Dutzende Menschenopfer der Maya unter Pyramide entdeckt

Balancán (dpa) – In einer Ruinenstätte der Maya im Südosten von Mexiko sind Knochenreste von mindestens 25 geopferten Menschen gefunden worden. Unter einer Tempelpyramide in der archäologischen Stätte Moral-Reforma im Bundesstaat Tabasco entdeckten Forscher Schädel, Kieferfragmente und andere Knochenteile von meist jungen Männern, wie das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) gestern mitteilte.

Die Archäologen gingen davon aus, dass die sogenannte Struktur 18, wo der Fund gemacht wurde, mit dem Tod oder mit einer Gottheit der Unterwelt des Maya-Glaubens in Verbindung stand. Acht Opfer waren nach Angaben des Projektleiters Francisco Cuevas enthauptet worden. Weitere Körperteile waren demnach zerstückelt und lagen verstreut herum. Weiterlesen

Als der Reggae vor 50 Jahren in die Welt hinauszog Bob Marley & Co.

Von Nick Kaiser, dpa

Kingston (dpa) – Viele der großen Reggae-Pioniere sind nicht mehr übrig. Allein in den vergangenen knapp drei Jahren sind Koryphäen wie Toots Hibbert, Lee «Scratch» Perry und Bunny Wailer gestorben. Bob Marley starb schon 1981 an Krebs, sein Bandkollege Peter Tosh wurde 1987 ermordet. Vor 50 Jahren standen beide im Mittelpunkt, als die jamaikanische Musikrichtung sich anschickte, die Welt zu erobern.

Die Sängerin Rita Marley, Bobs Witwe, sei nach einem Schlaganfall eingeschränkt, aber stark, erzählt Herman Davis, genannt Bongo Herman. Der 79 Jahre alte Perkussionist sitzt in einer Bude auf dem Gelände des Bob Marley Museum in Kingston. Um ihn herum hängen Fotos, etwa von ihm beim Fußballspielen mit Marley und beim Trommeln mit Prinz Charles, Zeitungsausschnitte – eine Überschrift nennt ihn einen «Perkussions-Maestro» – und Platten und Souvenirs, die er verkauft.

Ein Halt bei Herman ist Teil der Museumsführung. Er gibt den Touristen einen Crashkurs im Spielen von Instrumenten mit Namen wie Cabasa, Vibraslap und Shaker. In Patois-lastigem Englisch erzählt er von seinem Auftritt als Breakdancer im Film «Rockers» von 1978.

Herman hat mit vielen Reggae-Größen mal zusammengespielt – auch mit Marley. Dessen Gruppe The Wailers – die im Kern aus ihm, Peter Tosh und Bunny Wailer bestand – war in ihrer Heimat Jamaika bekannt, noch bevor der Reggae um 1968 als Musikrichtung entstand. Doch auf der seit 1962 von Großbritannien unabhängigen Karibikinsel konnte man damals nicht von der Musik leben, wie Herman erzählt: «Wir sind nie wirklich bezahlt worden – nur ein Pfund pro Song.»

London, 1972: Zur rechten Zeit am rechten Ort

Als die Wailers Ende 1972 ohne Geld in London feststeckten, gingen sie zum Gründer und Chef der Plattenfirma Island Records, Chris Blackwell. Sie kannten ihn nicht persönlich, aber der großteils auf Jamaika aufgewachsene Brite hatte ein paar ihrer frühen Ska-Platten in Großbritannien vertrieben. «Bunny hatte sich in den Kopf gesetzt, dass ich ihnen Geld schuldete», schreibt Blackwell in seinen Memoiren «The Islander», die vergangenes Jahr erschienen.

Das sah er anders, dennoch waren die Wailers bei Blackwell an der richtigen Adresse. Die drei, insbesondere Marley, machten mit starker Ausstrahlung auf ihn Eindruck, wie er schildert. «Als ich sie betrachtete, dachte ich: Scheiße, das ist das Wahre. Und ihr Timing war gut. Jimmy Cliff hatte mich gerade eine Woche zuvor verlassen.»

Der 78-jährige Cliff ist einer der erfolgreichsten Reggae-Musiker. Ähnlich wie die Wailers hatte der Sänger damals auf Jamaika Bekanntheit erlangt, aber kaum Geld verdient und den internationalen Durchbruch noch nicht geschafft. Das erzählt David Katz, der US-Autor von «Solid Foundation», einer Oral History des Reggae, sowie auch einer Jimmy-Cliff-Biografie, der Deutschen Presse-Agentur.

Blackwell holte Cliff nach England, um aus ihm einen Star zu machen – jedoch zunächst als Soulsänger, wie Katz betont, was nicht geklappt habe. Blackwell versprach Cliff nach eigenen Angaben, ihm binnen zwei Jahren zum Durchbruch zu verhelfen. Er vermittelte ihm die Hauptrolle im jamaikanischen Spielfilm «The Harder They Come» von 1972. «Und dann verzögerte und verzögerte sich der Film, und als er herauskam, wurde das Geld erst nach Jahren wieder eingespielt», sagt Katz.

Heute ist der Film – mit Cliff als jungem Mann vom Land, der nach Kingston kommt, um Sänger zu werden, aber in die Unterwelt abrutscht – ein Klassiker. Der Filmmusik von Cliff wird eine große Rolle bei der Verbreitung des Reggaes außerhalb Jamaikas zugeschrieben. Doch das dauerte ein paar Jahre. Cliff gingen die Geduld und das Geld aus, und er verließ Island Records. «Vielleicht war es Schicksal, dachte ich. Gerade als Jimmy hinausstürmte, kamen Bob, Pete und Bunny hereinspaziert», erinnert sich der 85-jährige Blackwell.

Mit «Catch a Fire» fing es an

Er verpflichtete sie sofort, und im April 1973 kam das Album «Catch a Fire» heraus – unter anderem mit dem Song «Stir It Up». Blackwell ließ den US-Rock-Gitarristen Wayne Perkins auf dem Album spielen, um den Klang im Ausland etwas Mainstream-tauglicher zu machen. «Es hatte das Beste aus beiden Welten», meint Katz. «Es war das raue Jamaikanische mit genug Rock-Elementen, um es zugänglich zu machen.»

«Catch a Fire» verkaufte sich zwar nicht auf Anhieb besonders gut, aber über die Jahre beständig, wie Blackwell berichtet. Laut Katz war das Album die Startrampe für die folgende internationale Anerkennung für Bob Marley and the Wailers – wie die Gruppe später hieß.

Noch 1973 ging die Band in den USA auf Tour und veröffentlichte ihr nächste Album, «Burnin’», mit den Songs «Get Up, Stand Up» und «I Shot the Sheriff». Kurz darauf verließen Bunny und Tosh die Band. Marley wurde als Rebell mit sanfter Stimme eine globale Ikone.

The Show must go on

Das  Bob Marley Museum, in einem gehobenen Viertel der Hauptstadt Kingston, war früher der jamaikanische Sitz von Island Records, bevor Blackwell das Grundstück Marley übergab. Seit kurzem steht dort auch ein Laden der Marke «Marley Natural». Da kann Marihuana gekauft und in einem Nebenraum geraucht werden. Das Kiffen gehört zu den Riten der Rastafari-Bewegung, der Marley angehörte. Das Cover von «Catch a Fire» ist ein Bild von ihm mit einem großen Joint im Mund.

Marley sei ein von Gott gesandter musikalischer Prophet gewesen, meint Bongo Herman, der etwa zur selben Zeit wie dieser in Trench Town aufwuchs – einem von Gewalt und Armut geprägten Viertel von Kingston. «Reggae kann nicht sterben, Reggae lebt für immer», sagt er und verweist darauf, wie viele Menschen außerhalb Jamaikas die Musik liebten – in Deutschland sei er auf großen Festivals aufgetreten. Manche heutigen Reggae-Musiker seien allerdings vom Pfad abgekommen und zu sehr in den Hip Hop abgedriftet, meint er. Für die richtige Musik brauche es die richtigen Musiker. «Viele von uns leben noch.»

 

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«Die netten Jungs von nebenan»? 30 Jahre Backstreet Boys

Von Britta Schultejans, dpa

Berlin (dpa) – Es war eine der Schlüsselszenen ihrer Show: Kevin Richardson (51) und AJ McLean (45) versteckten sich bei den Konzerten ihrer Deutschland-Tournee 2022 hinter einer Art Umkleidekabine – und warfen signierte Unterhosen von der Bühne ins Publikum. «Wir revanchieren uns.»

Denn jahrzehntelang war es umgekehrt: Nach den unschuldigen Teddybären und Plüschtieren aus der Anfangszeit waren es dann weniger unschuldige Dessous, die den Backstreet Boys bei ihren Konzerten um die Ohren flogen – begleitet von ohrenbetäubendem Kreischen, das ihre Musik teilweise übertönte.

Drei Jahrzehnte geht das nun schon so. Die Gruppe, die mit Pop-Krachern wie «Quit Playing Games (with My Heart)», «Everybody» oder «I Want It That Way» Boyband-Geschichte geschrieben hat, feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum. Als Gründungsdatum gilt der 20. April 1993.

Damals waren McLean, Richardson, dessen Cousin Brian Littrell (heute 48), Howie Dowough (49) und natürlich Nick Carter (43) gerade vom umstrittenen und inzwischen im Gefängnis gestorbenen Produzenten Lou Pearlman in Florida zusammengecastet worden.

Tränen in den Augen

Alex Gernandt war ganz nah dran, als es dann in Deutschland losging mit der Weltkarriere: «Ich war dabei, als sie im November 1995 in einem italienischen Restaurant in München mit ihrer ersten Goldenen Schallplatte überrascht wurden», sagt der frühere Chefredakteur der «Bravo», der Bibel eines jeden «BSB»-Fans der 1990er Jahre. «Die Jungs hatten Tränen in den Augen, alle haben geheult vor Glück. Und dann brachen sie plötzlich weltweit Rekorde.»

Ein kalkulierter und orchestrierter Erfolg: «Vorher hatten die Jungs in Florida zwei Jahre lang hart trainiert, bis zur Perfektion. Darum sind sie auch so gut, weil sie quasi ein Bootcamp durchlaufen mussten, bevor es richtig losging», sagt Gernandt. Höflich, gut erzogen und unkompliziert seien sie gewesen. «Das waren die netten Jungs von nebenan.»

Jedes Mädchen durfte damals träumen

Es war aber nicht nur das harte Training und die damit verbundene musikalische und tänzerische Qualität, die dafür sorgte, dass die Backstreet Boys Konkurrenten wie Caught in the Act auf dem Weg in den Pop-Olymp in Windeseile überflügelten. Dazu trug auch die sorgfältige Zusammensetzung der Gruppe bei: Brian für die netten Mädchen, AJ für die rebellischen, Howie für die ruhigen, Kevin für die etwas älteren – und Nick für alle. Jede durfte träumen damals in den 1990ern.

Damals reichte bei Konzerten der schiere Anblick der damaligen Jungs, um die Mädchen in kreischende Ekstase zu versetzen. Heute ist das Kreischen auf den Konzerten heiserer geworden, die Ekstase Mojito-getränkt. Eine Stimmung wie bei einem Junggesellinnenabschied um 00.45 Uhr. Die Frauen, die heute im Publikum grölen und im Arm der besten Freundin zu «Show Me The Meaning Of Being Lonely» schaukeln, haben das größtenteils auch 1995 oder spätestens 1997 schon getan.

«Was bei den Backstreet Boys zählt, ist der Nostalgie-Faktor. Man holt sich mit ihnen einen Teil seiner Jugend zurück. Gerade in schwierigen Zeiten ist das ja ein probates Mittel – sich zurück zu träumen in die eigene noch unbeschwerte Jugend», sagt Musik-Experte Gernandt. «Und vermeintlich problematische politische Aussagen oder Skandale können den Backstreet Boys nichts anhaben, so scheint es.»

Skandale einfach abperlen lassen

Denn eine der hervorstechendsten Qualitäten der Band ist es, Skandale abperlen zu lassen. Drogen- und Alkohol-Abstürze von AJ und Nick, dessen stürmische und von Gewaltvorwürfen überschattete Beziehung zu Paris Hilton Klatsch-Schlagzeilen machte, konnten den Backstreet Boys, die später sogar ihre eigene Show in Las Vegas hatten, nichts anhaben.

Toxisches Verhalten von Carter und seinem inzwischen gestorbenen kleinen Bruder Aaron in der Reality-Show «House of Carters» blieb von der Fan-Base weitgehend ignoriert. Und dass Littrell sich offen als Donald-Trump-Unterstützer mit zumindest fragwürdigen politischen Ansichten präsentierte, scheint die Fans auch nicht sonderlich zu interessieren.

«Ob vermeintliche Skandale Auswirkungen auf den Erfolg haben und ob Fans sich abwenden, hängt auch davon ab, wie politisch eine Band vorher wahrgenommen wurde», sagt Gernandt. «Bei einer reinen Pop-Band wie den Backstreet Boys wird ein unbedachtes politisches Statement nicht so sehr auf die Goldwaage gelegt, denn Politik ist nicht unbedingt ihre Kernkompetenz und auch nicht Inhalt der Musik oder das, was die Fans an dieser Band interessiert.»

Geplante Spezial-Sendung gestrichen

Inzwischen jedoch überschatten Vorwürfe, die nicht politisch, aber schwerwiegend sind, die drei Dekaden andauernde Erfolgsgeschichte. Denn Nick Carter werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Zwei Frauen sagen, er habe sie Anfang der 2000er Jahre vergewaltigt. Carter, der inzwischen verheiratet ist und sein Familienleben mit drei kleinen Kindern offensiv auf Instagram zeigt und vermarktet, streitet die Vorwürfe entschieden ab, spricht von Verleumdung und hat eine Gegenklage angestrengt.

Der US-Sender ABC strich eine geplante Spezial-Sendung zum Weihnachtsalbum der Band, Carter selbst soll Werbedeals verloren haben, beklagten Fans in Online-Foren. Dort glaubt die überwiegende Mehrheit der Anhänger an die Unschuld ihres Teenie-Idols – und die Welttournee der Backstreet Boys läuft vor kreischendem Publikum weiter. Von Ende April an stehen Konzerte in Island, Ägypten, Saudi-Arabien, Indien und Südafrika auf dem Programm. Frei nach dem Motto: «As Long As You Love Me.»

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Gedenken an Aufstand im Warschauer Ghetto – Steinmeier-Rede

Warschau (dpa) – Polen, Israel und Deutschland gedenken heute gemeinsam des Beginns des Aufstandes im Warschauer Ghetto vor genau 80 Jahren. Jüdische Widerstandskämpfer setzten sich damals gegen die Deportation Zehntausender Bewohner in die Vernichtungslager der SS zur Wehr – obwohl der Kampf wegen der Übermacht der SS von Anfang an praktisch aussichtslos war.

Am Ghetto-Denkmal in der polnischen Hauptstadt werden am Mittag die Staatspräsidenten Polens, Israels und erstmals auch Deutschlands – Andrzej Duda, Izchak Herzog und Frank-Walter Steinmeier – Reden halten und Kränze niederlegen.

Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dies eine ähnlich schwierige Rede werden wie Anfang 2020 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Dort bekannte er sich vor der Weltgemeinschaft klar zur deutschen Schuld am Holocaust und sagte den Schutz jüdischen Lebens zu. «So etwas erwarte ich von ihm jetzt wieder und damit auch, dass aus einer solchen Rede auch ein Aufrütteln der Gesellschaft hervorgeht», sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Deutschen Presse-Agentur. Weiterlesen

Israel gedenkt Opfern des Holocaust Aufstand im Warschauer Ghetto

Tel Aviv/Teheran (dpa) – Die Menschen in Israel haben am Dienstag der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden gedacht. Landesweit heulten am Vormittag zwei Minuten lang die Sirenen. Auf den Straßen blieben die Autos stehen, Passanten verharrten in stillem Gedenken. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Izchak Herzog legten in der Gedenkstätte Yad Vashem Kränze nieder. Unterdessen drohte der Iran dem Land erneut mit Zerstörung.

Der Tag Jom Ha-Schoah wird in Israel seit 1951 begangen. In diesem Jahr wird besonders an den jüdischen Aufstand gegen die deutschen SS-Truppen im Warschauer Ghetto erinnert, der am 19. April 1943 begann. Der verzweifelte Kampf gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Deutschen endete rund vier Wochen später. Nur wenige Warschauer Juden überlebten. Am Mittwoch wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der zentralen Gedenkfeier in Warschau eine Rede halten. Weiterlesen

Eine Überlebende erzählt von der Hölle

Von Christina Storz, dpa

Jerusalem (dpa) – Mit sechs Jahren sah Tova Gutstein zum ersten Mal, wie Nazis unweit ihres Wohnzimmerfensters eine Gruppe Männer erschossen. Aufgereiht an einer Wand, einer nach dem anderen – nur, weil sie Juden waren. Ihr Zuhause in Warschau lag nur ein paar Meter vom Umschlagplatz der deutschen Truppen entfernt, wo Hunderttausende Juden ermordet oder in Vernichtungslager deportiert wurden.

Eines der vielen schrecklichen Bilder, die die heute 90-Jährige im Gedächtnis hat, seit Jahrzehnten schon. «Jeden Abend schlafe ich mit den Erinnerungen ein. Und jeden Morgen wache ich damit auf», erzählt die alte Frau, die 1940 zusammen mit ihrer Familie in der polnischen Hauptstadt ins angrenzende Ghetto verschleppt wurde.

Hart im Nehmen

Gutstein sitzt nun auf einer Steinbank vor der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Das Alter sieht man ihr kaum an. Vor einem halben Jahr verletzte sie sich bei einem Sturz am Bein. «Davor sah ich aus wie 40», lacht sie. Dazu fährt die linke Hand mit den rotlackierten Nägeln durch ihre weißen Haare. Seit dem Sturz ist sie zwar nicht mehr so gut zu Fuß. «Doch ich bin hart im Nehmen.»

Den Rollstuhl der Gedenkstätte schiebt die Holocaust-Überlebende trotz Steigung vor sich her. Sie geht lieber. «Ich bin es gewohnt zu kämpfen. Gegen Kälte, gegen Hitze, gegen Hunger, gegen Schmerz – deshalb werden wir auch so alt.»

Von den rund einer halben Million Juden, die im Warschauer Ghetto von den Nazis eingepfercht wurden, schafften es nur die wenigsten in die Freiheit. Viele starben an Krankheiten und Hunger. Andere wurden erschossen oder in Vernichtungslager deportiert. Am Mittwoch jährt sich der Aufstand zum 80. Mal – eines der Symbole für den jüdischen Widerstand.

Die Helden des Widerstands

Gutstein erinnert sich daran noch gut. Bereits Wochen zuvor kam immer wieder ein Junge aus der Nachbarschaft und fragte nach Wertgegenständen, um Waffen im Untergrund zu kaufen. «Meine Mutter hat ihm jedes Stück Schmuck gegeben. Alles, was wir noch übrig hatten», erinnert sie sich. Ihr Vater war damals schon von den Nazis verschleppt worden. Sie sah ihn nie wieder.

Als am 19. April 1943 die Kämpfe begannen, war Gutstein außerhalb des Ghettos. Beinahe täglich kroch sie mit einem Seil am Bauch durch die Kanalisation, um auf der anderen Seite nach Essen für ihre Familie zu suchen. Als sie zurückrannte, war ihr Haus nur noch Schutt und Asche. «Meine Mutter, Schwester und Bruder waren weg.» Vier Wochen später schlugen die deutschen Besatzer den Aufstand endgültig nieder.

Gutstein rettete sich in einen Wald in der Nähe. Dort wurde sie von Partisanen aufgenommen. Wenn diese zum Kämpfen gegen die Deutschen gingen, verkroch sie sich in einem mit Gestrüpp bedeckten Erdloch. «Sie sagten zu mir: “Komme erst raus, wenn du keine Schüsse mehr hörst.” Einmal dauerte das vier Tage.» Ohne Essen, ohne Wasser, ohne Tageslicht. Nach dem Krieg fand sie in Deutschland Mutter, Schwester und Bruder wieder. «Ich danke Gott dafür.»

Langes Schweigen

1948 kam sie nach Israel. In der neuen Heimat habe sie das Erlebte nur vergessen wollen, sagt Gutstein. Bis ins Alter von 80 Jahren habe sie nicht darüber gesprochen. «Weder mit meinem Mann, noch mit meinen drei Kindern. Ich wollte einfach nicht daran denken.» Was sie zum Umdenken brachte? Ihre große Schwester habe Alzheimer bekommen. «Manchmal frage ich mich, ob das besser so ist.» Sie habe dadurch aber realisiert, dass sie es sei, die die Geschichte erzählen müsse. Gegen das Vergessen.

Am Mittwoch wird Frank-Walter Steinmeier als erster Bundespräsident zum 80. Jahrestag vor dem Denkmal in Warschau, das daran erinnert, eine Rede halten. Wie sie das findet? «Früher wäre es mir damit nicht gut gegangen», gibt sie zu. «Aber im Alter ist es besser geworden.» Auch Entschädigung aus Deutschland habe sie lange abgelehnt. «Sie haben mir meine Jugend genommen, meine Bildung, meine Zukunft. Ich wollte ihr Geld nicht.»

Generell frage sie sich häufig, was mit ihrem Leben passiert wäre, wenn die Nazis nicht ihre Jugend zerstört hätten. Als der Krieg vorbei war, konnte sie weder schreiben noch lesen. «Ich war Analphabetin und wurde Krankenschwester, weil ich wusste, wie man hilft. Aber vielleicht hätte ich auch Professorin werden können.»

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Anklage im Auschwitz-Prozess vor 60 Jahren

Von Eva Krafczyk, dpa

Frankfurt/Main (dpa) – Dass er vor dem Prozess seines Lebens stehen würde, das ahnte der junge Staatsanwalt Gerhard Wiese nicht, als ihm der Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft im Spätsommer 1962 mitteilte, dass er das sogenannte Auschwitz-Team verstärken sollte: Jenes Juristenteam, das den Frankfurter Auschwitz-Prozess vorbereitete, der im Dezember 1963 begann.

Doch bereits am 16. April 1963 war mit der Einreichung der 700 Seiten langen Anklageschrift gegen 23 frühere SS-Angehörige und einen Funktionshäftling der erste Schritt für den historischen Prozess getan.

Denn der erste Frankfurter Auschwitzprozess war der größte Strafprozess der Nachkriegszeit in Deutschland und ein wichtiger Schritt der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in der noch jungen Bundesrepublik. Die Akten sind heute im Hessischen Staatsarchiv gelagert, 2017 wurden sie ins Weltdokumentenerbe der UN-Kulturorganisation Unesco aufgenommen.

Selbst ehemals verfolgter Jude während der Nazizeit

«Die Vorgabe von Fritz Bauer war, dass er eine Anklage quer durch das Lager haben wollte, vom Kommandanten bis zum Häftlingskapo», erzählt Wiese, der inzwischen 94 Jahre alt ist. Fritz Bauer war der damalige hessische Generalstaatsanwalt, der die Auschwitz-Prozesse erst zustande gebracht hat – und selbst ehemals verfolgter Jude während der Nazizeit war. Er sei «der Mann im Hintergrund» gewesen, so Wiese. Es habe natürlich Besprechungen und Gespräche über den Prozess gegeben. Im Verfahren selbst sei Bauer aber nicht aufgetreten. Und noch etwas sei dem Ankläger wichtig gewesen: «Er hat dafür gesorgt, dass junge Staatsanwälte das machen und keine Staatsanwälte, die vor 1945 schon im Amt waren.»

Wiese ist trotz seines vorgerückten Alters aufgeschlossen für moderne Technik – vor ihm liegt ein Tablet, auf dem Schreibtisch steht ein Laptop. Solche Möglichkeiten hätte er vor 60 Jahren auch gerne gehabt, schmunzelt Wiese. Doch damals hätten die Staatsanwälte ihre etwa 60 Aktenbände und die Hefte mit den Vernehmungen, Dokumenten und Aussagen zu jedem der Beschuldigten bearbeitet und die Anklage diktiert. «Unsere Schreibdamen haben das dann mit mechanischen Schreibmaschinen übertragen, zum großen Teil auf Papier, das zog sich ziemlich hin», erinnert sich Wiese an die Prozessvorbereitung. «Die Anklageschrift, letztlich 700 Seiten, haben wir in einem Rundgang um einen großen Tisch Packen für Packen zusammengesetzt.»

Folter, Brutalität und schwere Misshandlungen

Damals sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er an einem historischen Verfahren beteiligt war, so Wiese, der die Anklage gegen «die beiden schlimmsten SS-Männer» Oswald Kaduk und Wilhelm Boger führte. Folter, Brutalität und schwere Misshandlungen von Häftlingen wurden den beiden unter anderem vorgeworfen.

«Ich habe auch nicht geahnt, dass ich bis zum heutigen Tage damit befasst bin. Das war so für mich nicht voraussehbar», sagt Wiese. Im Laufe des Verfahrens habe er dann begriffen, welche Dimension das Verfahren auch für die deutsche Gesellschaft bekam. «Doch, das war schon der Prozess meines Lebens.»

Über Auschwitz-Birkenau, das größte der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, habe er vor seiner Mitarbeit im Prozessteam wenig gewusst. «Ich wusste natürlich, das war ein Lager – aber ich kannte wenig Einzelheiten.» Seine Kollegen, die das Verfahren schon seit 1958 bearbeitet hatten, hätten das frühere Lager während der Ermittlungen besichtigt. Wiese bekam nach eigenen Angaben während der Arbeit an der Anklageschrift «ein ungefähres Bild von dem, was da in Auschwitz und in Birkenau vor sich gegangen war.»

Mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge wurden in Auschwitz ermordet, starben an den Folgen von Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten, Misshandlungen oder den unmenschlichen Lebensbedingungen des Lagers. Bis heute ist «Auschwitz» für viele ein Synonym für den Holocaust. In Israel wird die heutige Gedenkstätte als größter jüdischer Friedhof der Welt bezeichnet – ein Friedhof ohne Gräber.

Die Angeklagten habe Wiese als eine «Ansammlung bürgerlicher Mitbürger» erlebt. «Dass sie in Auschwitz waren, konnte keiner bestreiten.» Schuld hätten sie allerdings von sich gewiesen. Vor allem manche Zeugenaussage habe die Hölle von Auschwitz verdeutlicht – nicht nur den Prozessbeteiligten, sondern auch den Besuchern des Verfahrens, darunter viele Schulklassen. Oft sei der Zuschauerraum bis zum letzten Platz gefüllt gewesen.

Als Zeitzeuge ist er aber nach wie vor gefragt

In einer Zeit, in der viele Menschen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen wollten, kamen nun die Verbrechen von Auschwitz zur Sprache. Für sechs der Angeklagten gab es bei der Urteilsverkündung lebenslange Freiheitsstrafen, drei Angeklagte wurden freigesprochen. Um wegen Mordes verurteilt zu werden, musste die Anklage persönliche Beteiligung an Morden nachweisen. Das bestritten die Angeklagten in dem Verfahren wiederholt – oder sie gaben an, nur Befehle befolgt zu haben.

Wiese bedauert noch heute, dass sich das Gericht im Auschwitz-Prozess – und auch lange in späteren Verfahren – nicht der Ansicht der Staatsanwaltschaft angeschlossen habe, «dass jeder, der da (in Auschwitz) war, wenigstens Beihilfe geleistet hat.» Das habe sich erst in den vergangenen Jahren geändert. «Aber da war so viel Zeit ins Land gegangen, dass die Angeklagten alle über 90 waren. Und da konnte nicht mehr viel mehr rauskommen. Wenn das früher gekommen wäre, hätte es noch viele Einzelverfahren gegeben», betont Wiese.

Der frühere Ankläger ist zwar schon seit Jahrzehnten im Ruhestand, als Zeitzeuge ist er aber nach wie vor gefragt, spricht vor Schülern über den Prozess seines Lebens und die juristische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen.

Nachdenklich schüttelt er den Kopf, als die Rede auf den aktuellen Rechtsextremismus und rechten Terror wie in Hanau oder Halle kommt, den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. «Ich sehe das mit großem Bedauern,» sagt Wiese. Den Prozess gegen den zu lebenslanger Haft verurteilten Lübcke-Mörder habe er mitverfolgt, auch wenn der mittlerweile auf einen Rollator angewiesene Jurist nicht selbst im Gericht war: «Ich habe eine gute Bekannte, die diese Prozesstage mitverfolgt hat und mir dann authentisch aus dem Gerichtssaal berichtet hat.»

Projekte der Mainzer Provenienzforschung werden vorgestellt

Mainz (dpa/lrs) – Vier Projekte zur NS-Raubkunst und postkolonialen Provenienzforschung stehen am Samstag im Mittelpunkt einer Veranstaltung in Mainz. Unter dem Motto «Geraubt, getauscht, gehandelt» können interessierte Bürger nach einer Podiumsdiskussion Fragen stellen und die Objekte und Quellen begutachten, wie Dorothee Glawe vom Landesmuseum mitteilte. Organisatoren der Veranstaltung am fünften internationalen Tag der Provenienzforschung sind das Landesmuseum, das Leibniz-Zentrum für Archäologie (Leiza) und die Universität. Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft (Provenienz) von Kulturgütern. Weiterlesen

Akte über Serienmörder Peter Kürten aufgetaucht

Von Frank Christiansen, dpa

Düsseldorf (dpa) – Fast 100 Jahre nach seiner schrecklichen Mordserie ist eine bislang unbekannte Handakte über den Serienmörder Peter Kürten (1883-1931) aufgetaucht. Die Akte habe der damalige Ermittlungsrichter und spätere Richter am Bundesgerichtshof Carl Hertel angelegt, sagte der Leiter des Düsseldorfer Stadtarchivs, Benedikt Mauer, in Düsseldorf.

Hertel habe die Akte Generalbundesanwalt Max Güde überlassen, dessen Sohn sie im Nachlass des Vaters entdeckt und an das Stadtarchiv geschickt habe. Mauer übergab die Akte am Mittwoch dem zuständigen Landesarchiv NRW, das den Fall Kürten mit den 223 Gerichtsakten dokumentiert. Die Handakte enthält Originalbriefe des Serienmörders und Vernehmungsprotokolle. Es handele sich um einen «Glücksfall», sagte Historikerin Martina Wiech vom Landesarchiv.

Vampir von Düsseldorf

Die Verbrechensserie des «Vampirs von Düsseldorf» gilt als spektakulärster Kriminalfall der Weimarer Republik und machte weltweit Furore. Kürten ermordete neun Menschen und beging mindestens zehn weitere Mordversuche. Er wurde zum Tode verurteilt und am 2. Juli 1931 in Köln geköpft. Regisseur Fritz Lang griff den Fall noch 1931 in seinem Film «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» auf.

Ermittlungsrichter Hertel hatte in der Akte die Vernehmungen Kürtens dokumentiert und auch Briefe des Serienmörders nach dessen Festnahme. So habe sich Kürten verwundert gezeigt, dass er von seiner Frau nichts höre und ihr einen Brief geschrieben, doch die habe dem Richter kühl mitgeteilt: «Bitte sagen Sie ihm, er soll das alles unterlassen. Es ist alles vorbei und zu spät. Die Reue ist zu spät.»

Die Frau des Serienmörders hatte nach Bekanntwerden seiner Untaten einen Nervenzusammenbruch erlitten. Zur Scheidung kam es vor der Hinrichtung Kürtens nicht mehr: Auguste Kürten wurde Witwe und änderte mit Unterstützung des Richters ihren Namen in Schmitt, nachdem sie unter dem Namen Krüger enttarnt worden war.

Den Briefen zufolge habe Kürten wohl nicht mit seiner Hinrichtung gerechnet. Vor seiner geplanten Rückverlegung aus der Heilanstalt Bedburg in das Düsseldorfer Gefängnis Ulmer Höh’ habe er um eine frisch gestrichene Zelle auf der Sonnenseite der Haftanstalt gebeten. Mal zeigt er sich einsichtig: «Meine damaligen Ansichten bei Begehung der Taten waren wohl irrige», schreibt er. Zwischenzeitlich hatte er sein Geständnis allerdings widerrufen.

1929 hatte Kürten acht seiner neun Morde – meist an Kindern und Frauen – begangen sowie eine Reihe von Überfällen und Mordversuchen, mit denen er die Bevölkerung im Rheinland in Hysterie versetzt hatte.

Lust am Töten

Kürten hatte mindestens zehn Geschwister, sein Vater war ein gewalttätiger Alkoholiker, der Frau und Kinder schlug, sich sogar an einer Tochter verging. Als Kind schaute er seinem Nachbarn, einem Tierfänger, bei der Arbeit zu und spürte schon damals seine Lust am Töten.

Eine überlebende Frau hatte die Ermittler schließlich an Kürtens Wohnanschrift geführt. In der Wohnung wird seine Ehefrau festgenommen. Kürten selbst hatte Unheil gewittert und sich im letzten Moment abgesetzt. An der Düsseldorfer Rochuskirche wird Kürten schließlich bei einer fingierten Verabredung mit seiner Frau verhaftet – und gesteht.

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Biden zu 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens in Belfast

Belfast (dpa) – Der erste volle Tag des Besuchs von US-Präsident Joe Biden auf der Insel Irland am Mittwoch steht im Zeichen des vor 25 Jahren geschlossenen Karfreitagsabkommens. Seine Priorität sei, den Frieden in der früheren Bürgerkriegsregion zu bewahren, sagte der US-Präsident, der gestern Abend zur Jubiläumsfeier in Nordirlands Hauptstadt Belfast eintraf. Der 80-Jährige, der auf seine irische Herkunft stolz ist, bleibt bis Freitag auf der Grünen Insel.

Mit einer Rede am neuen Campus der Ulster University in Belfast will sich der demokratische Politiker heute Nachmittag an die Menschen in Nordirland wenden. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, sagte vorab, Biden wolle einerseits zu dem Erfolg des Friedensschlusses von 1998 gratulieren, der «nie da gewesenen Frieden und Wohlstand» gebracht habe. Andererseits wolle Biden die Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit aufzeigen. Weiterlesen

Gedenkarbeit: Landtag arbeitet eng mit Ruanda zusammen

Mainz (dpa/lrs) – Der rheinland-pfälzische Landtag arbeitet in der Gedenkarbeit enger mit dem Partnerland Ruanda zusammen. Dabei werde auch über psychologische Hilfe für traumatisierte Opfer in dem ostafrikanischen Land nachgedacht, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering der Deutschen Presse-Agentur in Mainz anlässlich des Genozid-Gedenktags am 7. April.

Der Völkermord an der Tutsi-Minderheit hatte am 7. April 1994 begonnen. «800.000 Menschen sind auf furtchbar bestialische Weise ermordet worden», erinnerte Hering. «Es waren an sehr vielen Orten in Ruanda Menschen betroffen, ob als Opfer oder als Täter.» Weiterlesen

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