als Reiseland recht sicher, ganz anders als etwa der von terroristische Entwicklungen heimgesuchte nördliche Nachbar Burkina Faso. Doch das Land ächzt unter einer Inflation von über 50 Prozent. Die Wirtschaft ist angeschlagen.

Armutsmigration will Deutschland aber nicht anziehen. «Es geht auch darum, mörderische Wege durch die Sahara zu vermeiden», sagt Heil mit Blick auf illegale Fluchtbewegungen. Mit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sollen Einreisewillige zum Beispiel nach Berufserfahrung oder Deutschlandbezug ausgewählt werden.

Das Entwicklungsministerium steckt allein in Ghana in den nächsten drei Jahren rund 10 Millionen Euro in Qualifizierung und berufliche Bildung. Ghanas Sozialministerin Lariba Abudu lobt denn auch die «starken bilateralen Beziehungen» zu Deutschland. 150 Millionen fließen aus dem Hause Schulze insgesamt in solche Migrationsprojekte in Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. Weitere Zentren wie in Ghanas Hauptstadt Accra sind in Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Nigeria, Irak, Pakistan und Indonesien geplant.

Beispiel Pflegekräfte

Als mahnendes Beispiel, wie es nicht laufen sollte, führt man bei der Ampel den Bereich der Pflegerinnen und Pfleger an. Bereits 2020 lockerte die damalige große Koalition die Regeln zur Fachkräftezuwanderung ein Stück weit. Auf tausende neue Kräfte hatte man gehofft.

Doch die Pflegekräfte, die etwa aus Indien, Indonesien oder Jordanien kamen, konnte man im vergangenen Jahr an einer Hand abzählen. Insgesamt konnten 2022 unterm Strich 656 ausländische Pflegekräfte durch die Bundesagentur für Arbeit nach Deutschland vermittelt werden. Die meisten angeworbenen Fachkräfte stammten 2022 demnach mit 255 von den Philippinen.

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Kommunen pochen auf mehr Geld für Flüchtlingsunterbringung

Berlin (dpa) – Nach dem Flüchtlingsgipfel bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bleibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund bei seiner Forderung einer finanziellen Entlastung der Kommunen. «Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels bei der Bundesinnenministerin zeigen Licht und Schatten. Leider bleibt die drängende Frage der finanziellen Entlastung der Kommunen ungelöst», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Rheinischen Post».

Bei dem Gipfel am Donnerstag in Berlin hatten Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. So soll ein digitales «Dashboard» zur Migration bis auf die Landkreis-Ebene hinunter für «Transparenz» sorgen. Vereinbarungen über Geld vom Bund gab es nicht. Faeser sagte, es gebe einen klaren Fahrplan, um die Finanzierung weiter zu regeln und Bilanz zu ziehen. «Hierüber werden auch der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten an Ostern weiter verhandeln», sagte sie. Weiterlesen

Flüchtlingsgipfel bei Faeser: Lokalpolitiker fordern Hilfe

Von Anne-Béatrice Clasmann und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Berlin (dpa) – Gernot Schmidt wird sofort ziemlich deutlich. «Das Kernproblem ist, dass Land und Bund es sich sehr einfach machen», empört sich der SPD-Landrat. 5000 Geflüchtete habe sein Landkreis Märkisch-Oderland östlich von Berlin seit 2015 aufgenommen. Vor allem Familien kämen und blieben bei ihm in der Region. Nun sei Wohnraum knapp, es fehlten Kitas und Schulen. «Es hängt alles am Ausbau der Infrastruktur», sagt Schmidt. Nötig seien mehr Investitionen und weniger Bürokratie, damit schneller gebaut werden könne.

Solche Hilferufe der Kommunen hört Bundesinnenministerin Nancy Faeser seit Wochen. Bei einem weiteren Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag will die SPD-Politikerin mit Ländern und Kommunen beraten – zum zweiten Mal binnen vier Monaten. Kommunalpolitiker fordern eine verlässliche Finanzierung der Unterbringung der Geflüchteten, aber auch eine gerechtere Verteilung und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Einige hätten am liebsten gleich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verhandelt. Doch Scholz überlässt die Lösungssuche erstmal der zuständigen Ministerin.

Die Union kritisiert das. CDU-Innenpolitiker Alexander Throm findet, Faeser habe «den Ländern und Kommunen nichts anzubieten». Das sieht die Grünen-Abgeordnete Karoline Otte, Mitglied im Bundestagsausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, zwar anders. Aber auch sie erwartet, dass, um den Kommunen mehr finanzielle Planungssicherheit zu geben, wohl eine zweite Runde folgen muss.

Die Zahlen

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kamen 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland. Darüber hinaus beantragten hier im vergangenen Jahr 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl – so viele wie seit 2016 nicht. Im Januar 2023 kamen 29.072 Asylanträge hinzu. Faeser sagte Anfang der Woche bei einer Veranstaltung der Deutschen Presse-Agentur: «Es ist sehr schwierig, aber es ist deshalb schwierig, weil Putin diesen Krieg angefangen hat. Acht von zehn Flüchtlingen kommen aus der Ukraine, das macht die große Zahl aus.»

Die Unterbringung

«Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen», heißt es in einem Papier des Städte- und Gemeindebunds. Gerade die Geflüchteten aus der Ukraine seien oft zuerst in Familien oder Ferienwohnungen unterkommen, doch sei diese Kapazität «aufgebraucht», berichtete Landrat Onno Eckert aus dem thüringischen Landkreis Gotha vor einigen Tagen im Deutschlandfunk. Jetzt kämen Asylsuchende hinzu.

«Insgesamt ist es dann schon so, dass es eine Herausforderung ist», sagte der SPD-Politiker. Es gebe bei ihm 400 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften, aber wenig freie Wohnungen.

Seit März 2022 wurden nach einer Recherche des Mediendiensts Migration bundesweit fast 74.000 Aufnahmeplätze geschaffen. Insgesamt seien die Strukturen stark ausgelastet. Es gebe aber Unterschiede: In Bayern seien die Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu 90 Prozent belegt, in Hessen zu 50 Prozent.

Auch Faeser sagte: «Die Belastungssituation ist unterschiedlich, die ist in einigen Bereichen sehr prekär.» Dazu zählte die SPD-Politikerin Leipzig, wo Zeltstädte errichtet werden. Faeser hat bereits zugesagt, mehr freie Gebäude des Bundes für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Nicht überall klappt das schnell. Einige Kommunalpolitiker hoffen zudem auf leerstehende Liegenschaften der Länder.

Die Verteilung

Grundsätzlich gilt: Regionen mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit werden relativ viele Schutzsuchende zugewiesen, sie haben aber oft wenig bezahlbaren Wohnraum. Genau aus diesem Grund forderten Kommunalpolitiker aus dem Main-Taunus-Kreis – in der Nachbarschaft von Faesers Wohnort in Hessen – von Bundeskanzler Scholz andere Kriterien für die Zuweisung neuer Flüchtinge.

Eine «gerechtere Verteilung» mahnten diese Woche aber auch Cottbus und der angrenzende Landkreis Spree-Neiße an. Die Stadt hätte laut Schlüssel 1120 Asylbewerber und aufnehmen müssen, hat aber bereits mehr als 1400 untergebracht. Grund ist wohl weniger die Wirtschaftsstärke als die Nähe zur polnischen Grenze. Eine andere, allseits als «gerecht» empfundene Verteilung in Deutschland dürfte also schwierig werden.

Der Städte- und Gemeindebund fordert deshalb neben schnelleren Asylverfahren und einer «Rückführungsoffensive» eine «zielgenauere Verteilung» von Schutzsuchenden in der gesamten EU. «Die Kommunen brauchen bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine “Atempause”», meint der Kommunalverband. Die Verteildiskussion auf EU-Ebene ist jedoch seit Jahren ergebnislos.

Was es sonst noch braucht

Vor allem die mit ihren Müttern geflüchteten Kinder aus der Ukraine brauchen Kitas und Schulen – wobei in Ballungsräumen ohnehin schon Lehrerinnen- und Erziehermangel herrscht. Landrat Schmidt aus Märkisch-Oderland verweist auf das Konfliktpotenzial: Die Kinder hätten einen Bildungsanspruch, aber wenn die Gruppen und Klassen zu groß würden, gebe es Unmut der übrigen Eltern.

Schmidt ist auch dafür, Asylbewerbern ähnlich wie den Geflüchteten aus der Ukraine sofort eine Arbeitserlaubnis zu geben. Immer wieder höre er die Klage von Bürgern, dass die Ankommenden über Jahre in Sozialsystemen blieben.

Ähnlich sieht das der evangelische Pfarrer Lukas Pellio aus dem brandenburgischen Spremberg, der sich seit Jahren um Geflüchtete kümmert. Ukrainer und Menschen aus anderen Staaten dürften nicht unterschiedlich behandelt werden, meint Pellio. «Da gibt es ja nun plötzlich die guten Flüchtlinge und die bösen.» Auch Migrations- und Sozialpolitik dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

In Sachsen, wo in einigen Orten erneut gegen die Unterbringung von Flüchtlingen protestiert wird, will der Landkreis Mittelsachsen neue Wege gehen: Er will selbst in die Rolle des Bauherrn schlüpfen, um preiswerten Wohnraum zu schaffen – für insgesamt 500 Menschen. Die Geflüchteten könnten so regional fairer verteilt werden. Bisher seien die Städte Freiberg und Hainichen überproportional belastet. «Das schafft Probleme, die vermeidbar wären», heißt es aus dem Landratsamt. Von Genehmigung bis Fertigstellung brauche ein solcher Neubau allerdings immer noch 16 bis 18 Monate.

Keine Ad-Hoc-Politik

Ein offener Brief des Hauptgeschäftsführers des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, und anderer riet diese Woche zu nachhaltigen Strukturen. Krisen und Katastrophen könnten immer überraschend auftreten:

«Unterkünfte für Geflüchtete müssen in ausreichender Zahl bereitgehalten werden, auch wenn uns bewusst ist, dass dies gegebenenfalls mit Kosten für Kommunen und andere Anbieter verbunden ist. Andernfalls flüchten Menschen in die Obdachlosigkeit, und das kann noch teurer werden.» Container oder Turnhallen seien maximal eine kurzfristige Lösung.

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