Vodou in Haiti: Die dämonisierte Volksreligion

Von Nick Kaiser, dpa

Port-au-Prince (dpa) – Am Abend des 14. August 1791 trafen sich in einem Wald in Haitis Bergen Sklaven von den umliegenden Plantagen zu einer Zeremonie ihrer Religion Vodou (früher Voodoo geschrieben). Nach überlieferten Schilderungen opferte die Priesterin Cécile Fatiman dem Geist Ezili Dantor ein schwarzes Schwein. Der Priester Dutty Boukman rief dazu auf, sich an den weißen Sklaventreibern zu rächen.

Für viele Haitianer ist die nach dem Ort des Geschehens benannte Bois-Caïman-Zeremonie der wahre Start der Revolution, die Tage später ausbrach und 1804 in Haitis Unabhängigkeit mündete.

100 Prozent Vodou-Anhänger

In Haiti, so ein oft bemühter Spruch, sind 70 Prozent der Menschen Katholiken, 30 Prozent Evangelen und 100 Prozent Vodou-Anhänger – so zentral ist der Glaube als Volksreligion für ihr Selbstverständnis. Dennoch wurde Vodou erst vor 20 Jahren in dem Karibikstaat offiziell als Religion anerkannt. Vor 20 Jahren, am 7. April 2003 – zum 200. Todestag des Freiheitskämpfers Toussaint L’Ouverture – verfügte der damalige haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide die rechtliche Gleichstellung des Vodou mit den christlichen Konfessionen.

Seitdem trauten sich die Menschen in Haiti etwas mehr, öffentlich über Vodou zu sprechen, sagt Kyrah Malika Daniels, Assistenzprofessorin für Afro-Amerika-Forschung an der Emory University in den USA. «Aber im Großen und Ganzen wird die Religion nach wie vor unglaublich entwertet, dämonisiert und missverstanden.» Die Anhänger würden von der Polizei schikaniert.

Naturgeister und Heilige

Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Hunderttausende Afrikaner als Sklaven nach Haiti verschleppt. In Westafrika, in der Gegend des heutigen Benin, hatte der Vodou seinen Ursprung. Auf den Zuckerrohrplantagen Haitis mussten die Sklaven ihren Kult tarnen, weil die weißen Herrscher das Christentum unter ihnen durchzusetzen versuchten. So entstand ein sogenannter Synkretismus: die Vermischung zweier Religionen. Heute entspricht fast jedem der Naturgeister im Vodou – den «Loa» – ein katholischer Heiliger.

Dass in Haiti durch die Sklavenrevolution die erste von Schwarzen geführte Republik der Welt entstand, wurde in der weißen Welt als Bedrohung aufgefasst. Haiti wurde als Land blutdürstiger Teufel dargestellt, nicht zuletzt in Hollywood – der Begriff «Zombies» kommt vom haitianischen Vodou-Glauben.

Aber auch im unabhängigen Haiti hatte die Religion einen schweren Stand. Anführer des Aufstands konnten nach weit verbreitetem Glauben zu Gottheiten werden, wie der emeritierte Afrikanistik-Professor und Mitherausgeber des «Journal of Haitian Studies» in den USA, Patrick Bellegarde-Smith – selbst ein Vodou-Priester – im Buch «Fragments of Bone» schreibt: «Sobald sie jedoch an der Macht waren, verboten die Generäle/Präsidenten aus Angst vor der nachgewiesenen Macht der Religion diese, um ihren eigenen Machterhalt zu sichern oder um die (europäische) Weltöffentlichkeit zu beschwichtigen.»

Noch heute werden laut Daniels Vodou-Anhänger dämonisiert und verfolgt. Insbesondere haitianische Protestanten fühlten sich durch diese bedroht. Sie verweist auf einen Bericht, dem zufolge nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 Vodou-Anhänger, die mit Gesang die Geister um Hilfe baten, niedergeschrien wurden. Man habe ihnen vorgeworfen, das Beben ausgelöst zu haben, sagt Daniels. «Als wir 2021 im Süden des Landes noch ein schweres Erdbeben hatten, waren die Leute wieder schnell dabei, dem Vodou die Schuld zuzuschieben.»

Zunehmend neue Anhänger findet die Religion laut Bellegarde-Smith in den USA unter jungen Menschen haitianischer Herkunft. Er führt das auf einen Stolz auf die haitianische Identität in Abgrenzung zu anderen Einwanderergruppen zurück. Dutzende Vodou-Priester und Priesterinnen hätten heute Doktortitel und lehrten an US-Hochschulen, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. «Vodou geht als Natur-, Traditions-, Stammes- und indigene Religion über die Grenzen einer Religion hinaus, es verankert ein nationales Ethos.»

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Von «Casablanca» bis «Elvis» – 100 Jahre Warner Bros. Filmstudio

Von Barbara Munker, dpa

Los Angeles (dpa) – Vier Brüder – Harry, Albert, Sam und Jack – mit dem berühmten Nachnamen Warner sind aus Hollywood nicht wegzudenken. Vor 100 Jahren, am 4. April 1923, gründeten sie das Filmstudio Warner Bros., das zusammen mit Paramount oder Metro-Goldwyn-Meyer zu den Pionieren der aufstrebenden Traumfabrik zählte.

Aus dem Studio der Warner-Brüder gingen Filmklassiker wie «Casablanca» (1942), «Jenseits von Eden» (1955), «Der Exorzist» (1973), «Superman» (1978) oder «Batman» (1989) und Blockbuster-Reihen wie «Dirty Harry», «Lethal Weapon», «Matrix» und das Milliarden-Franchise «Harry Potter» hervor.

Der gebürtige Münchner Michael Keller (52), der seit über 30 Jahren als Mischtonmeister in Kalifornien arbeitet, ist mit Warner Bros. eng verbunden. «Ich bin ja auch hier Einwanderer», erzählt Keller im dpa-Interview mit Blick auf die vier Warner-Brüder, deren Eltern aus dem heutigen Polen in die USA eingewandert waren. «Ich bin schon ewig bei Warner», sagt Keller mit einem Augenzwinkern. An zig Filmen, angefangen bei «Green Lantern» (2011) über «Suicide Squad» bis zu «Elvis», mischte er bereits mit. Seine Arbeit als Sound-Mixer bei dem Biopic «Elvis» brachte Keller in diesem Jahr die erste Oscar-Nominierung in der Sparte  «Bester Ton» ein.

«The Jazz Singer» ist ein Meilenstein

Als Wegbereiter des Tonfilms schrieb Warner Bros. Hollywood-Geschichte. Um 1925, mitten in der Stummfilm-Ära, wurden Sam und Harry Warner auf die neue, bahnbrechende Ton-Technologie aufmerksam. «Die haben sich da langsam rangeschlichen und es ‘Talking Pictures’ genannt und so ging es dann mit Filmsound los», so Keller. Mit «The Jazz Singer» brachte das Studio 1927 Hollywoods ersten abendfüllenden Tonfilm heraus – und revolutionierte damit das Kino.

In der «Goldenen Ära» Hollywoods nahm Warner Bros. Stars wie Bette Davis, James Cagney, Humphrey Bogart oder Errol Flynn unter Vertrag. James Dean drehte Teile seiner drei großen Filme («Jenseits von Eden», «… denn sie wissen nicht, was sie tun», «Giganten») in den legendären Warner Studios im kalifornischen Burbank.

Clint Eastwood («Dirty Harry», «Erbarmungslos», «Million Dollar Baby») ist Stammkunde. Auch der im vergangenen Jahr gestorbene deutsche Regisseur Wolfgang Petersen («Das Boot», «Der Sturm») drehte dort 2005 in fünf Filmhallen, darunter in einem riesigen Wasserbecken, den Katastrophenfilm «Poseidon».

Studios wie ein Flugzeughangar

Keller schwärmt von seinem ersten Studiobesuch bei Warner Bros. in der legendären Halle 16, «die so riesig wirkt wie ein Flugzeughangar». Noch immer begeistert er sich für die aufwendigen Sets auf dem Studiogelände. «Da grinse ich genauso wie vor 30 Jahren, weil es so unglaublich cool ist, was die dort aufbauen.»

Für Keller, der bei der Firma ARRI in München sein Handwerk lernte, hat Hollywood technisch deutlich mehr zu bieten. Im Vergleich zu ein oder zwei Mischstudios bei deutschen Firmen habe die Soundabteilung bei Warner Bros. 29 Mischstudios, sagt der Audioexperte. Gerade wenn sie unter Zeitdruck an großen Filmen arbeiten würden, seien die Kapazitäten an Leuten und Technik enorm wichtig.

Seine letzten beiden Warner-Projekte, das Biopic «Elvis» und der neue Superheldenstreifen «Flash», beschreibt Keller als «wahnsinnig komplizierte» Filme mit vielen Tonspuren und Effekten, an denen Dutzende Soundexperten mitwirkten. Sichtlich gerührt erinnert sich der 52-Jährige an eine emotionale Szene in «Elvis», in der sie den Ton komplett wegnahmen und nur Musik einspielten. Allein das Soundteam würde in der Postproduktion monatelang am Ton basteln.

Superheldenfilm «Flash» zum 100. Geburtstag

Das Sounddesign von «Flash» hätten sie nach 15 Monaten gerade abgeschlossen, erzählt Keller. Der Superheldenstreifen mit Ezra Miller als blitzschneller Metamensch soll im Juni in die Kinos kommen. Ein guter Film für das 100. Jubiläumsjahr, meint der Wahl-Kalifornier. «Flash» sei die perfekte Mischung aus Action, Emotionen, einer Mutter-Sohn-Geschichte und dazu «superlustig».

Warner Bros. hat in diesem Jahr noch weitere Big-Budget-Filme auf dem Programm, darunter «Barbie», «Dune: Teil 2» und «Aquaman and the Lost Kingdom». Zur Feier des 100. Jubiläums sind 2023 viele Events geplant, darunter Klassiker-Screenings, Streamingangebote von Hitfilmen und Ausstellungen.

David Thomson, Warner Bros., The Making of an American Film Studio, Yale University Press, 2017, 220 S., ISBN: 978-0-300-24455-7

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Menschliche Knochenfragmente von Verbrechensopfern bestattet

Berlin (dpa) – Letzte Ruhe für Opfer von Verbrechen im Namen der Wissenschaft: Mit einer öffentlichen Trauerfeier sind am Donnerstag in Berlin mehrere Tausend Knochen bestattet worden. In fünf Gebeinekisten wurden die bei Grabungen gefundenen etwa 16.000 Knochenfragmente auf dem Waldfriedhof in Dahlem zu Grabe getragen.

«Die inhumane Praxis des Forschungsrassismus sah für die Überreste keine Bestattung vor und warf sie in Gruben», sagte Daniel Botmann vom Zentralrat der Juden. «Heute tragen wir zahlreiche Leben, deren Stimmen und Biografien ausgelöscht wurden, zu ihrer letzten Ruhestätte.» Weiterlesen

New Yorks Flatiron Building wird versteigert

Von Christina Horsten, dpa

New York (dpa) – Das dreieckige Flatiron Building gehört zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten von New York – momentan aber ist das berühmte «Bügeleisen-Gebäude» teilweise hinter einem Gerüst versteckt und innen drin komplett leer.

Bis vor wenigen Jahren hatte der Verlag Macmillan Publishers alle 21 Stockwerke des Gebäudes gemietet, aber nach seinem Auszug entbrannte zwischen den Besitzern ein Streit um die Zukunft des Gebäudes. Ein Richter ordnete schließlich die Auktion an und so soll nun am 22. März ein Stück New York öffentlich versteigert werden.

Gleich fünf Besitzer hat das unter Denkmalschutz stehende Flatiron Building derzeit: Den Immobilienfirmen GFP Real Estate, Newmark, ABS Real Estate Partners und Sorgente Group gehören gemeinsam 75 Prozent, dem Immobilien-Entwickler Nathan Silverstein die restlichen 25.

Silverstein habe «absurde» Vorstellungen von der Zukunft des Gebäudes gehabt und beispielsweise überhaupt keine Renovierungen vornehmen wollen, heißt es von den Immobilienfirmen. Silverstein wiederum wirft den Mit-Besitzern unter anderem vor, das Gebäude nicht ausreichend beworben und für einen viel zu niedrigen Quadratmeterpreis angeboten zu haben. Der Streit eskalierte, führte zu jahrelangen Mietausfällen – und nun zur Zwangsauktion.

Gegenüber liegt der Madison Square Park

Eröffnet wurde das etwa 90 Meter hohe Flatiron Building, das auch in zahlreichen Filmen und Fernsehserien zu sehen ist, im Jahr 1902 – an der Kreuzung von Broadway, 23rd Street und Fifth Avenue, mitten in Manhattan. Gegenüber liegt heute der Madison Square Park. Eigentlich hieß das Gebäude von Architekt Daniel Hudson Burnham «Fuller Building», da es als Hauptquartier des Bauunternehmens Fuller gebaut und anfangs auch genutzt wurde. Aber der Spitzname Flatiron setzte sich bald durch und wird inzwischen auch für die gesamte Gegend drumherum verwendet.

Nachdem Fuller das Gebäude aufgegeben hatte, zogen zeitweilig unter anderem Versicherungen und kleine Unternehmen ein. Im Erdgeschoss befanden sich immer wieder auch Restaurants oder Einzelhandel. Die abgerundet dreieckige Form des Hauses – mit an der Spitze nur zwei Metern Breite – sorgte allerdings auch immer wieder für Herausforderungen an die Mieter.

Ein Stück New Yorker Geschichte

Dass das «Bügeleisen-Gebäude» bei der anstehenden Auktion einen Preis im mehrstelligen Millionen-Bereich erzielen wird, gilt als wahrscheinlich. Ein mögliches Mindest-Gebot wurde zunächst nicht mitgeteilt. Die Immobilienfirmen, die derzeit noch gemeinsam 75 Prozent des Gebäudes besitzen, haben schon angedeutet, dass sie wohl mitsteigern werden. Grundsätzlich aber könne jeder, der sich als Bieter registrieren lasse, mitsteigern, sagte Auktionator Matthew Mannion der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe bereits «riesengroßes Interesse». «Wenn Sie je ein Stück New Yorker Geschichte besitzen wollten», hieß es beim TV-Sender CNBC, «dann haben Sie jetzt die Chance».

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Der berüchtigte «Rock»: Alcatraz vor 60 Jahren geschlossen

Von Barbara Munker, dpa

San Francisco (dpa) – Es ist nur eine kurze Bootsfahrt, in einer guten Viertelstunde erreicht man von Alcatraz das Festland in San Francisco. Doch für 27 Männer war es am 21. März 1963 eine bedeutsame Reise. Sie waren die letzten Häftlinge, die vor 60 Jahren das berüchtigte Gefängnis verließen und in andere Anstalten verlegt wurden. Als «bleiche, schweigsame» Männer, die in Handschellen und an den Füßen gefesselt mit gesenktem Kopf an Land gingen, beschrieb sie der <<San Francisco Chronicle>> damals.

Von Verbrechern zu Vögeln

Heute steht die Insel Alcatraz als Museum und als Brutstätte für viele Vögel unter Denkmal- und Naturschutz. Doch 29 Jahre lang war der «Rock», der Felsen in der Bucht von San Francisco, der Verbannungsort für die «Schlimmsten der Schlimmsten», für Unruhestifter und Ausbrecherkönige. Es war ein als ausbruchsicher geltendes Zuchthaus für Schwerverbrecher wie Al Capone, George «Machine Gun» Kelly, Alvin «Creepy» Karpis und Robert Stroud.

Jeder hatte eine Nummer, hinter insgesamt 1576 Männern schlossen sich ab 1934 fast 30 Jahre lang die Gittertüren zu den nur 1,50 mal 2,70 Meter großen Zellen. Allerdings saßen zur gleichen Zeit nie mehr als 300 Gefangene ein. Viele Wärter lebten mit ihren Familien auf der kargen Felsinsel, zeitweise mit Dutzenden Kindern.

Erinnerungen an eine dunklen Ort

Darwin Coon, Ex-Häftling Nr. 1422, saß als verurteilter Bankräuber ab 1959 bis zur Schließung ein. «29 Tage im Block D, in einer bitter-kalten Dunkelzelle ohne einen Lichtstrahl», ist Coons schlimmste Erinnerung. Er war mit einem Messer erwischt worden, das er sich zur Selbstverteidigung besorgt hatte, erzählte der damals 73-Jährige 2006 vor Besuchern auf Alcatraz. Über seine Erfahrungen hatte er ein Buch geschrieben. Coon und andere Ex-Häftlinge kehrten später freiwillig auf die Insel zurück, als Redner und Touristenführer.

Legenden vom «Rock»

Der 2011 verstorbene Coon war ein Schwerverbrecher, aber kein Mörder wie berüchtigte Mitbewohner, darunter Robert Stroud, der legendäre Vogelmann von Alcatraz. Coon hatte 1963 die Schließung des Gefängnisses miterlebt. Die Betriebskosten waren zu hoch geworden. Wasser und Verpflegung mussten per Boot auf die Insel gebracht werden. In der rauen Seeluft verfielen die alten Gebäude mehr und mehr. Zudem waren die Lebensbedingungen als unmenschlich kritisiert worden. Justizminister Robert Kennedy ordnete die Schließung an.

Jeder sollte sich diesen Ort zur Abschreckung anschauen, empfahl Coon seinen Zuhörern im Jahr 2006. Damals wohnte er in San Francisco, nur wenige Blocks von dem Hafen-Pier entfernt, wo täglich die Fähren nach Alcatraz ablegen. «Es ist eindeutig besser, von hier auf die Insel zu schauen, als umgekehrt der Blick aus der Zelle auf die Stadt.»

Was aus dem berüchtigten Ort geworden ist

1972 wurde Alcatraz zum Denkmal erklärt und für Besucher zugänglich gemacht. Nun lockt der «Rock» jährlich über eine Million Besucher an. Sie können durch verrostete Gittertüren in die kalten Zellen gehen, den Speisesaal und die Duschanlagen besichtigen.

Man erfährt auch über den spektakulären Ausbruch eines Trios im Juni 1962. Mit Löffeln und einem improvisierten Bohrer gruben sich drei Männer durch Mauern und Belüftungsschächte. Mit einem Floß, das sie unter anderem aus Gummiregenmänteln zusammengebaut hatten, ging es weiter. Bis heute fehlt von ihnen jede Spur. Die Behörden sind überzeugt, dass sie im kalten Wasser mit seinen gefährlichen Strömungen ertranken. Im Laufe der Jahre versuchten etwa 40 Gefangene zu entkommen. Die meisten wurden gefasst, einige auf der Flucht erschossen, andere ertranken. Nur in fünf Fällen blieb ihr Schicksal im Dunkeln.

Alcatraz als Filmset

Berühmt durch Gangstergeschichten und Abenteuerkrimis mit Filmstars wie Clint Eastwood und Burt Lancaster, lebt der Mythos weiter. Die Besucherattraktion ist eine gefragte Hollywood-Kulisse für Filme wie «Der Gefangene von Alcatraz», «Flucht von Alcatraz», «Murder in the First» oder «The Rock».

Die gut 500 Meter lange Felseninsel ist auch eine wichtige Brutstätte für Seevögel. Spanische Seefahrer tauften sie einst «La isla de los Alcatraces», die «Insel der Pelikane».

Hohenzollern-Chef: Klagen um Entschädigung zurückgezogen

Von Gerd Roth, dpa

Berlin/Potsdam (dpa) – Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen hat nach eigenen Angaben zwei Klagen gegen die öffentliche Hand um Entschädigung in Millionenhöhe zurückgezogen. Das bestätigte der 46-Jährige in Berlin. Von Seiten des zuständigen Verwaltungsgerichts in Potsdam lag dafür weiter keine Bestätigung vor. «Aber Sie können davon ausgehen, dass ich auch dazu stehe», sagte von Preußen am Rande einer Historikerdiskussion um die Rolle seiner Familie im Nationalsozialismus.

Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Nach dem Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System «erheblichen Vorschub geleistet hat». In dieser Frage ist die Rolle des Urgroßvaters Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951) entscheidend.

Es geht um die Rolle des Urgroßvaters

Die Gespräche ruhen, nachdem Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Brandenburg hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen hatten die Hohenzollern geklagt. Es geht um 1,2 Millionen Euro.

In der zweiten Klage geht es unter anderem um Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Cecilienhof in Potsdam. Auch in diesem Fall hatte das Land eine Entschädigung mit derselben Begründung abgelehnt.

Von Preußen sieht zeitweilige Sympathien seines Urgroßvaters für die Nationalsozialisten, mehr aber nicht. «Auch wenn ich selbst weder Historiker noch Jurist bin, lässt sich aus meiner Sicht nicht nachweisen, dass mein Urgroßvater dem Regime erheblichen Vorschub geleistet hat, selbst wenn er dies vielleicht gewollt hätte», sagte er. «Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert hatte.» Mit Blick auf die Familiengeschichte sagte er: «Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus sein.»

Ungeklärte Eigentumsverhältnisse

Von Preußen verwies auf ungeklärte Eigentumsverhältnisse von Kunstwerken und Objekten, die abschließend geregelt werden sollten. «Für die Zuordnung von 4000 dieser mehr als 10.000 Objekte ist das Handeln meines 1951 verstorbenen Urgroßvaters relevant», sagte er. Er habe entschieden, auf die Rückgabe von jenen 4000 Kunstwerken und damit verbundene Entschädigungen zu verzichten. «Damit möchte ich den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert.» Ähnlich hatte er sich zuvor in der «Welt» geäußert.

Es bleibe sein Ziel, das Kunst- und Kulturerbe dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten. «Daher bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, auch Lösungen für die übrigen Kunstwerke zu finden, deren rechtliche Zuordnung nicht von der historischen Rolle meines Urgroßvaters abhängig ist.» Von Seiten des Bundes und Brandenburgs war der angekündigte Verzicht auf die Klagen bereits als positives Zeichen für Gespräche gewertet worden.

Historikerdebatte organisiert

Die von ihm organisierte Historikerdebatte bezeichnete von Preußen als Beitrag «zur Aufarbeitung unserer wechselvollen Familiengeschichte im 20. Jahrhundert». Dabei erneuerte der Historiker Lothar Machtan seine Einschätzung. «Der ehemalige Kronprinz war politisch unfähig, dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub zu leisten, obwohl er das punktuell sogar gewollt hat», sagte der Professor an der Universität Bremen. «Ihm fehlte die real existierende Möglichkeit, nennenswerten Einfluss auf politische Meinungsbildungsprozesse zu nehmen.»

Der Historiker Peter Brandt, dessen Gutachten eine Grundlage für die Haltung Brandenburgs war, schrieb dem Kronprinzen «nach wie vor» eine Rolle zu, dem NS-System erheblichen Vorschub geleistet zu haben. Eine ähnliche Position vertreten auch zahlreiche andere Historikerinnen und Historiker.

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Hohenzollern wollen auf Entschädigung verzichten

Potsdam/Berlin (dpa) – Im jahrelangen Streit um Entschädigung in Millionenhöhe zwischen der öffentlichen Hand und den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers zeichnet sich eine Lösung ab. Die Hohenzollern wollen auf eine gerichtliche Entscheidung verzichten.

Georg Friedrich Prinz von Preußen werde die Klagen in zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam zurückziehen, erfuhr die dpa am Mittwoch von Seiten der in Potsdam sitzenden Generalverwaltung des Hauses. Von Preußen werde seine Entscheidung während einer am Donnerstag in Berlin geplanten Veranstaltung zur Geschichte der Familie bekannt geben, hieß es.

Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Die Gespräche ruhen, nachdem Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Das Land hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen klagen die Hohenzollern. Es geht um 1,2 Millionen Euro. Weiterlesen

Südkorea will Streit um ehemalige Zwangsarbeiter lösen

Seoul/Tokio (dpa) – Südkorea hat einen entscheidenden Vorstoß zur Beilegung des Streits mit Japan um die Entschädigung ehemaliger koreanischer Zwangsarbeiter gemacht. Außenminister Park Jin verkündete am Montag in Seoul einen Plan, wonach Opfer oder ihre Hinterbliebenen über einen öffentlichen Fonds entschädigt werden.

In diesen Fonds sollen private Spenden fließen. Direkte Zahlungen japanischer Firmen an die Opfer sind demnach nicht vorgesehen. Während der Kolonialherrschaft Japans über Korea (1910-45) und des Zweiten Weltkriegs hatten japanische Unternehmen nach Schätzungen Hunderttausende Koreaner zur Arbeit gezwungen.

Während Japan und die USA die Pläne begrüßten, wurden sie von verschiedenen Bürgergruppen in Südkorea heftig kritisiert. Vor dem Außenministerium in Seoul kam es zu lautstarken Protesten. Seoul hoffe, durch die jetzige Lösung könnten die Konflikte mit Japan überwunden werden, sagte Park. «Ich denke, das ist die letzte Chance.» Weiterlesen

Kriegsfall: Bund erwog einst Rückzug in Züge statt in Bunker

Marienthal (dpa) – Die Bundesregierung hat vor einem halben Jahrhundert für den Kriegsfall auch einen Rückzug in Züge auf Gleisen statt in ihren Bunker im Ahrtal erwogen. Hintergrund war die Angst vor einem Blackout der Elektronik im Regierungsbunker. Das geht aus Akten der Bundesregierung im Bundesarchiv hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Kopie vorliegen.

Demnach gab 1971 der damalige Kanzler Willy Brandt (SPD) eine Untersuchung mit dem Namen «Gewitter» in Auftrag, in der es um «Neuerkenntnisse der Auswirkungen des bei Kernwaffenexplosionen auftretenden elektromagnetischen Impulses (EMP)» ging.

Jörg Diester, Autor mehrerer Bücher über den inzwischen aufgegebenen und teilweise in ein Museum verwandelten Regierungsbunker, erläuterte, «Gewitter» habe für einen Wendepunkt in der Verteidigungsstrategie Deutschlands gestanden. In der Ära Brandt sei eine deutliche Distanzierung zum Regierungsbunker zu beobachten gewesen. «Nie wieder gewann die Anlage die Bedeutung, die ihr ursprünglich zugedacht war.» Weiterlesen

Hollywoods gefallener Star – Doku über Charlton Heston

Von Philip Dethlefs, dpa

London (dpa) – Charlton Heston war 27 Jahre alt und schon drauf und dran, Hollywood zu verlassen. Da begegnete er auf dem Parkplatz eines Filmstudios dem Starregisseur Cecil B. DeMille und winkte ihm freundlich zu. Weil DeMille die Art des Winkens gefiel, engagierte er den bis dato erfolglosen Schauspieler Heston für «Die größte Schau der Welt» und danach für sein Monumentalepos «Die zehn Gebote», das 1956 ins Kino kam. Die Rolle als Moses machte Heston zum Superstar.

Es war der Beginn einer Weltkarriere, die Heston Anfang der 2000er wegen einer Alzheimer-Erkrankung endgültig aufgeben musste. Seine letzten Jahre waren geprägt von einer Rolle, die ihm viel Kritik einbrachte: als Präsident der National Rifle Association (NRA).

Die Arte-Doku «Von Moses zum Waffennarr» beleuchtet das bewegte Leben des 1,90 Meter großen Hollywood-Hünen, der 1923 in einer Kleinstadt in Illinois geboren wurde und 2008 in Beverly Hills starb.

Er war zunächst ein Liberaler

«Als Heston das Kostüm anlegte, das Gewand, den Stab und den Bart, wurde er zu Moses», sagt Biograf Marc Eliot, Autor des Buchs «Charlton Heston: Hollywood’s Last Icon». Fortan war der gut gebaute, gut aussehende Schauspieler, der in seinen Filmen viel Haut zeigte, einer der gefragtesten Männer in Hollywood. Es folgten Erfolge wie «Weites Land», sein wohl berühmtester Film «Ben Hur» oder «El Cid».

Als Heston seinen Oscar als Bester Hauptdarsteller für «Ben Hur» erhielt, dankte er einem Autor, der am Drehbuch beteiligt war, jedoch nicht offiziell gelistet wurde. Hollywood horchte auf. Der überzeugte liberale Demokrat, der häufig den tapferen, gerechten Helden spielte, war auch abseits der Leinwand bekannt für seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er ignorierte dafür die Regeln Hollywoods.

1958 setzte er durch, dass Orson Welles, der in der McCarthy-Ära als angeblicher Kommunist auf der Schwarzen Liste stand, beim Hollywood-Film «Im Zeichen des Bösen» erstmals nach Jahren wieder Regie führen durfte. «Es zeugte von der moralischen Integrität Hestons», erklärt der Autor und Politologe Stephen Schlesinger in der Doku. «Damit gefährdete er seine eigene Zukunft in Hollywood.»

In den 1960er Jahren war Heston einer der ersten prominenten Weißen, die sich für die Bürgerrechtsbewegung einsetzten, was damals nicht ohne Risiko für Schauspieler war. 1963 nahm er mit anderen Stars an der Seite von Martin Luther King am Marsch auf Washington teil. Wichtig sei ihm gewesen, der Anführer dieser Hollywood-Delegation zu sein, berichten Zeitzeugen. Moralische Verpflichtung oder großes Ego? Bei Heston war es wohl beides.

Wenn er nicht vor der Kamera stand oder sich engagierte, mied Heston, der sich Chuck nannte, allerdings das Rampenlicht. Der zweifache Familienvater war 64 Jahre mit seiner Frau Lydia verheiratet.

Wechsel zu den Republikanern

Sein Besuch bei den US-Truppen während des Vietnam-Kriegs führte 1966 zum Bruch mit den Demokraten. Die mangelnde Unterstützung für die jungen Soldaten an der Front und die Anti-Kriegs-Bewegung in Amerika schockierten Heston. Er wechselte zu den Republikanern.

Auch in Hollywood erfand er sich neu – mit Rollen in actionreichen Science-Fiction-Filmen wie «Planet der Affen», «…Jahr 2022 … die überleben wollen» (auch bekannt als «Soylent Green») oder «Der Omega-Mann». Fast 100 Filme drehte der einstige Theaterschauspieler in seiner Karriere. Fast vergessen ist sein nicht so glamouröses Comeback im Fernsehen in der «Denver Clan»-Fortsetzung «Die Colbys». Dass es später an Rollenangeboten mangelte, setzte Heston schwer zu.

Als Altstar verstärkte er sein Engagement für die Republikaner. Die Ansichten des einstigen Linken wurden ultrakonservativ. Ein politisches Amt für die Partei lehnte er zwar ab, doch ab 1998 wurde er Präsident der mächtigen Waffenlobby NRA. «Moses wird es richten», hieß es damals in der NRA. Mehrere Amokläufe mit vielen Toten konnten Heston nicht von der reaktionären Haltung abbringen. Im Gegenteil.

Damit wurde der einstige Gerechtigkeitskämpfer zu einer tragischen Figur, die nur noch von überzeugten Waffenbesitzern ernst genommen und gefeiert wurde. Der Gedanke liegt nahe, dass es für Heston eine Ersatzrolle war, die er nicht mehr loswurde, selbst als er sein Amt mit 78 Jahren wegen einer Alzheimer-Erkrankung aufgeben musste.

Der Satz «Nur aus meinen kalten, toten Händen», den Charlton Heston mit einem Gewehr in der Hand im Tonfall seines Moses oder Judah Ben Hur bei einer NRA-Versammlung sprach, mag vielen Menschen mehr in Erinnerung geblieben sein als einige seiner großen Filmrollen. Der Dokumentarfilm «Von Moses zum Waffennarr» erinnert daran, dass es nur ein Teilaspekt eines faszinierenden und widersprüchlichen Lebens war.

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Neue Kammer in der Cheops-Pyramide nachgewiesen

Von Sabine Dobel, dpa

Kairo/München (dpa) – Ein internationales Forschungsteam in Ägypten hat in der berühmten Cheops-Pyramide von Gizeh eine neue Kammer entdeckt. Bereits vor Jahren hatten Messungen auf einen verborgenen Hohlraum hingewiesen.

Durch ein Endoskop, das durch einen schmalen Spalt zwischen zwei giebelartig angeordneten Steinen geführt wurde, sei nun die Existenz einer erstaunlich große Kammer bestätigt worden. Das teilte die Technische Universität München (TUM) mit, die mit einem Team an der Entdeckung beteiligt war.

Die Cheops-Pyramide zählt zu einem der Sieben Weltwunder der Antike. Der Fund sei nicht zuletzt besonders bedeutsam, weil die Pyramide als eines der am besten untersuchten Bauwerke der Welt gelte, erläuterten die TUM-Wissenschaftler. Im Inneren der Kammer seien keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise auf menschliche Aktivitäten zu sehen. Daher nimmt die Forschungsgruppe laut TUM an, dass diesen Raum seit rund 4500 Jahren kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat.

«Entdeckung eins Hohlraums ist schon etwas Besonderes»

Die Kammer befindet sich oberhalb des eigentlichen Zugangs an der Nordseite der Pyramide. Der zwischen 17 und 23 Meter über Bodenniveau liegende Korridor überschreite nach ersten Schätzungen sogar die ursprünglich vermutete Größe von mindestens fünf Meter Länge. Laut ägyptischem Antikenministerium soll der Korridor neun Meter lang und 2,10 Meter breit sein.

«Einen Hohlraum in einer Pyramide zu entdecken, ist schon etwas Besonderes. Aber dass diese Kammer groß genug ist, um mehrere Menschen aufzunehmen, das macht es noch viel bedeutender», sagt Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung an der TUM. Die Münchner sind seit 2019 an dem internationalen Forscherteam namens ScanPyramids beteiligt, das seit 2015 die ägyptischen Pyramiden mit unterschiedlichen Mitteln und Technologien untersucht.

Ägyptologen werten den Fund als außergewöhnlich. «Es ist spektakulär, denn die Kammer ist wirklich groß», sagte der Ägyptologe Alexander Schütze von der Ludwig-Maximilians-Universität, der nicht an den Forschungen beteiligt war. Allerdings ist die Bedeutung der Kammer womöglich nur eine technische. «Es sieht für mich sehr danach aus, dass es sich um eine weitere Entlastungskammer handelt, die den immensen Druck der Steine von der Eingangskonstruktion nehmen sollte», sagte Schütze. «Der Fund wird auch das Verständnis der Bauweise vorantreiben.»

Der Münchner Ägyptologe Frank Müller-Römer, der sich mit dem Bau der Pyramiden befasst, sieht in dem Fund weiteres Potenzial. «Es sieht aus wie eine Entlastungskammer.» Es sei aber offen, was darunter sei und entlastet werden sollte. «Das sollte weiter untersucht werden.»

«Entlastungskammern sind grundsätzlich bekannt»

Nicht zuletzt über der Königskammer gibt es Räume, auf denen giebelartig angeordnete Steinen ruhen und die nach bisherigen Erkenntnissen zur Entlastung dienen. Die Steine über den Gängen und Kammern wiegen Millionen Tonnen.

«Entlastungskammern sind grundsätzlich bekannt», sagt auch der Bauforscher am Deutschen Archäologischen Institut Kairo, Martin Sählhof. Es erscheine ihm plausibel, wenn am früheren Eingang derartige Hohlräume konstruiert worden seien. Viele Fragen zu Statik und Bauprozess seien aber noch offen.

Bis heute gibt es Rätsel auf, wie die alten Ägypter vor rund 4500 Jahren die immensen Pyramiden mit den viele Tonnen schweren Blöcken bauten. Die Messungen des ScanPyramids-Teams sollen auch dazu beitragen, die Baugeschichte der Cheops-Pyramide und den inneren Aufbau besser zu verstehen.

Messungen mit der Myonentomografie

Grundlage für den Fund der versteckten Kammer waren Messungen mit der Myonentomografie gewesen, einem bildgebenden Verfahren zur dreidimensionalen Abbildung großvolumiger Objekte mittels kosmischer Strahlung. Diese ließen die Existenz eines Hohlraums in der sogenannten Großen Pyramide vermuten, wie die beteiligten Wissenschaftler 2017 in dem Fachmagazin «Nature» berichteten. Schon damals war das spektakulär – die Rede war in Medien von einer ersten Entdeckung dieser Größenordnung im Innern der Cheops-Pyramide seit dem 19. Jahrhundert.

Zur näheren Untersuchung setzte das TUM-Team unter Leitung von Christian Große solche Methoden wie Radar und Ultraschall ein. «Die Pyramiden gehören zum Weltkulturerbe. Deshalb müssen wir bei der Untersuchung besonders vorsichtig vorgehen, damit keine Beschädigungen entstehen», sagte Große. Radar- und Ultraschallmessgeräte könnten nicht nur zerstörungsfrei, sondern teilweise sogar kontaktfrei angewendet werden.

Die Myonentomografie hatte zunächst Dichteunterschiede im Bauwerk gezeigt, denen die Forscher weiter nachgingen. Sie hatten dann vermutet, dass es sogar zwei unterschiedlich große Hohlräume an verschiedenen Stellen in der Pyramide gibt. Der eine konnte nun bestätigt werden. Der andere Hohlraum im Zentrum der Pyramide könnte – falls er sich bestätigt – deutlich größer sein. Noch immer birgt die Pyramide Rätsel.

Liegt in einem der die Mumie des Pharao Cheops?

Weitere Forschungsarbeit sei nötig, hieß es bei der TUM. Die genaue Funktion des Kammer- und Schachtsystems im Innern der monumentalen Pyramide, die rund 140 Meter aufragt, ist nicht vollständig geklärt.

Spekuliert wurde sogar, ob in einer der Kammern die Mumie des Pharao Cheops liegen könnte. Der Sarkophag in der Königskammer war leer vorgefunden worden. Doch Forscher gehen eher davon aus, dass die Mumie nicht in der Pyramide ist. «Es gibt meines Erachtens keinen Grund, eine Art Versteck zu vermuten, wo man die Überreste beigesetzt hat», sagte Schütze. Die Pyramide war geplündert worden, wahrscheinlich bereits in der Antike.

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