Bessere Versorgung mit Medikamenten: Brüssel legt Reform vor

Von Michel Winde, dpa

Brüssel (dpa) – Engpässe bei Medikamenten, überhöhte Preise und eine ungleiche Versorgung der EU-Staaten mit neuen Arzneimitteln sollen nach dem Willen der EU-Kommission der Vergangenheit angehören. Die Brüsseler Behörde schlug am Mittwoch eine umfassende Reform der 20 Jahre alten Pharma-Gesetzgebung für Europa vor. Ziel ist zugleich, die Entwicklung neuer Präparate anzukurbeln und die heimische Industrie wettbewerbsfähig zu halten.

«Dies ist ein historischer Tag für Bürger, Patienten und die Industrie», sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Der europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte die Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung, forderte jedoch weitere Schritte insbesondere gegen Versorgungslücken und hohe Preise. Die großen Pharma-Konzerne hätten «wie verrückt Lobbyarbeit» betrieben, um ihre Gewinne zu schützen, beklagte Generaldirektorin Monique Goyens. Der Präsident des Europäischen Pharmaverbands (EFPIA), Hubertus von Baumbach, warnte dagegen, die Vorschläge gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie.

Wie sehen die Vorschläge, über die die EU-Staaten und das Europaparlament nun verhandeln müssen, im Detail aus? 

Engpässe besser überwachen, Schwachstellen in Lieferketten angehen

Spätestens während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie abhängig Europa bei der Versorgung mit Medikamenten und Ausrüstung von anderen Teilen der Welt ist. Im Winter gab es dann Lieferengpässe bei Antibiotika, patentfreien Medikamenten wie Fiebersäften für Kinder und Krebsmedikamenten. Die Bundesregierung hat bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht, nun soll auch etwas auf EU-Ebene geschehen.

Konkret plant die Kommission, eine Liste besonders wichtiger Präparate anzulegen. Schwachstellen in den Lieferketten dieser Medikamente sollen angegangen werden. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, Versorgungslücken und den Rückruf von Medikamenten früher zu melden und Vorsorgepläne erstellen.

Präparate in der gesamten EU verfügbar machen

Die 27 EU-Staaten teilen zwar einen Binnenmarkt – bei der Versorgung mit Medikamenten gilt das allerdings längst nicht. In westlichen und größeren Ländern wie Deutschland hätten die Patienten Zugang zu 90 Prozent neuer Arzneimittel, sagte Kyriakides. In den östlichen und kleineren Staaten seien es nur 10 Prozent. Die EU-Kommission will nun mit Anreizen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger aller EU-Staaten Zugang zu neuen Medikamenten haben. Konkret soll der Kommission zufolge das System für den Schutz neuer Präparate vor der Konkurrenz durch Nachahmerprodukte wie Generika überarbeitet werden.

Bislang dürfen derlei Generika spätestens elf Jahre nach der Zulassung des ursprünglichen Präparats in Europa auf den Markt. Nach Vorstellung der Kommission könnten es künftig zwar bis zu zwölf Jahre werden. Der Standardschutz soll jedoch nur noch acht anstelle von zehn Jahren betragen. Für eine Verlängerung müssen die Unternehmen Kriterien erfüllen, die den Zielen der EU-Kommission entsprechen. So können etwa weitere zwei Jahre hinzukommen, wenn ein Unternehmen sein neues Medikament in allen EU-Staaten auf den Markt bringt. Allein dadurch könnten nach Angaben der EU-Kommission bis zu 67 Millionen weitere Menschen von einem neuen Medikament profitieren.

Auch die Entwicklung eines bislang fehlenden Medikaments soll mit einem weiteren halben Jahr Schutz belohnt werden. Zugleich will die EU-Kommission sicherstellen, dass Generika an Tag eins nach Ablaufen des Monopol-Schutzes auf den Markt kommen – und dass bürokratische Hürden die Zulassung nicht verzögern.

Die «stille Pandemie» – Was tun gegen Antibiotikaresistenzen? 

Nach EU-Schätzungen sterben jedes Jahr mehr als 35 000 Menschen in Europa aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Damit handelt es sich um die drittgrößte Gefahr für die öffentliche Gesundheit – nach Erregern mit hohem Pandemiepotenzial sowie chemischen, biologischen oder nuklearen Bedrohungen. EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas sprach von einer «stillen Pandemie».

Die Kommission schlug nun vor, die Entwicklung bahnbrechender Antibiotika attraktiver zu machen. Konkret könnten Unternehmen, die ein solches Präparat herstellen, künftig einen Gutschein über den Schutz der Daten eines Medikaments – also eines Monopols – für ein weiteres Jahr erhalten. Dieser Gutschein soll nicht an das neue Antibiotikum gebunden sein und könnte auch verkauft werden.

Die Kosten für einen solchen Gutschein für die nationalen Gesundheitssysteme liegen nach Angaben einer EU-Beamtin bei rund 500 Millionen Euro. Diese werden nach Angaben der Kommission jedoch weitgehend durch vermiedene Todesfälle und Krankheiten ausgeglichen. In der gesamten EU sollen innerhalb von 15 Jahren nicht mehr als 10 Gutscheine vergeben werden. Die EU-Kommission legte zudem nicht bindende Empfehlungen gegen die resistenten Erreger vor, die vor allem auf zurückhaltenden Gebrauch von Antibiotika abzielen.

Zulassung beschleunigen, Bürokratie abbauen und mehr Umweltschutz

Grundsätzlich sollen neue Medikamente nach dem Vorschlag der EU-Kommission künftig schneller zugelassen werden. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA soll im Regelfall innerhalb von 180 statt 210 Tagen ihre Einschätzung abgeben, die Zulassung der EU-Kommission soll innerhalb von 46 statt 67 Tagen erfolgen. Unter anderem durch mehr Digitalisierung sollen bürokratische Verfahren entschlackt werden. Die öffentliche Finanzierung der Entwicklung neuer Medikamente soll transparenter werden. Zudem sollen bestehende Regeln zum Schutz der Umwelt durch Arzneimittel besser durchgesetzt werden.

Weiterlesen

Kabinett bringt Pflegereform auf den Weg

Berlin (dpa) – Angesichts immer höherer Kosten für die Pflege sollen Entlastungen für Millionen Pflegebedürftige kommen – aber auch höhere Pflegebeiträge.

Das Bundeskabinett brachte einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg. Demnach soll der allgemeine Pflegebeitrag zum 1. Juli um 0,35 bis 0,6 Punkte erhöht werden. Jetzt liegt er bei 3,05 Prozent, für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Für Familien mit zwei oder mehr Kindern soll es Entlastungen geben. Pflegebedürftige zu Hause und im Heim sollen Anfang 2024 finanzielle Verbesserungen erhalten. Das Kabinett beschloss zudem einen Entwurf, der Arzneimittellieferungen wirksamer gegen Engpässe absichern soll.

Lauterbach sagte zur Pflegereform, die Pflegebedürftigen hätten volle Solidarität verdient. «Da die Kosten von guter Pflege ständig steigen, darf die Solidargemeinschaft nicht wegschauen und diese höheren Kosten den zu Pflegenden und ihren Angehörigen überlassen.» Gleichzeitig gelte es, die Finanzierung der Pflege zu stabilisieren. Weiterlesen

Medikamenten-Werbung: «Fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt»

Von Sascha Meyer, dpa

Berlin (dpa) – Eigentlich werden Formulierungen aus Gesetzen selten zu allgemein bekannten Klassikern im Alltagsgebrauch. Bei einem Satz aus Paragraf 4, Absatz 3, Heilmittelwerbegesetz ist es so gekommen: «Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.»

Seit gut drei Jahrzehnten ist dieser vorgegebene Warntext für Arzneimittelwerbung «außerhalb der Fachkreise» Pflicht. Und in Funk und Fernsehen ist er immer auch noch extra vorzulesen. Jetzt soll eine eher sanfte Änderung kommen. Denn nachfragen kann man ja nicht nur bei männlichen Fachleuten.

Künftig soll die etwas verlängerte Formulierung lauten: «Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.» So steht es in einem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, den das Kabinett auf den Weg gebracht hat.

Medizinerinnen erstmals knapp in der Mehrheit

Der Warnhinweis sei «seit Jahren wegen der Verwendung des generischen Maskulinums Gegenstand von Diskussionen», heißt es. Daher solle nun gleichstellungspolitischen Aspekten Rechnung getragen werden. Denn man dürfte in der Regel einen Bezug zu einer behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt haben – das solle die neue Formel ausdrücken. Und der Kauf von Arzneimitteln knüpfe auch nicht an eine Person an, das geschehe in der Apotheke.

Die Änderung greift auch Forderungen von Berufsverbänden auf. Dafür hatte sich etwa die Bundesärztekammer ausgesprochen, da die bisherige Formel nicht mehr in die Zeit passe. In den Praxen kommen Ärztinnen und Psychotherapeutinnen auf einen zusehends größeren Anteil. Zusammengenommen sind sie erstmals knapp in der Mehrzahl, wie das Bundesarztregister mit Stand von Ende 2022 ergab.

Der Frauenanteil überschritt die 50-Prozent-Marke und erreichte 50,7 Prozent. Dabei stieg er bei Psychotherapeutinnen auf 76,8 Prozent und bei Ärztinnen auf 45,2 Prozent. Unterhalb von 50 Jahren liegen Ärztinnen vorne.

Damit Pharma- und Werbebranche den Reklamezusatz ändern können, sind fünf Monate Übergangszeit nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung vorgesehen. Der Entwurf kommt jetzt zu weiteren Beratungen in den Bundestag. Die Umstellungskosten sollten jedoch gering sein, heißt es im Entwurf. Gegebenenfalls könnten höhere Werbekosten anfallen, nämlich «aufgrund des geringfügig verlängerten Textes, der in der audiovisuellen Werbung zu sprechen ist».

Weiterlesen

Viele Menschen fürchten Arzneiengpässe – gerade Ältere

Frankfurt/Berlin (dpa) – Viele Menschen in Deutschland fürchten einer Umfrage zufolge Knappheiten bei Arzneien. Insgesamt 38 Prozent der Befragten schätzen die Gefahr von Lieferengpässen als «sehr hoch» oder «eher hoch» ein, zeigt eine neue Studie des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Auf der anderen Seite steht ein Drittel der Teilnehmer, die die Gefahr für «niedrig» oder «sehr niedrig» hält, so die repräsentative Umfrage, an der im Herbst 2000 Menschen teilnahmen.

Dabei schätzten besonders Menschen zwischen 50 und 69 Jahren die Gefahr von Lieferengpässen als groß ein (insgesamt 41 Prozent) sowie Menschen über 70 Jahre (43 Prozent). Schwierigkeiten oder Knappheiten beim Kauf von Arzneien erlebt haben jedoch vor allem die 30- bis 49-Jährigen (37 Prozent) und weniger Menschen über 70 (22 Prozent). Weiterlesen

Erste Maßnahme zur Entspannung bei Kindermedikamenten

Berlin (dpa) – Für bestimmte Kindermedikamente wie Fiebersaft oder Zäpfchen können die Krankenkassen den Herstellern ab 1. Februar vorübergehend mehr Geld zahlen. Damit soll der momentanen Knappheit bei diesen Arzneimitteln begegnet werden. Wie der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) mitteilte, werden die sogenannten Festpreise für bestimmte Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie für Antibiotika für drei Monate ausgesetzt. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet. Die Branche glaubt allerdings nicht, dass das kurzfristig Entspannung bringt.

Von der Maßnahme betroffen sein sollen insgesamt 180 Fertigarzneimittel, darunter Ibuprofen-Säfte, Paracetamol-Zäpfchen und Antibiotika-Suspensionen.

Auf dem Höhepunkt der Debatte über knappe Medikamente hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Dezember angekündigt, dass die Kassen für bestimmte Medikamente künftig mehr Geld zahlen sollen, damit sich Lieferungen nach Deutschland für Pharmafirmen mehr lohnen. Weiterlesen

Anhaltender Medikamentenmangel erwartet

Berlin (dpa) – Hausärzte und Apotheker rechnen trotz der angekündigten Gegenmaßnahmen mit einem anhaltenden Medikamentenmangel in den kommenden Monaten. «Die jetzt diskutierten Maßnahmen werden in der hausärztlichen Versorgung kurzfristig nur bedingt helfen», sagte Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, der «Rheinischen Post».

«Die Lieferengpässe sind in den Hausarztpraxen sehr deutlich zu spüren. Die Hausärztinnen und Hausärzte müssen inzwischen sehr viel Zeit investieren, um, sofern dies überhaupt möglich ist, Medikationen umzustellen.» Weiterlesen

Lauterbach will Preisregeln bei Kindermedikamenten ändern

Berlin (dpa) – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern, indem die Krankenkassen ab sofort mehr für solche Medikamente bezahlen.

Damit soll auf die derzeitigen Lieferengpässe reagiert werden, wie der SPD-Politiker am Dienstagmorgen im ARD-«Morgenmagazin» erläuterte: «Wir müssen diese Arzneimittel für Kinder aus den Festbeträgen herausnehmen, so dass die auch teurer verkauft werden. Da werde ich heute auch schon reagieren, dass die Krankenkassen angewiesen werden, 50 Prozent mehr zu zahlen als diesen Festbetrag», sagte Lauterbach. Weiterlesen

Medikamente: Regierung will stärker gegen Engpässe vorgehen

Berlin (dpa) – Die Bundesregierung will stärker gegen Lieferengpässe bei Medikamenten vorgehen. Geplant sind Änderungen des Vergaberechts, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Berlin sagte. Ziel sei, Lieferketten breiter anzulegen, damit die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern abnimmt. Die Situation sei trotz vorhandener Instrumente zu Ausweichpräparaten bei Engpässen unbefriedigend.

Minister Karl Lauterbach (SPD) hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf die Gesetzespläne gesagt, die Krankenkassen sollten nicht länger gezwungen sein, Medikamente und Wirkstoffe dort einzukaufen, wo sie am billigsten sind. Es könne nicht sein, «dass wir versuchen, bei den Wirkstoffen zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerung». Weiterlesen

Lieferengpässe bei Medikamenten nehmen in Deutschland zu

München (dpa) – Medikamente vom Fiebersaft bis zum Krebstherapeutikum sind nach Aussage des Deutschen Apothekerverbandes hierzulande immer häufiger und immer länger nicht erhältlich.

«Über 250 Mittel sind aktuell als nicht lieferfähig gemeldet», sagte der Vizevorsitzende des Verbands, Hans-Peter Hubmann, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Welttag der Patientensicherheit, der am morgigen Samstag begangen wird. «Das Problem ist schon sehr bedeutend, das muss man klar sagen.»

«Lieferengpässe gibt es immer wieder mal, weil ein Produzent ausfällt, aber die Menge und die Länge des Ausfalls ist deutlich dramatischer geworden», schilderte Hubmann. Vor fünf Jahren seien zahlenmäßig nicht einmal halb so viele Produkte betroffen gewesen. Probleme gibt es dabei nicht nur bei Nischenprodukten, sondern auch gängige Mittel gegen Bluthochdruck und Diabetes oder Schmerzmittel wie Ibuprofen waren phasenweise bereits nicht erhältlich. Weiterlesen

Milliarden nötig für Corona-Impfungen in aller Welt

Genf (dpa) – Für die Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 sind bis September 2022 weitere Milliardenbeträge nötig.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezifferte den Bedarf am Donnerstag in Genf auf 23,4 Milliarden Dollar (rund 20 Milliarden Euro). Damit könnten mindestens fünf Millionen potenzielle Todesfälle verhindert werden, und die Weltwirtschaft spare mehr als 5,3 Milliarden Dollar. Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen