Trübe Stimmung für Bürger, Firmen: «Gürtel enger schnallen»

Von Friederike Marx, dpa

Köln (dpa) – Der Energiepreisschock und die unsichere geopolitische Lage verderben deutschen Unternehmen die Stimmung zum Jahreswechsel. Statt Optimismus wie noch vor einem Jahr herrscht einer Umfrage zufolge vielerorts jetzt Verunsicherung. Zahlreiche Branchen stellen sich auf schwierige Monate ein. «Ich glaube nicht, dass man sagen kann, die Rezession sei abgesagt. Sie dürfte aber schwächer ausfallen als zunächst befürchtet», sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) der Deutschen Presse-Agentur.

Bei einer IW-Befragung beurteilten 39 von 49 Wirtschaftsverbänden die aktuelle Lage trüber als vor einem Jahr. Die Mehrheit rechnet zudem mit schlechteren Geschäften der Mitgliedsfirmen. Immerhin: Viele der umsatzstärksten 100 börsennotierten Unternehmen in Deutschland dürften nach einer EY-Auswertung mit einem Gewinn- und Umsatzpolster ins kommende Jahr gehen.

Verunsichert ins neue Jahr

Vor einem Jahr hätten zahlreiche Unternehmen noch gedacht, die turbulentesten Zeiten seien überwunden, erläuterte das IW. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine veränderte die Lage. «Die negativen Lagebeurteilungen haben ein fast historisches Ausmaß erreicht», sagte Hüther. Viele Branchen gingen verunsichert ins neue Jahr. «Die Unternehmen fragen sich, ob die Energiepreisbremsen greifen und wie es geopolitisch weitergeht. Die Unwägbarkeit der Energieversorgung ist der große Unsicherheitsfaktor.»

Der Umfrage zufolge rechnen 30 Wirtschaftsverbände im kommenden Jahr mit schlechteren Geschäften ihrer Mitglieder. «Die Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die hohen Energiepreise in absehbarer Zeit wieder sinken werden. Das dämpft den Blick auf das kommende Jahr enorm», erläuterte IW-Konjunkturexperte Michael Grömling.

Besonders düster ist die Stimmung in Branchen, die für ihre Produktion besonders viel Energie brauchen. So geht zum Beispiel die Chemieindustrie davon aus, 2023 deutlich weniger herzustellen. Mit einer Verschlechterung rechnen auch Handwerksunternehmen, die Bauwirtschaft, ein Teil des Finanzsektors und die Immobilienbranche. Sie erwarten wegen der gestiegenen Bauzinsen ein Ende des langen Immobilienbooms.

Investitionen bereiten Hüther Sorgen

Lediglich 13 Verbände zeigten sich bei der Umfrage optimistisch, darunter die Messe- und Werbewirtschaft. Sie hofft darauf, dass Corona-Ausfälle aufgeholt werden. Auch der Tourismus geht von einem Nachholeffekt nach dem Einbruch in der Corona-Krise aus. Der Rest der Verbände rechnet damit, dass sich das Vorjahresergebnis 2023 halten lässt. Dazu zählt unter anderem die Investmentbranche.

Sorgen bereiten Hüther die Erwartungen hinsichtlich der Investitionen. «Das Ergebnis ist so schlecht wie nicht einmal während der Corona-Pandemie.» 17 Branchen rechnen mit einem Rückgang. 22 Verbände, vorwiegend im Dienstleistungssektor, gehen von gleichbleibenden Investitionen aus, acht von höheren Ausgaben.

Auch Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY Deutschland, rechnet 2023 mit sinkender Investitionsbereitschaft: «Sowohl Bürger als auch Unternehmen müssen den Gürtel enger schnallen.» Im zu Ende gehenden Jahr haben sich die 100 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen trotz Gegenwinds nach seiner Einschätzung dagegen «wacker geschlagen.»

Arbeitsmarkt als Stabilitätsanker

Von den Top 100 verzeichneten fast alle (93 Prozent) in den ersten drei Quartalen 2022 demnach ein Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Gesamtumsatz legte um 30 Prozent auf 1,78 Billionen Euro zu. Ohne den Milliardenverlust des angeschlagenen Energiekonzerns Uniper, der weitgehend verstaatlicht werden soll, wäre der operative Gewinn (Ebit) der Konzerne zusammengerechnet um 22 Prozent auf 145 Milliarden Euro gestiegen. Es waren jeweils die höchsten absoluten Werte seit der ersten Auswertung vor fünf Jahren.

Als Stabilitätsanker erweist sich nach Einschätzung Hüthers der Arbeitsmarkt. 23 Verbände erwarten hier eine stabile Entwicklung. Weitere 16 gehen von weniger Personal in ihren Mitgliedsunternehmen aus, darunter Banken und Sparkassen und die Landwirtschaft. Manche Branchen rechnen auch wegen des Fachkräftemangels mit weniger Mitarbeitern. Neun Wirtschaftszweige wollen die Beschäftigung aufbauen, unter anderem das Gastgewerbe und der Tourismus.

Das IW befragte von Mitte November bis Anfang Dezember 49 Wirtschaftsverbände, nicht jeder Verband beantwortete alle Fragen.

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Mehrheit der Bundesländer gegen ein Böllerverbot

Berlin (dpa) – Mehr als die Hälfte aller Bundesländer ist einer Umfrage zufolge gegen ein generelles Böllerverbot in Deutschland – trotz der Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht. Die neun Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen-Anhalt und das Saarland sprachen sich dagegen aus, wie eine Umfrage des «Tagesspiegel» unter den 16 Innenministerien der Länder.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) sagte: «Gewalt gegen Einsatzkräfte, also gegen Menschen, die sich für unser aller Schutz in gefährliche Situationen begeben, ist das Allerletzte und nicht zu tolerieren.» Es handele sich aber um ein Problem, das nicht nur in der Silvesternacht vorkomme, sondern das ganze Jahr. «Ein Böllerverbot trifft deshalb nicht den Kern des Problems», sagte Ebling. Weiterlesen

Zeitung: Über 280 Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester

Berlin (dpa) – In der Silvesternacht hat es laut einem Medienbericht bundesweit mindestens 282 Angriffe auf Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr gegeben. Das berichtet der «Tagesspiegel» (Mittwoch) unter Berufung auf eine eigene Umfrage unter allen 16 Innenministerien der Länder. Allerdings hätten einige Bundesländer wie Hessen und Baden-Württemberg keine Zahlen der Angriffe auf Einsatzkräfte genannt, weshalb die tatsächliche Zahl vermutlich höher ausfalle. Denn auch in diesen Bundesländern seien Angriffe gemeldet worden. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Dienstag haben die Länder bisher noch keine offiziellen Zahlen an die Behörde übermittelt. Weiterlesen

Berliner Gipfel zur Jugendgewalt sucht Auswege

Von Anne-Béatrice Clasmann und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Berlin (dpa) – Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik schlug schon im Dezember Alarm. Mehr als 500 Kinder und Jugendliche waren im Lauf des Jahres 2022 mit Gewalttaten aufgefallen – etwa 200 mehr als ein Jahr zuvor. Mit Sorge sehe die Polizei auch die Respektlosigkeit in bestimmten Stadtteilen, sagte Slowik damals. Das war alles vor der Berliner Silvesternacht und dem Aufschrei über Randale, Gewalt und Angriffe auf Polizei und Feuerwehr.

Ein Gipfel zur Jugendgewalt soll heute in Berlin Experten und Politik zusammenbringen und Auswege aufzeigen. Aber schnelle Antworten wird es wohl nicht geben. «Es ist klar, dass man mit einem Gipfel nicht alles löst, aber das war auch nie meine Absicht», sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey vorab.

Krawalle nicht nur in Berlin

Gerade in der Hauptstadt gibt es immer wieder Gewaltausbrüche, und das seit Jahrzehnten. Als 1987 bei Krawallen zum 1. Mai in Kreuzberg ein Bolle-Supermarkt in Flammen aufging, sprachen Lokalpolitiker schon damals von einer «völlig neuen Qualität» und rechtsfreien Räumen. Die Gewalt zum 1. Mai wurde in den vergangenen Jahren eingehegt, doch wird nun bei anderer Gelegenheit randaliert.

Das passiert nicht nur in Berlin. Silvester-Krawalle gab es dieses Jahr auch in Städten wie Bochum oder Frankfurt an der Oder. Sogar im sächsischen Borna kam es laut Polizei aus einer Gruppe am Marktplatz heraus «zum Abfeuern von pyrotechnischen Erzeugnissen in Richtung der Beamten». 2021 wurden in Dresden 185 Polizisten verletzt, als Hooligans nach einem Fußballspiel mit Pyrotechnik auf sie feuerten.

Schwere Straftaten nehmen ab

Die Täter sind in der Regel jung, das Verhalten bisweilen erschreckend aggressiv. Aber ist da wirklich ein Trend? «Wenn wir die Entwicklung von Jugendgewalt in den letzten 20 Jahren anschauen, so sehen wir, dass schwere Straftaten insgesamt abnehmen», sagt der Soziologe Aladin El-Mafaalani vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück.

Laut Polizeistatistik sank beispielsweise bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung die Zahl der Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner der Altersgruppe zwischen 8 und 21 Jahren in den vergangenen Jahren deutlich. Lag diese Zahl im Jahr 2010 noch bei durchschnittlich 518, so wurden im Jahr 2020 in dieser Altersklasse noch rund 302 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner ermittelt.

Die jüngste Analyse des Deutschen Jugendinstituts in München zur Jugendgewalt vom August 2022 bestätigt die Tendenz: Die Zahl der polizeilich registrierten jungen Tatverdächtigen sei zuletzt zurückgegangen, sowohl bei einfacher Körperverletzung als auch bei schweren Gewaltdelikten, etwa gefährliche oder schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung und schwere sexuelle Übergriffe, Mord oder Totschlag.

Bild ist verwirrend vielfältig

Nun waren die vergangenen Jahre Corona-Jahre, was auch die Kriminalität beeinflusst hat. Trotzdem sagt Sabrina Hoops, wissenschaftliche Referentin beim Jugendinstitut: «Es entsteht schnell der Eindruck, dass junge Leute immer delinquenter werden. Ein sachlicher Blick auf Gewalt im Jugendalter zeigt aber eher das Gegenteil.»

Das bedeutet nicht, dass es nicht auch gegenläufige Trends und Spitzen gibt – das Bild ist verwirrend vielfältig. In Halle an der Saale etwa, einer Stadt mit 240.000 Einwohnern, sorgen seit einem Jahr sogenannte Jugendbanden für Aufsehen, wie Polizeisprecher Michael Ripke bestätigt.

Eine eigene Ermittlungsgruppe, die «EG Cornern», hatte die 2022 insgesamt 368 Verfahren auf dem Tisch, darunter Körperverletzung, Raub, Bedrohung, Diebstähle, Nötigung und Beleidigung. Beim Raub ging es um Bargeld, Smartphones, Kopfhörer, Jacken oder Schuhe teurer Marken. 139 Tatverdächtige wurden registriert, die meisten zwischen 14 und 18 Jahre, die meisten männlich, 90 von ihnen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die übrigen mit unterschiedlichen Nationalitäten, wie Ripke mitteilt. Die Opfer der Straftaten sind demnach ebenfalls überwiegend zwischen 14 und 17 Jahren alt und männlich.

Berichte über «zunehmende Respektlosigkeit»

Es könne große Probleme mit wenigen jungen Intensivtätern geben, sagt Soziologe El-Mafaalani. Und: «Polizisten, Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Mitarbeiter in den Jobcentern berichten von einer zunehmenden Respektlosigkeit.» Das gelte nicht nur für Jugendliche und auch nicht für nur Menschen mit Migrationshintergrund. Ursachen ließen sich nicht leicht benennen.

Womöglich drückt sich hier auch das aus, was Politologen und Soziologen als Spaltung oder als Fehlen einer gemeinsamen gesellschaftlichen Vision beschreiben. Fest stehe auf jeden Fall, dass verschiedene Gruppen ihre Respektlosigkeit in unterschiedlicher Art und Weise ausdrückten, sagt El-Mafaalani.

Die versuchte Stürmung des Reichstagsgebäudes durch Teilnehmer einer «Querdenker»-Demonstration im August 2020 sei ein Beispiel gewesen, die Gewalt gegen Einsatzkräfte in der zurückliegenden Silvesternacht ein anderes. «Hier waren junge Menschen am Werk, die nicht den Eindruck haben, dass sie von der staatlichen Ordnung profitieren.» Es sei eine starke Hemmungslosigkeit zu beobachten gewesen, «vielleicht auch das Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben».

«Präventive Infrastruktur» vielerorts «schlecht aufgestellt»

Was also tun nach dem Schock der Silvester-Krawalle? «Was Berlin angeht, so habe ich den Eindruck, dass man dort im Hinblick auf eine präventive Infrastruktur etwa in Schulen und Sozialarbeit besonders schlecht aufgestellt ist», meint El-Mafaalani. «In vielen westdeutschen Großstädten ist der Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte höher, aber vieles läuft insgesamt besser.»

Die Regierende Bürgermeisterin Giffey wird es nicht gerne hören. Klar ist aber auch für sie, der Gipfel gegen Jugendgewalt sei «keine Eintagsfliege, sondern der Beginn eines Prozesses».

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Dreyer fordert Zukunftsmut und Zuversicht

Mainz (dpa/lrs) – Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat an die Rheinland-Pfälzer appelliert, «Zukunftsmut» zu bewahren und ihn an andere weiterzugeben. «Ich sehe als soziale Optimistin vor allem (…) die Kraft, die unsere Gesellschaft in den vergangenen Monaten entfaltet hat», sagte die SPD-Politikerin am Dienstag beim Neujahrsempfang in der Staatskanzlei in Mainz vor rund 350 geladenen Gästen. Es sei die Kraft der Vielen, die Rheinland-Pfalz stark mache. Darauf sei während der Pandemie und der Flutkatastrophe Verlass gewesen und auch jetzt bei der Bewältigung der Folgen von Putins Krieg. Weiterlesen

Steinmeier: Polizisten sind «keine Prügelknaben»

Berlin (dpa) – Nach den Silvesterkrawallen in Berlin und anderen Städten spricht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dafür aus, die Randalierer schnell zur Rechenschaft zu ziehen. «Ich wünsche mir eine rasche, konsequente Strafverfolgung der Täter»,  sagte er bei einem Neujahrsempfang im Schloss Bellevue. «Und ich erwarte, dass wir als Gesellschaft respektvoll gegenüber all jenen sind, die für uns alle den Kopf hinhalten, die sich für unsere Demokratie und in unserer Demokratie engagieren.»

«Polizisten und Feuerwehrleute sind keine Prügelknaben für Frustrierte», mahnte Steinmeier laut veröffentlichtem Redetext. Bei den Ausschreitungen seien Polizisten und Feuerwehrleute angegriffen, in Hinterhalte gelockt und beschossen worden. «Menschen in Uniform wurden zur Zielscheibe eines enthemmten Mobs – und nichts rechtfertigt diese Gewalt.» Weiterlesen

Kultursenator schreibt Buch über Springsteen-Songs

Hamburg (dpa) – Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) beschäftigt sich seit einigen Monaten intensiv mit Liedern des Musikers Bruce Springsteen. «Ich schreibe gerade an einem Buch, in dem ich unter anderem versuche, politische Werte mit Songs von Springsteen zu erklären. Das klappt erstaunlich gut», sagte der 48-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Er schreibe schon länger an dem Buch, aber es sei noch längst nicht fertig. Es soll im Herbst 2023 erscheinen. «Das ist auch noch mein Plan. Aber das geht nur in den Lücken, die man hat.» Wenn die sich aber nicht ergeben oder er keine Eingebung habe, gehe es eben nicht weiter. «Ich mache das ja nicht hauptberuflich und kann mich morgens an den Schreibtisch setzen und da bis 14.00 Uhr bleiben, wie das manch anderer machen kann. Zwischen 8.00 und 14.00 Uhr schreibe ich keine Zeile. Sondern ich schreibe zwischen 23.00 und 01.30 Uhr – und das hängt dann auch davon ab, wie der Theaterabend vorher war.» Weiterlesen

Pharmabranche warnt nach Impfstoffboom vor raueren Zeiten

Von Alexander Sturm, dpa

Berlin (dpa) – Die deutsche Pharmaindustrie erwartet nach glänzenden Geschäften mit Corona-Impfstoffen schwierigere Zeiten. Während die Sonderkonjunktur aus der Pandemie schwindet, spürt die Branche Kostendruck aus der Politik und die teurere Energie.

2023 werde der Umsatz um knapp 5 Prozent und die Produktion um 1,8 Prozent gemessen am Vorjahr fallen, heißt es in einer Prognose des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Beschäftigung werde nach dem starken Stellenaufbau der vergangenen Jahre bei 118.000 Menschen stagnieren. Der VFA warnte vor ausländischer Konkurrenz und mahnte Reformen im Gesundheitssystem an.

«Chemische Vorprodukte haben sich in der Energiekrise um 30 bis 40 Prozent verteuert», sagte VFA-Chefvolkswirt Claus Michelsen der dpa. Zudem kühle sich das Geschäft mit Corona-Impfstoffen ab.

Corona-Impfstoff beflügelte Umsätze

Der Coup des Mainzer Herstellers Biontech, der den weltweit ersten zugelassenen Corona-Impfstoff aus Deutschland auf den Markt brachte, hatte dem Pharmastandort zu neuem Glanz verholfen und der Branche kräftig Aufwind verschafft. Der Umsatz stieg laut VFA im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent und die Produktion um 3,6 Prozent. Die Branche wird nach früheren Angaben des Verbands noch über Jahre von Corona-Impfstoffen profitieren, wenngleich die Nachfrage mit dem Abflauen der Pandemie fällt. Die Bundesregierung hatte jüngst bekanntgegeben, dass sie umfangreiche Lieferungen abbestellen will.

Zudem sieht sich die Branche wegen Regulierung unter Druck. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Herstellerrabatte, die Unternehmen den gesetzlichen Krankenkassen gewähren müssen, für 2023 erhöht. Das soll die Ausgaben im Gesundheitssystem begrenzen. Die verschärften Rabatte kosteten die Branche mehr als 1,5 Milliarden Euro, berichtete der VFA, der 47 Arzneihersteller mit 94.000 Beschäftigten in Deutschland vertritt.

Energiekosten belasten Branche

«2023 wird für die Pharmaindustrie ein Jahr der Herausforderungen», sagte VFA-Präsident Han Steutel. «Zum einen lasten die hohen Preise für Energie und Vorprodukte auf der Branche, zum anderen verschlechtern sich die Rahmenbedingungen durch die neue Gesetzgebung immens.» Die höheren Kosten müsse die Branche wegen der weitgehenden Preisregulierung von Arzneien in der Regel selbst schultern. Das zum Jahreswechsel in Kraft getretene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz werde für weitere Belastungen sorgen und dem Standort schaden.

Auch bei einzelnen Unternehmen sind die Sorgen groß: Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat davor gewarnt, dass die Erhöhung des Herstellerrabatts und ein Einfrieren der Arzneipreise die Innovationskraft der Branche schmälere – mit Folgen für Patienten.

Der VFA mahnte, die Erfolge nach dem Biontech-Coup nicht zu verspielen. «Wegen der schlechteren Aussichten halten sich Pharmaunternehmen mit Investitionen in Forschung und Entwicklung zurück, die dann in den Folgejahren nicht mehr für die Produktion zur Verfügung stehen», sagte Chefvolkswirt Michelsen. Er erwartet, dass die Investitionen in der Branche in diesem Jahr um 2,3 Prozent sinken.

Forschung in den USA, Patente in China

Während die Konkurrenz in den USA mit einer starken Forschung und einem großen Kapitalmarkt punkte, hole China bei der Zahl der Patente auf. Die Volksrepublik stehe hier weltweit auf Platz 5 – hinter Deutschland auf Rang 2 und den USA an der Spitze. «Schreibt man die Entwicklung der vergangenen Jahre fort, wird China in wenigen Jahren Deutschland überholen», sagte Michelsen. China sei schnell bei klinischen Arzneimittelstudien mit großen Patientengruppen. Deutschland sei hier 2021 auf Platz 6 zurückgefallen.

Nötig für die Branche seien langfristig stabile Rahmenbedingungen, forderte der Lobbyverband. Er forderte, die Herstellerrabatte nicht weiter zu verschärfen und die Ausgaben der gesetzlichen Kassen auf den Prüfstand zu stellen. «Im System gibt es viele versicherungsfremde Leistungen wie die Aufwendung für Bezieher des Arbeitslosengelds II und die Mitversicherung von Ehepartnern, welche eine Transferleistung sind», sagte Michelsen. Auch müsse man stärker auf die Leistungen von Arzneien schauen und Homöopathie hinterfragen.

Branche wenig konjunkturanfällig

Die Pharmabranche gehört nicht zu den ganz großen Industrien in Deutschland, erzielt aber eine hohe Wertschöpfung und steckt viel Geld in Forschung und Entwicklung. Zugleich gilt die Branche als wenig konjunkturanfällig. Während die Chemieproduktion 2022 wegen teurerer Energie um zehn Prozent sank, wuchs die Herstellung der Pharmabranche spürbar weiter.

In der Debatte über Lieferengpässe von Arzneien plädierte der VFA dafür, Lieferketten breiter aufzustellen. Eine Rückholung der Wirkstoffproduktion aus Asien, wie immer wieder gefordert, sieht der Verband skeptisch. «Es wäre sehr teuer, die Produktionsketten für 300 bis 400 Wirkstoffe in Europa wieder aufzubauen», sagte Michelsen.

Es ergebe mehr Sinn, strategische Reserven etwa bei Wirkstoffen zu stärken, um Arzneiengpässe überbrücken zu können. Anders als bei Nachahmerarzneien, darunter Fiebersäfte, seien Lieferengpässe bei innovativen Medikamenten wie Krebstherapien sehr selten. Biopharmazeutika würden weiter in Europa produziert.

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Erzbischof zu Missbrauch: «Die Fakten müssen auf den Tisch»

Freiburg (dpa) – Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat vor der Veröffentlichung eines schon länger angekündigten Missbrauchsberichts Konsequenzen gefordert. «Wer Schuld auf sich geladen hat, muss Verantwortung übernehmen – unabhängig von Posten und Positionen», sagte Burger der Deutschen Presse-Agentur. Die Aufarbeitung sei ihm persönlich wichtig, «die Fakten müssen auf den Tisch», fügte er hinzu.

Das Gutachten über den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit sexuellem Missbrauch sollte ursprünglich im Oktober öffentlich gemacht werden – inzwischen ist von April die Rede. Burger versicherte, er stehe an der Seite der Betroffenen: «Ziel ist es, die frühere Vertuschung und den früheren Umgang mit Missbrauchsfällen aufzudecken.» Burger ist Stellvertreter des Aachener Bischofs Helmut Dieser, der für die Deutsche Bischofskonferenz die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche vorantreibt. Weiterlesen

Silvester-Krawalle: Kritik an CDU für Frage nach Vornamen

Von Marion van der Kraats, dpa

Berlin (dpa/bb) – Während die Berliner Polizei weiteren Hinweisen zu den Silvester-Krawallen nachgeht, ist in der Politik ein Streit um die Form der Aufarbeitung entbrannt. Innenpolitiker der Fraktionen von SPD, Grünen und Linke warfen der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Populismus vor. Hintergrund ist ein Fragenkatalog für den Innenausschuss, in dem die CDU auch nach Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit fragt.

«Damit lässt die CDU ihre rechtspopulistische Maske fallen», sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Tom Schreiber, der Deutschen Presse-Agentur. Vasili Franco von den Grünen sagte: «Das ist eine Verbreitung von rassistischen Ressentiments.» Bei Twitter sorgte der Beitrag des innenpolitischen Sprechers der Linken, Niklas Schrader, für eine rege Diskussion: «Die #CDU hat Fragen für den Innenausschuss zu #Silvester2022 eingereicht und fragt nach den Vornamen der deutschen Tatverdächtigen. Offenbar, um ihnen damit das Deutschsein abzusprechen.»

Mitten im Wahlkampf wird damit die Aufarbeitung der Ausschreitungen zum Jahreswechsel mit Angriffen auf Polizei und Feuerwehr zum Schwerpunkt der ersten Sitzung des Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses an diesem Montag (9.00 Uhr). Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will dabei jüngste Zahlen und Erkenntnisse zu den Silvester-Krawallen erläutern. Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Landesbranddirektor Karsten Homrighausen werden erwartet.

CDU spricht von mangelnder Transparenz

Der CDU reicht das nicht. Ihr innenpolitischer Sprecher Frank Balzer kritisierte, dass keine Polizisten und Feuerwehrleute angehört werden sollen. Er warf den Regierungsfraktionen vor, mit ihrer Mehrheit «Aufklärungsbemühungen» zu unterbinden. «Eine Fehleranalyse der Polizeiführung reicht uns nicht», sagte Balzer.

Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist es Aufgabe der Behördenleitung, die Gesamtsituation bei solchen komplexen Einsätzen zu erläutern. Diese «Draufsicht» hätten Einsatzkräfte nicht.

Mit mangelnder Transparenz begründete CDU-Politiker Balzer auch die Frage nach den Vornahmen der Verdächtigen. Die bisherigen Angaben der Polizei zu deren Nationalität reichten nicht aus, sagte er. Man wolle wissen, ob es einen Migrationshintergrund gebe bei Verdächtigen mit deutschem Pass. Nach Angaben der Einsatzkräfte sei dies der Fall. «Wenn es dort ein Problem gibt, müssen wir es wissen und es ohne Vorurteile offenlegen», so Balzer.

Nach bisherigen Angaben der Berliner Polizei waren unter den 145 vorübergehend festgenommenen Verdächtigen 45 Deutsche und 17 weitere Nationalitäten, darunter 27 Afghanen und 21 Syrer. 94 der 145 sind jünger als 25 Jahre, darunter 27 Minderjährige.

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